Whitmarsh: Young-Driver-Tests nur ein Alibi

Martin Whitmarsh spricht aus, was alle denken: Die Young-Driver-Tests sind lediglich eine Tarnung, damit die Teams während der Saison weiterentwickeln können

(Motorsport-Total.com) - Testfahrten sind in der Formel 1 heutzutage aus Kostengründen streng reglementiert: Vor Saisonbeginn standen dieses Jahr ab Anfang Februar zwölf Tage auf dem Programm, im Mai folgten weitere drei in Mugello - das war's. Ansonsten sind neben Geradeausfahrten auf irgendwelchen Flugplätzen nur jeweils drei Young-Driver-Testtage pro Team erlaubt, an denen jedoch nur Fahrer teilnehmen dürfen, die in ihrer Karriere höchstens zwei Grands Prix bestritten haben.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

Für Martin Whitmarsh sind die Young-Driver-Tests nur eine Alibiaktion Zoom

Diese Definition von "Young-Driver-Test" ist per se schon einmal fragwürdig, weil so auch erfahrene Haudegen wie McLaren-Testpilot Gary Paffett mit ihren 31 Jahren zum Einsatz kommen dürfen. Aber die Idee, dass es sich dabei um Tests handelt, bei denen junge Nachwuchstalente auf höhere Aufgaben in der Königsklasse vorbereitet werden, ist ohnehin ein Märchen. Martin Whitmarsh zum Beispiel gibt offen zu, dass die jungen Fahrer beim Young-Driver-Test eher ein lästiges Anhängsel sind.

"Wir haben einen Young-Driver-Test, der am Saisonende stattfinden sollte. Ein paar Teams haben ihn in die Saison reingelegt", erklärt der McLaren-Teamchef und gesteht: "Wenn wir ehrlich sind, entwickeln wir dabei unsere Autos weiter und konzentrieren uns auf die technische Arbeit. Ich habe bisher noch bei keinem sogenannten Young-Driver-Test gesehen, dass ein junger Fahrer gezielt vorbereitet wurde, mit der Absicht, dass er nächstes Jahr Rennen fahren soll. Wir geben das nicht gern zu, aber das ist die Wahrheit."

Lieber Technik- statt Fahrertests

Zu verlockend ist die Gelegenheit, den jungen Fahrern nur technische Entwicklungsaufträge mit auf den Weg zu geben, um die Weiterentwicklung während der Saison voranzutreiben: "Unsere Ingenieure sehen so einen Test als fantastische Möglichkeit, jede Menge auszuprobieren, denn sonst gibt es ja keine Tests mehr. Selbst wenn du einen jüngeren Fahrer reinsetzt, arbeiten wir in Wahrheit nicht an seiner Entwicklung, sondern an der der Technik", sagt Whitmarsh.

So kamen dieses Jahr auch die Terminverwirrungen über die Young-Driver-Tests zustande. Denn während in den vergangenen Jahren Konsens darüber herrschte, einen gemeinsamen Test in Abu Dhabi abzuhalten, nutzen dieses Jahr nur noch maximal sieben Teams den gemeinsamen November-Termin. Williams und Marussia haben schon im Juli zwei Tage lang in Silverstone getestet, Ferrari, Mercedes und Force India waren im September in Magny-Cours. Mercedes brachte dort unter anderem den neuen Coanda-Auspuff zur Rennreife.

Vorteil McLaren für die letzten zwei Rennen?

Während Ferrari und Mercedes mitten in der Saison testen konnten, könnte für Red Bull und McLaren der Abu-Dhabi-Test einen kleinen Vorteil für die letzten zwei Rennen in Austin und Sao Paulo bedeuten. In Magny-Cours nicht dabei gewesen zu sein, sei jedenfalls "nicht frustrierend", betont McLaren-Sportdirektor Sam Michael, "sondern das war eine bewusste Entscheidung. Es hat Vor- und Nachteile, später oder früher zu fahren."

Zum Beispiel: "Wir glauben, dass es kosteneffizienter ist, später zu testen, weil es leichter ist, Motoren auszusuchen, die am Ende ihrer Lebensdauer sind", erklärt er. Denn die Teams müssen die Motoren für die Young-Driver-Tests zwar nicht aus jenem Kontingent nehmen, das für die 20 Rennen vorgesehen ist, aber wenn man statt eines komplett neuen Testmotors ein Triebwerk verwenden kann, das für den Rennbetrieb ohnehin schon zu sehr am Limit wäre, so spart dies klarerweise Geld.

Gary Paffett

"Young Driver" Gary Paffett ist 31 Jahre alt und etablierter Starfahrer in der DTM Zoom

Und weiter: "Die Streckenmiete ist für Formel-1-Verhältnisse auch minimal, wenn fast alle Teams da sind", fährt der Australier fort, "und man kann schon in Bezug auf die technischen Änderungen für nächstes Jahr arbeiten. Mercedes hatte in Magny-Cours ein großes Update zu testen. Das macht Sinn. Andere Teams wiederum wollen junge Fahrer testen, die Meisterschaften gewonnen haben, wo die Meisterschaften aber noch im Gange sind."

Whitmarsh: GP2 muss billiger werden

Zur Nachwuchsfahrer-Problematik stellt Whitmarsh indes einen anderen Vorschlag in den Raum: "Die GP2 sollte billiger sein. Es sollte auch eine Grenze dafür geben, wie viele Jahre man dort fahren darf. Jedes Team sollte verpflichtet sein, einen Rookie zu haben, und nach zwei oder drei Jahren sollte man nicht mehr in der GP2 bleiben dürfen. Dann würden sich die Fahrer aussortieren, denn einige sind schon zu lange dabei. Dann wäre die GP2 wieder eine echte Nachwuchsserie der Formel 1."

Der McLaren-Teamchef spricht damit GP2-Veteranen wie Luca Filippi an, die schon 2006 erstmals in der Serie aufgetaucht sind. Für die Formel 1 findet er eine solche Zeitbeschränkung jedoch nicht sinnvoll, "denn die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports. Die Leute bleiben so lange in der Formel 1, wie sie gut oder motiviert genug sind. Die Formel 1 muss ihre Nachwuchsserie aber besser entwickeln, als das in der Vergangenheit der Fall war", fordert Whitmarsh.


Fotos: McLaren, Großer Preis von Japan, Pre-Events