• 19.07.2013 21:56

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Wolff begeistert: "Das war meine große Gelegenheit"

Susie Wolff zieht nach ihrem Testeinsatz im Williams FW35 eine positive Bilanz: "Mal schauen, was nun passiert" - Verstummen die Kritiker nun?

(Motorsport-Total.com) - "Susie hat einen tollen Job gemacht" - so lautete das Lob des Williams-Teams nach dem ersten Einsatz der Schottin Susie Wolff im Rahmen einer offiziellen Formel-1-Session. Die frühere DTM-Pilotin durfte am letzten Tag der Young-Driver-Days in Silverstone im FW35 fahren. Beim Blick auf die Zahlen fällt die Bilanz positiv aus. Wolff absolvierte am Freitag 89 Runden und platzierte sich mit ihrer besten Rundenzeit von 1:35.093 Minuten auf Rang neun der Tageswertung.

Titel-Bild zur News: Susie Wolff

Glücklich und stolz: Susie Wolff nach ihrem Testeinsatz im Williams FW35 Zoom

"Eine Zeit von 1:34.6 Minuten war mein Ziel. Ich war letztlich vier Zehntel dahinter, was nicht allzu viel ist", bilanziert Wolff. Die Schottin hatte sich an der Zeit orientiert, die Neuling Daniel Juncadella am Vortag realisiert hatte. Ob die Rundenzeiten unter gleichen Voraussetzungen erzielt wurden, ist indes unklar. "Ich bin ziemlich sicher, dass mehr drin gewesen wäre, wenn ich die frischen Reifen später am Nachmittag benutzt hätte. Ich hätte es gern versucht. Die entsprechende Performance steckte im Auto."

"Bei den Medium-Reifen ist es schwierig, die Pneus vorne und hinten gleichzeitig ins Arbeitsfenster zu bringen. In meiner ersten schnellen Runde hatte ich Probleme mit den Vorderreifen. Als die endlich im Fenster waren, bauten die Hinterreifen bereits ab", berichtet die Blondine von ihrem Erlebnis Formel 1. "Meine schnellste Zeit fuhr ich im vierten Umlauf. So ruft man sicherlich nicht das gesamte Potenzial ab. Da wäre mehr gegangen."

Die 30-Jährige stand am Freitag unter genauer Beobachtung. "Ich bin eine Frau, das ist eine Tatsache. Aber spielt das wirklich eine Rolle? Ein Rennteam will immer möglichst die schnellsten Piloten im Auto haben", sagt sie. "Es war mir sehr wichtig, dass ich zeigen konnte, dass ich die nötige Leistung erbringen kann. Innerhalb der wenigen Runden, die ich zur Verfügung hatte, bin ich auf gutes Tempo gekommen. Ich war nur vier Zehntel vom amtierenden Formel-3-Champion weg - also von einem, der als große Nachwuchshoffnung gilt."

Wolff spielt nicht die Karte Frau

"Es war mir viel wichtiger, dass ich die entsprechende Leistung zeigen konnte als dass ich hier die Karte Frau spiele. Es waren viele junge Piloten im Einsatz, die hart für einen Aufstieg in die Formel 1 kämpfen. Genauso hart kämpfe auch ich dafür", stellt Wolff ihre Ansprüche und Ambitionen dar. "Heute konnte ich mich beweisen. Es gibt nicht viele, die eine Chance bei den Young-Driver-Days bekommen. Das war heute meine große Gelegenheit."

Susie Wolff

Kurz einrollen, dann ans Limit: In der Formel 1 muss alles ganz schnell gehen Zoom

"Ich hatte mich körperlich gut vorbereitet. Mein Problem war aber, dass ich das Lenkrad von Pastor im Auto hatte. Der hat viel größere Hände. Für mich war die Bedienung schwierig - vor allem wenn ich mitten in der Kurve an einen Knopf kommen musste. Da hätte ich irgendwelche Fingerverlängerungen gebrauchen können. Außerdem saß ich nicht gut im Sitz. Ich bin herumgerutscht", so Wolff, die fast fehlerlos blieb. "Ein einziges Mal bin ich zwischen den Kurven 13 und 14 etwas über das Gras gerutscht. Das war aber auch alles."

"Es gibt so vieles zu beachten: DRS, KERS und die ganzen Ansagen vom Team. Man muss die ganze Zeit voll fokussiert sein. Das Team hatte mich wunderbar darauf vorbereitet. Ich wusste, was ich zu erwarten hatte", sagt die Schottin. Zur Unterstützung war unter anderem Williams-Einsatzpilot Valtteri Bottas angereist. "Ich hatte Valtteri gebeten, hier vor Ort zu sein. Er war so nett und hat mir am Morgen einige Hinweise gegeben. Das war wirklich eine Hilfe."

