powered by Motorsport.com
  • 17.11.2017 11:34

  • von Adam Cooper

Wie Liberty plant, die "Farce" der Grid-Strafen zu beenden

Für Ross Brawn sind die Grid-Strafen in der Formel 1 ein Ärgernis: Er erklärt, wie man das Problem in Zukunft lösen kann - Das ist allerdings nicht so einfach ...

(Motorsport-Total.com) - Ross Brawn ist für einen ruhigen und vernünftigen Ansatz bei Problemen bekannt. Wenn er also das Wort "Farce" im Zusammenhang mit den Grid-Strafen nennt, dann sollte man aufpassen. Wenn es einen Aspekt der aktuellen Formel 1 gibt, der Brawn wohl mehr als alles andere ärgert, dann ist es die Tatsache, dass die Grid-Strafen die Serie ins Lächerliche ziehen. Er weiß, dass das Racing verbessert werden kann und dass die Motorenregeln eine Veränderung brauchen, doch die Grid-Strafen regen seine Gedanken besonders an.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Sportchef Ross Brawn ist die lächerlichen Grid-Strafen leid Zoom

Vor 2021 kann erst einmal nicht viel getan werden: Erst dann kommen die neuen Power-Units zum Tragen. Doch schon in diesem Moment wird an einem Plan gearbeitet, der das Problem lösen soll. Wir schauen auf die Ambitionen, warum eine Antwort nicht einfach ist und wie realistisch es sein wird, die Lösung einzuführen.

Schon beim Beobachten der Strafen staute sich bei Brawn der Frust darüber an, doch erst beim Durchgehen der Zahlen realisierte er, wie sehr die Situation außer Kontrolle geraten ist. Wenn man die Strafen der Formel-1-Saison 2017 zusammenrechnet, zeigt sich der ganze Wahnsinn erst und führt vor Augen, wieso viele Fans so frustriert sind. Bei noch einem ausstehenden Rennen wurden bislang 730 Strafplätze allein für den Wechsel von Motorenteilen ausgesprochen - das Getriebe also nicht mit eingerechnet.

Diese werden zwischen den vier Herstellern so aufgeteilt:
Honda: 380
Renault: 310
Ferrari: 20
Mercedes: 20

Um diese Zahlen mal in ein Verhältnis zu setzen: In der gesamten Formel-1-Saison 2016 gab es über 21 Rennen gerade einmal 420 Startplätze insgesamt.

Und obwohl sich viele darüber ärgern, erscheint eine Lösung nicht so einfach zu sein. Es scheint zwar offensichtliche Lösungen zu geben, wie dem Abzug von Punkten in der Konstrukteursmeisterschaft statt den Fahrer zu bestrafen, doch die potenziellen Lösungen bringen ungewollte Konsequenzen mit sich.


Fotostrecke: Die zehn denkwürdigsten F1-Regeländerungen

Wenn man Punkte in der Konstrukteurs-WM abzieht, dann ist das Team möglicherweise nicht abgeschreckt genug und könnte den Verlust schlucken, wenn man dadurch sicherstellt, dass man den Fahrertitel gewinnt. Sollte einfach einem Fahrer unbestraft ein besserer Motor gegeben werden, dann wäre das eine ziemliche Farce.

Die Lösung

Während die komplette Abschaffung der Grid-Strafen ein utopischer Traum ist, weiß Brawn, dass er es nicht beim derzeitigen Stand belassen darf. Er hat bemerkt, dass es einen Unterschied zwischen den Strafen für den eigentlichen Verbrennungsmotor (die ungefähr ein Drittel ausmachen) und Strafen für zusätzliche Elemente wie Turbo oder Energierückgewinnungssysteme gibt.

Es entstand der Gedanke, dass die beste Lösung wäre, das Problem an der Wurzel anzupacken und die komplizierten Elemente loszuwerden. Dadurch hätte man simplere und günstigere Turbos und Energierückgewinnungssysteme, sodass es keine Notwendigkeit mehr für ein Limit gäbe. Und ohne Limit gibt es keine Strafen.

Brendon Hartley

Die komplizierte Technologie sorgt in der Formel 1 immer wieder für Ärger Zoom

"Was wir mit den neuen Motoren erreichen sollten, sind Komponenten, die man kostengünstig wechseln kann, wann immer man will", sagt Brawn während eines Medienbriefings in Brasilien. "Wenn wir zu einem anderen Turbolader-Design - einem homologierten Turbo - gehen und er 2.000 bis 3.000 Dollar kostet: Warum sollte man sich dann um eine Limitierung Sorgen machen? Das ist es nicht wert."

"Doch weil der Turbolader so teuer und kompliziert wie jetzt ist, deswegen gibt es die Beschränkungen", so der Brite weiter. "Der Motor ist in vielerlei Hinsicht kein guter Rennmotor. Er mag eine unglaubliche Demonstration von Ingenieursfähigkeiten sein, aber er ist kein großartiger Rennmotor."

Hersteller überzeugen

Die Idee von einfacheren Motoren kommt in der Formel 1 nicht bei jedem gut an. Denn ein aufsehenerregender Faktor beim Grand-Prix-Racing ist seit jeher die Entwicklung neuer Technologien. Doch für Brawn darf das Streben nach besserer Technologie nie zu Lasten der Show oder der Fans gehen: Der Hersteller-Exodus in der WEC zeigt die Folgen, wenn Hightech zu weit geht.

"Es war interessant, weil Porsche bei den Meetings dabei war. Sie konnten ihre Meinung wiedergeben, weil sie beide Seiten gesehen haben", sagt Brawn. "Und sie konnten zum Verständnis der Vorgänge beitragen. Es wurde einfach zu technisch. Sportwagen-Rennen hat seine Anhänger, doch selbst in einem Umfeld, in dem Fans nicht das Wichtigste waren, geriet man ins Wanken und fiel."


Formel 1 2017: Mercedes zeigt Verbrennungsprozess

In seiner Technikserie "Formel 1 2017 erklärt" widmet sich Mercedes in der neuesten Folge dem Verbrennungsprozess. Weitere Formel-1-Videos

"In diesem Umfeld, wo die Fans das Wichtigste sein sollten, können wir es uns nicht leisten, diese Art von Scheitern zu haben, wo alles so extrem wird, dass wir den Kontakt zu den Fans verlieren, weil sich nur sehr wenige Leute die Technologie leisten und sich in ihr hervortun können", so der Brite. "Wir sind in der vierten Saison mit der Technologie und haben immer noch so viele Grid-Strafen, weil wir die Technologie nicht in den Griff bekommen. Hut ab vor Mercedes! Sie haben fantastische Arbeit geleistet, aber niemand kann aufholen. Das ist die Realität."