• 07.05.2008 22:25

Video-Feature: Suche nach entscheidenden Zeitspänen

Die Toyota-Techniker entwerfen im Kölner Werk rund um die Uhr neue Teile, um die möglicherweise entscheidenden Hundertstelsekunden zu finden

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist Hightech pur - die Autos filigran gestaltet, um den Fahrtwind zu nutzen, ohne ihm gleichzeitig zu sehr im Weg zu stehen. Beim Blick auf ein modernes Formel-1-Auto fragt man sich oftmals, wo in diesem Gestrüpp von Leitblechen, Abrisskanten und Geflügel die entscheidenden Vorteile liegen und wo diese Entwicklung irgendwann aufhören wird. Sie wird niemals aufhören, denn hunderte Spezialisten beschäftigen sich tag-täglich mit neuen Details.

Titel-Bild zur News: Frontflügel

Nase, Mund und lange Augenbrauen: Es kommt nicht immer auf innere Werte an

Im Toyota Hightech-Labor in Köln werden rund um die Uhr neue Lösungen im Windkanal getestet, oder zum Beispiel aktuelle Telemetriedaten studiert, um weitere Zeitspäne auf der Jagd nach der Topzeit auf der Rennstrecke zu finden. Teams wie Toyota bringen pro Jahr mehrfach große Update-Pakete ans Auto, zwischendurch fließen aber ständig neueste Erkenntnisse immer wieder zusätzlich ein. Die ersten großen Updates kamen vor dem Saisonauftakt in Melbourne und vor dem ersten Europarennen in Barcelona ans Auto.#w1#

Feinheiten - nur auf dem Zeitenmonitor sichtbar

Die meisten dieser Verbesserungen schleichen sich sozusagen in die Formel 1, sie sind für das ungeschulte Auge meist gar nicht sichtbar. Hier wird der Anstellwinkel eines Flaps leicht verändert, dort nimmt beispielsweise die Wölbung eines Flügelelements leicht zu. Diese Feinheiten können auf der Jagd nach der schnellsten Runde manchmal den entscheidenden Unterschied ausmachen. Vor allem mechanische Neuteile verschwinden meist ganz unter irgendwelchen Leichtbauhauben.

"Das Feld ist so eng beisammen, dass eben diese Zehntel am Ende des Rennens einen großen Unterschied machen können." Dieter Gass

Das Toyota-Team betreibt seine Entwicklungen zentral am Standort Köln, vereint dort die hoch qualifizierte Arbeit von hunderten Fachleuten und sorgt mit immer neuen Anforderungen an die Zulieferer auf bei Dritten für ständige Bewegung. Die Zahl der Tests untermauert die andauernde Suche nach Verbesserungen: im Jahr 2007 legte das japanische Team rund 5.000 Runden bei offiziellen Testfahrten zurück, 52 Tage verbrachte man auf den Teststrecken, fünf verschiedene Piloten waren dabei im Einsatz.

Hinzu kommen noch reine Aerodynamiktests, die auf den Start-Landebahnen der Flughäfen auf Menorca oder im belgischen Lommel gefahren wurden. Solche Probefahrten die lange Gerade auf und ab belasten nicht das begrenzte Testkontigent des Teams und sind somit bei allen Formel-1-Rennställen beliebte Spielwiesen zum Austesten aerodynamischer Raffinessen.

Kleine Idee kann großen Sprung bringen

Beim Versuch, sich gegenüber der Konkurrenz um einige Hundertstelsekunden abzusetzen, wird immer wieder jedes einzelne Bauteil des TF108 bei Toyota hinterfragt. Chefingenieur Dieter Gass erklärte: "Wenn du eine Idee im Kopf hast, die dein Auto verbessern kann, so ist das zu jedem Zeitpunkt der Saison von unschätzbarem Wert. Auch wenn es nur um ein oder zwei Zehntelsekunden geht. Das Feld ist so eng beisammen, dass eben diese Zehntel am Ende des Rennens einen großen Unterschied machen können."

"Wir arbeiten zum Beispiel an der effizienten Nutzung des Treibstoffs." Luca Marmorini

Die Weiterentwicklung eines Autos findet nicht nur in den klassischen Bereichen Aerodynamik und Aufhängung statt. Trotz aller Einschränkung ist nach wie vor eine Verbesserung auch im Bereich der Motoren möglich. Toyota-Motorenchef Luca Marmorini: "Wir arbeiten wirklich hart und erreichen es tatsächlich, dass sich die Motorenleistung im Verlauf einer Saison stetig verbessert, auch bei der aktuellen Regellage."

"Wir schauen dabei zum Beispiel darauf, wie wir den Motor nutzen. Wir blicken auf Dinge, die vielleicht keine Auswirkungen auf die Rundenzeit haben, aber sich trotzdem auf die Gesamtperformance eines Autos im Rennen stark auswirken können. Wir arbeiten zum Beispiel an der effizienten Nutzung des Treibstoffs, was uns keinen Vorteil bei der Geschwindigkeit gibt, aber das Gesamtergebnis schon beeinflussen kann."

Die Suche nach dem heiligen Gral der Formel-1-Technik

Wenn es um die Zeitenjagd geht, werden sicherlich immer die auffälligsten Fortschritte im Bereich Aerodynamik erzielt. Das fragile Zusammenspiel von Topspeed, Grip und stabiler Fahrzeugbalance bietet viel Angriffsfläche für Verbesserungen und nach Aussage der Techniker auch unendliches Potenzial. Das perfekte Formel-1-Auto scheint es nicht zu geben. Beim Grand Prix von Spanien brachte Toyota gleichzeitig Veränderungen in allen Bereichen.

"Du brauchst neue Ideen, vielleicht revolutionäre Ideen." Richard Cregan

Die Kamera seitlich an der Fahrzeugnase wurde besser in das aerodynamische Gesamtkonzept eingearbeitet, indem es Teil vom Frontflügel wurde. Zusätzlich brachte Toyota eine neu geformte Motorabdeckung, neue Auspuffendstücke und neue Radkappen an den Hinterrädern. All dies wird schon beim kommenden Grand Prix in Istanbul wieder weiter optimiert sein.

Stillstand ist Rückschritt, beschrieb Toyota-Teammanager Richard Cregan: "Wenn du nicht für jedes einzelne Rennen der Saison irgendetwas Neues bringst, dann fällst du zurück. Allein schon im Vergleich mit den anderen Teams Schritt zu halten, ist eine große Aufgabe. Du musst immer wieder neue Innovationen für das Auto haben. Du brauchst neue Ideen, vielleicht revolutionäre Ideen. Wer das zu leisten imstande ist, wird vorne sein."

Der Mensch baut die Maschine. Die nötigen Geistesblitze müssen von den engagierten Fachleuten kommen und voll in die Entwicklungsabteilung einschlagen, erklärte Cregan weiter: "Was man in vielen Bereichen anstrebt, ist die revolutionäre Neuerung. Nicht die Evolution etwas Vorhandenem, sondern nur etwas ganz Neues bringt dich entscheidend nach vorne. So läuft die gesamte Formel-1-Saison und wird niemals aufhören."