• 16.11.2006 15:55

  • von Marco Helgert

Wie aus Feinden Brüder wurden

Die Kehrtwende kam nicht überraschend, doch der intensive Schulterschluss zwischen FIA und Automobilherstellern wird die Formel 1 stark verändern

(Motorsport-Total.com) - Größer hätte der Ruck nicht sein können: Verbittert kämpften FIA und die Herstellervereinigung GPMA gegeneinander, böse Kommentare flogen von der einen in die andere Richtung. Mit einem überraschenden Treffen in München ist nun alles vorbei und vergessen. Einen gemeinsamen Weg wolle man bestreiten, sich nicht im Regelgestrüpp verirren und Ziele setzen, die von beiden Parteien als sinnvoll und wichtig angesehen werden.

Titel-Bild zur News: FIA- und Formel-1-Flagge

Die FIA möchte die Formel 1 mit den Herstellern zukunftssicher machen

Angesichts der Diskussionen in den vergangenen fünf Jahren war es ein großer Schritt, der für die Formel 1 zum einen nicht wichtiger sein kann, zum anderen aber auch Umstellungen mit sich bringt, die die gesamte Welt der Formel 1 verändern wird. Puristen werden aufschreien: Die Zeiten, in denen einfache Vorgaben den Grundrahmen der Formel 1 bestimmen, sind vorbei. Auf die Straßenautos und deren Entwicklung wird man sich nun ausrichten, Kosteneffizienz und Umweltschutz stehen - auch als Schaufenster für die Hersteller - im Mittelpunkt.#w1#

"Wir haben bei allen Problemen eine volle Übereinstimmung erreicht", so FIA-Präsident Max Mosley. Nach diesen Worten gierten Formel-1-Fans seit Jahren. Doch der Weg dahin war beschwerlich. "Wir haben das gemeinsame Verständnis, dass FIA und GPMA denselben Weg bestreiten", fügte GPMA-Präsident Dr. Burkhard Göschel hinzu. Nun müsse man erarbeiten, wie man die gemeinsamen Ideen "in die Formel 1 bringen kann".

Allmähliche Annäherung

Der Durchbruch zeichnete sich im August ab, doch schon zuvor änderte sich etwas bei den Diskussionen. "In den Diskussionen davor ging es nur um die Regeln, es gab kein Bestreben, die Ziele zu benennen", so Mosley. "Als wir dann die Ziele Kostenreduzierung, Beziehung zu den Straßenautos und Bedeutung für die Gesellschaft deklariert haben, wurden die Diskussionen einfacher."

"In der Unternehmensführung möchte man den maximalen Erfolg im Motorsport mit den minimalen Kosten." Max Mosley

Beim Treffen in Nizza zeichnete sich ab, dass eine gewisse Bewegung zum Guten Einzug hielt. "Nach diesem Meeting waren Jürgen Reul (von BMW; Anm. d. Red.) und ich der Ansicht, dass wir einen großen Sprung gemacht haben", so Göschel. "Wir waren so aufgeregt, dass wir zum Strand gingen - in Anzug und Krawatte. Es war sehr warm, alle trugen Badesachen. Dort am Strand tranken wir dann gemeinsam ein Glas Wein."

Dies erklärt jedoch noch nicht, warum sich beide Seiten nach fünf Jahren nun verbrüdert an einen Tisch setzen. "Es dauerte fünf Jahre, weil zuvor saßen Professor Göschel und ich nie ordentlich beisammen", erklärte Mosley. "Das wirkliche Problem war, dass wir immer mit den Chefs der Motorsportabteilungen gesprochen haben, nie mit der Unternehmensführung. Der Chef der Motorsportabteilung möchte das maximale Budget und die maximale Angestelltenzahl. In der Unternehmensführung möchte man den maximalen Erfolg im Motorsport mit den minimalen Kosten."

Und genau hier haben sich Berührungspunkte ergeben, die man nur noch ausarbeiten musste. "Wir haben uns also verpflichtet, zusammen daran zu arbeiten", ergänzte Göschel. Daran war vor einiger Zeit nicht im Traum zu denken. Mosley wollte die Hersteller an der Zukunftsgestaltung der Formel 1 nicht beteiligt sehen, da er ihr Engagement als nicht konstant genug ansah. Sie würden kommen und gehen.

Die Formel 1 muss sich verändern

"Wenn einem Hersteller die Formel 1 passt, dann kommt er, wenn nicht, dann geht er. Das stimmt auch so", so Mosley. "Aber das Ziel dieses Abkommens ist es, sie gar nicht erst in die Position zu bringen, dass ihnen ein Ausstieg gelegen kommt." Die große Rolle, die den Herstellern nun zufällt, möchte man gewissenhaft nutzen. "Die Hersteller sind ein wichtiger Teil der Formel 1 und wir wollen in Zukunft für Stabilität sorgen", erklärte Göschel.

"Ganz plötzlich kann auf einmal die Formel 1 auch einen Beitrag leisten." Max Mosley

Dabei ginge es nicht nur um eine besonders rosige Zukunft für die Formel 1, sondern um das pure Überleben. "Die Meinung in der Welt hat sich verändert, das sieht man vor allem bei der globalen Erwärmung", so Mosley. "Mit den Änderungen, die wir eingeführt haben, schließen wir uns dieser Strömung an. Wenn wir das nicht geschafft hätten, dann wäre die Formel 1 womöglich zurückgeblieben wäre schlussendlich untergegangen." Nun aber könne der oft als Umweltsünder herhaltende Motorsport eine Gallionsfigur werden: "Ganz plötzlich kann auf einmal die Formel 1 auch einen Beitrag leisten."

