• 18.06.2005 11:46

Villeneuve: "Das Risiko muss mit Leistung zu tun haben"

Der Sauber-Pilot im Interview über den Stand der Dinge in Indy, sein übergroßer Rennoverall, sein Helm-Design und Mut zum Risiko

(Motorsport-Total.com) - Im Interview mit unseren Kollegen des 'emagazine' der 'Credit Suisse' spricht Sauber-Pilot Jacques Villeneuve unter anderem über den Stand der Dinge in Indy, sein übergroßer Rennoverall, sein Helm-Design und Mut zum Risiko.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve (vorn) und Felipe Massa

Jacques Villeneuve würde gern vor seinem Teamkollegen fahren...

Frage: "Wie verliefen die heutigen Trainings? Fühlt sich der Wagen auf der Strecke gut an?"
Jacques Villeneuve: "Ja. Es ist keine sehr komplexe Strecke, und ich fuhr hier ja bereits viermal. Wir fahren mit dem gleichen Setup wie in Montréal, und das Auto scheint damit gut auf der Strecke zu liegen."#w1#

Frage: "Wie aussagekräftig sind überhaupt die Rundenzeiten vom Freitag?"
Villeneuve: "Man muss sie mit Vorsicht genießen. Bis jetzt sieht es so aus, als ob wir nicht so gut platziert sind wie in Montreal, wenigstens wenn man auf die Platzierungen schaut. Die Zeitabstände zur Spitze sind jedoch kleiner. Felipe und ich fuhren verschiedene Programme: Er fuhr mit einem Reifentypen, ich mit einem andern. Wir fuhren beide Long Runs, um schließlich die definitive Reifenwahl zu treffen."

Frage: "Gibts im Klassement irgendwelche Überraschungen?"
Villeneuve: "Es sieht eher nach "Business as usual? aus. McLaren ist an der Spitze. Etwas überrascht hat es mich allerdings schon, dass die Renaults nicht schneller waren."

Frage: "Dafür hat Red Bull einmal mehr positiv überrascht."
Villeneuve: "Ja, bei ihnen weiß man nie so genau, wo sie liegen. Bei einem Rennen sind sie stark, beim nächsten fallen sie wieder ab. Das Team ist eine echte Wundertüte."

Frage: "Dein Overall gibt immer wieder zu Diskussionen Anlass. Warum trägst Du einen Anzug, der zwei Nummern zu groß scheint."
Villeneuve: "Er ist nicht zwei Nummern zu groß, sondern einfach bequem. Es ist schließlich nicht so wichtig, wie etwas aussieht, wenn man damit herumläuft, sondern, wie es sich im Auto anfühlt. Ich mag es, wenn ich genügend Platz in meinem Anzug habe. So habe ich genug Luft um meinen Körper, was nicht zuletzt bei einem Crash oder einem Brand ein Vorteil wäre."

Frage: "Also hat es nichts mit ästhetischen Vorlieben zu tun."
Villeneuve: "Nein. Wenn es nur aufs Aussehen ankäme, dann würde ich einen engeren Anzug tragen."

Frage: "Wenn wir schon bei Deinem Outfit sind: Wie kamst Du auf die Farben?"
Villeneuve: "Ich war 18, als ich ein paar Farben vor mir liegen hatte und daraus eine Zeichnung anfertigte. Das war's. Es gibt keinen tieferen Grund dahinter. Es war mir aber wichtig, den Helm selber zu designen und nicht ein fertiges Produkt zu übernehmen."

Frage: "Seither hast Du das Design nie mehr verändert?"
Villeneuve: "Nein. Der Helm ist so etwas wie die Seele eines Rennfahrers. Im Rennen erkennt man den Fahrer ja nur an seinem Helm. Manchmal haben mir die Leute gesagt, ich solle das Design ändern, es wäre besser für mein Image und ich könnte mit dem Merchandising des Helms zusätzliches Geld verdienen. Ich bin da ganz anderer Meinung. Du hast nur einen Helm und Du solltest ihn Dein Leben lang behalten."

Frage: "Wer ist im Team Deine wichtigste Bezugsperson?"
Villeneuve: "Mein Renningenieur, Giampoalo Dall'Ara. Mit ihm arbeite ich am engsten zusammen, mit ihm spreche ich über Funk, wenn ich draußen auf der Strecke bin."