Lob von Massa lässt sie kalt

"Ich habe nur wenige Runden zum Eingewöhnen gehabt und dann gab man mir frische Reifen, damit ich eine schnelle Zeit markiere. Das geht alles so rasant. Da hilft einem die Vorbereitung im Simulator", sagt Wolff, die als offizielle Test- und Entwicklungsfahrerin von Williams oft im Simulator agiert. "Man weiß zumindest genau, wo die Bremspunkte sind und wie die Strecke ist. Aber wenn man dann durch Maggotts und Becketts rast, dann ist das in der Realität schon heftig. In meiner ersten fliegenden Runde schlug mir das Herz bis zum Hals."

Trotz des Drucks und aller öffentlichen Aufmerksamkeit konnte Wolff ihr Programm abspulen. "Ich habe mich für sie gefreut, als ich ihre gute Rundenzeit auf dem Monitor gesehen habe. Sie hat das gut gemacht", lobt Ferrari-Pilot Felipe Massa. "Das ist nett, aber im Grunde ist es nicht so wichtig, was andere Fahrer denken", winkt Wolff ab. "Wichtig ist, was das Team für einen Eindruck hat. Wenn das Team zufrieden ist, bekomme ich vielleicht weitere Chancen. Das ist mir wichtig."


Fotos: Williams, Young-Driver-Test in Silverstone, Freitag


"Ich hätte diesen Test niemals bestritten, wenn ich es nicht für machbar gehalten hätte. Ich glaube an mich. Nach einem solch schlechten Ende der DTM-Karriere ist es nicht leicht. Viele denken, dass ich immer nur hinten herumfahren werde und einfach nicht schnell genug bin", berichtet die Schottin. "Ich habe heute gezeigt, dass diese Einschätzung falsch ist. Jeder weiß, dass es in der DTM nicht leicht ist, überhaupt in ein Siegerauto zu kommen. Ich war nie in dieser Position."

In der Formel 1 könnte sie durch den Test ihre Position jedoch verbessert haben. Sogar Freitagseinsätze wären denkbar. "Ich sehe es realistisch und denke nicht, dass vor dem Ende der Saison noch große Chancen kommen. Aber natürlich möchte ich weiterkommen. Ich will sehen, ob ich den nächsten Schritt machen kann. Das Team traut mir viel zu. Viele haben gedacht, dass es doch verrückt sei, dass sie einen Testtag mit mir verschwenden. Aber sie haben mir diese Chance gegeben. Ich konnte zeigen, dass ich diese Chance verdient hatte."

Ehemann schaut beim Test zu

Um an einem Formel-1-Rennwochenende fahren zu dürfen, müsste Wolff eine Superlizenz nachweisen. Diese hat sie derzeit noch nicht. "Ich habe jetzt rund 600 Formel-1-Kilometer abgespult. Meine DTM-Ergebnisse reichten nicht aus, um die Superlizenz sofort zu erhalten. Die FIA hat mir die Lizenz zunächst nur für diesen Testtag gegeben und gesagt, ich solle nach dem Test wieder vorbeikommen, um über die Superlizenz zu sprechen. Mal schauen, was nun passiert."

Toto Wolff

Interessierter Beobachter in Silverstone: Ehemann Toto Wolff Zoom

Unterdessen beginnen die Gedankenspiele im Hinblick auf 2014. Wolff kann sich ein GT-Programm vorstellen, möchte aber lieber in der Formel 1 bleiben. "Ich schaue mir im Winter mal an, welche Optionen es für mich gibt. In der Formel 1 ändern sich Situationen immer sehr schnell. Mal schauen, was sich ergibt. Fest steht, dass ich es liebe, im Formel-1-Auto zu fahren. Nichts kommt dem in irgendeiner Form nahe - vor allem nicht auf einer Strecke wie Silverstone. Ich würde nur ungern auf solche Erlebnisse verzichten."

Auf dem Weg zu weiteren Schritten in der Formel 1 könnte ihr Mann Toto Wolff hilfreich sein. Der Österreicher ist nicht nur Mercedes-Motorsportchef, sondern auch Teilhaber von Williams. "Toto war heute vor Ort. Er war vor diesem Tag wahrscheinlich aufgeregter als ich", lacht Susie Wolff. "Nicht viele Männer unterstützen ihre Frauen auf dem Weg in die Formel 1. Aber es war nicht er, sondern das Team, das mich hat testen lassen. Toto war heute als mein Ehemann vor Ort und nicht als Teilhaber von Williams."