Die Kostenschere soll künftig dafür sorgen, dass ein Team mit 200 Angestellten und einem Budget von 100 Millionen Euro im Jahr auskommen kann. "Das ist das Ziel", erklärte Mosley. "Dabei haben wir aber noch nicht festgelegt, wie wir das Ziel erreichen, aber immerhin steht es schon einmal." Göschel setzte die Zahlen ein wenig höher an, bestätigte aber: "Für jeden Hersteller ist die Kostensenkung in der Formel 1 ein Thema."

Man wolle den "modernen Weg der Formel 1" finden, der auch den Entwicklungen auf dem Automobilsektor Rechnung trägt. "Im Moment wird in der Automobilindustrie das meiste Geld für die Senkung des Kohlendioxidaustoßes ausgegeben. Das mit der Formel 1 zu verbinden, ist etwas Neues. Aber wir haben das Gefühl, dass das genau der richtige Weg ist. Um einen kleinen Eindruck davon zu gewinnen: Wenn ein Auto von 320 km/h auf 80 km/h verzögert, dann entsteht eine Leistung von 2.500 Kilowatt - das sind knapp 3.000 PS, und das in Sekunden."

Mitbestimmung der Teams wird eingeschränkt

Sprach man zuvor mit den Teams über Ziele und Regeln, worüber sich die Hersteller wenig erfreut zeigten, könnte es nun zu Streitigkeiten mit den Teams kommen. Denn sie sollen nur noch für die Umsetzung der Ziele gefragt werden, die zuvor außerhalb ihres Einflussbereichs gesetzt wurden. "Zunächst würde man mit den Herstellern etwas entscheiden, zum Beispiel die Einführung eines neuen Motors für 2011. Die Technischen Experten der Hersteller würden das dann ausformulieren", so Mosley. "Danach hätte man für die Details der Regeln noch den Beitrag der Technischen Experten innerhalb der Teams."

Burkhard Göschel

Göschel: "Wir als Hersteller wollen gar nicht nur gegen andere Hersteller fahren" Zoom

"Das Problem bisher war, dass es kompliziert wurde, denn jedes Team hatte ein eigenes Interesse daran, ein bestimmtes Teil oder gewisse Entwicklung in der Formel 1 zu haben. Hinzu kommt noch, dass sie alle sehr konservativ sind", fuhr er fort. "Nun wird die Haupttechnologie von den Mitgliedern der Unternehmensführungen festgesetzt. Eingeführt und verschnürt wird es mit den Teams."

Von nun an sollen regelmäßige Treffen die Richtung der Formel 1 immer wieder neu ausrichten, um Streitsituationen von vornherein zu vermeiden. Doch: "Wir sind komplett von den Herstellern abhängig, denn sie wissen, was in den nächsten vier, fünf oder zehn Jahren passieren wird", so Mosley. Hauptziel für alle bleibe aber zunächst, unsinnige Entwicklungen zu stoppen, zum Beispiel bei der Aerodynamik. "Das ist eine völlige Verschwendung. Derzeit hat jedes Team mindestens einen Windkanal, einige sogar zwei, und darin wird 24 Stunden am Tag gearbeitet. Für die Straßenautos besitzt es aber keine Relevanz."

Dies solle auch die kleinen Teams stärken, die keinen Hersteller im Rücken haben. Was für die Hersteller günstig ist, kommt auch den Privatteams zugute - so das allgemeine Credo. "Wir als Hersteller wollen gar nicht nur gegen andere Hersteller fahren", erklärte Göschel. "Wir wollen, dass kleinere Teams dabei sind. Das ist also auch unser Ziel." Für die Privatteams soll es in Zukunft noch einfacher werden.

"Das absolut Wichtigste ist es nun, dass wir das Concorde-Agreement abschließen." Burkhard Göschel

"Wenn ein Hersteller das erfolgreichste System entwickelt hat, es zum Verkauf anbietet, dann ist er auch zufrieden, denn das zeigt, dass ihre Technologie die beste ist", so Mosley. "Bisher war es so, dass hunderte Millionen Euro investiert wurden, um mehr Leistung aus den Motoren zu holen. Die Hersteller konnten es sich dann gar nicht mehr leisten, diese Motoren günstig an andere Teams abzugeben."

Neues Concorde-Agreement soll in kurzer Zeit entstehen

Ein letzter Punkt muss aber noch finalisiert werden, ehe die neue "Ehe" in das Leben starten kann: ein neues Concorde-Agreement. "Das absolut Wichtigste ist es nun, dass wir das Concorde-Agreement abschließen", erklärte Göschel. "Das sollte möglich sein und es sollte meiner Meinung nach in kurzer Zeit aufgesetzt werden."

"Die FIA hätte auch ohne das Concorde-Agreement leben können, so war es ja auch in den ersten 30 Jahren der Formel 1", fügte Mosley hinzu. "Aber es wäre viel besser, eines zu haben. Nun ist die Basis dafür gelegt. Es geht jetzt nur noch darum, dass wir uns zusammensetzen und das niederschreiben, was ohnehin schon entschieden wurde."