Frage: "Wir haben gehört, wie Du Dich mit ihm auf Italienisch unterhalten hast. Ist das die Sprache, in der Ihr immer kommuniziert?"
Villeneuve: "Nein, nur wenn wir unter uns sind. Wenn andere Leute vom Team da sind, schalten wir auf Englisch um, so dass es alle verstehen können. Das gilt natürlich auch und vor allem für den Funkverkehr: Der ist immer auf Englisch."

Frage: "Wie gut kommst Du mit Felipe Massa klar? Theoretisch hättet Ihr ja viele Erfahrungen auszutauschen: Er ist schon länger im Team, Du bist dafür schon länger in der Formel 1..."
Villeneuve: "Wir kommen wirklich super miteinander aus. Wenn wir arbeiten, tauschen wir uns regelmässig aus. Jeder hat zwar seinen eigenen Renningenieur, doch man stellt sich oft gegenseitig Fragen. Nur privat, da sprechen wir nicht übers Rennfahren."

Frage: "Worüber sprecht Ihr dann?"
Villeneuve: "Über Gott und die Welt, und übers Essen. Für stundenlange Diskussionen fehlt uns jedoch die Zeit. Und beim Sport stoßen wir an Grenzen: Er liebt Fußball, ich liebe Eishockey, das gibt's nicht viel zu plaudern."

Frage: "Fühlt Ihr Euch auch als Konkurrenten? Getreu dem Motto: Dein Teamkollege ist Dein erster Gegner?"
Villeneuve: "Natürlich herrscht immer ein Konkurrenzkampf innerhalb eines Teams, doch wir stehen an ganz andern Stationen in unserer Karriere. Ich habe die Weltmeisterschaft gewonnen, ich habe Rennen gewonnen, also stehe ich da etwas über der Sache. Der Wettkampf zwischen uns ist bestimmt viel kleiner, als manche erwartet haben. Das würde sich natürlich ändern, wenn wir beide um den Sieg kämpfen könnten."

Frage: "Also ärgert es Dich auch nicht besonders, wenn Du mal im Qualifying klar hinter Felipe liegst?"
Villeneuve: "Natürlich will ich vor ihm liegen. So ist es nun mal im Rennsport. Doch im Moment setzen wir unsere Energien dafür ein, das Auto schneller zu machen. Wenn wir dort stehen bleiben, wo wir uns im Moment befinden, ist es nicht so wichtig, wer von uns vorne liegt."

Frage: "Ralf Schumacher hatte heute im zweiten Training einen ziemlich heftigen Crash. Wie gefährlich ist Indianapolis?"
Villeneuve: "Nun, die Kurvengeschwindigkeit ist geringer als zu der Zeit, wo ich in Indy fuhr. Doch ein Crash dort birgt immer noch große Risiken."

Frage: "Du hast einmal in einem Artikel gesagt, im Auto seiest Du von Natur aus waghalsig. Unterscheidest Du Dich in diesem Punkt von andern Rennfahrern?"
Villeneuve: "Nein. Ein Rennfahrer nimmt immer Risiken in Kauf, sonst würde er etwas anderes machen. Natürlich gibt das niemand gerne zu, wobei ich nicht genau weiß, weshalb. Doch für mich ist es immer wichtig, zu fühlen, dass ich etwas Spezielles mache. Und das Risiko ist ein Teil davon."

Frage: "Könntest Du Dir ein Leben ohne Risiko gar nicht vorstellen?"
Villeneuve: "Es kommt ganz aufs Risiko an. Ich liebe es, die Grenzen auszuloten, doch ich bin nicht blöd. Ich würde also nicht einfach auf der falschen Straßenseite fahren, nur um den Nervenkitzel zu spüren. Das Risiko muss mit Leistung zu tun haben, mit Wettkampf."

Frage: "Also kein Adrenalin-Junkie?"
Villeneuve: "Doch, aber ich bin nicht für jeden Adrenalinkick zu haben. Zum Beispiel würde mir das Bungee-Jumping keinen Kick versetzen, weil ich nichts kontrollieren kann. Du springst einfach runter und kriegst eine Höllenangst, dann ist's vorbei. Ich sehe nicht ein, warum das Spaß machen sollte. Bei mir kommt der Spaß erst, wenn ich die Sache unter Kontrolle habe, wenn ich sie steuern kann - zumindest bis zu einem gewissen Grad."