• 13.10.2008 16:43

Video: Die Rolle der Elektronik in der Formel 1

Allen Fans ist klar, dass ein Formel-1-Bolide ohne Reifen, Chassis oder Motor praktisch nutzlos wäre - Aber wie steht es mit der Elektronik?

(Motorsport-Total.com) - Man kann die besten Reifen nehmen, den stärksten Motor, das beste Chassis - ohen das elektronische Herz eines Formel-1-Boliden geht heutzutage gar nichts mehr. "Wenn man die Elektronik aus dem Auto nähme, könnte es gar nicht starten", sagt Ludwig Zeller, leitender Manager für Elektrik und Elektronik bei Toyota. "Es könnte nicht fahren und nichts würde sich rühren. Man könnte das Auto zwar bestaunen, man könnte es auch schieben - aber sonst geht gar nichts."

Titel-Bild zur News: Lenkrad

Das Lenkrad ist das Kontrollzentrum der Einheitselektronik

Ein elektronisches Steuergerät (ECU) überwacht und steuert alle Aspekte der elektrischen Systeme im TF108. Dieses Gerät ist schon beim Starten des Motors unverzichtbar, von der Optimierung der Motorleistung Runde für Runde ganz zu schweigen. "Das Steuergerät im Auto ist wie das Nervenzentrum des menschlichen Körpers", erklärt Ludwig. "Es steuert im Prinzip sämtliche Funktionen." Die Elektronik in der Formel 1 lässt sich grob in zwei Kategorien unterteilen: Elektronik, die bestimmte Aspekte des Autos steuert, und Elektronik, die das Verhalten des Autos überwacht.#w1#

Elektronik hilft gegen den Durst

Der Toyota TF108 ist mit rund 250 Sensoren bestückt, die Rückmeldungen zu ungefähr 1.300 verschiedenen Parametern geben. Die Daten von diesen Sensoren können in der Garage analysiert werden und sie geben dem Fahrer Aufschluss darüber, ob Einstellungen zu ändern sind, das kann er auch bei Vollgas durchführen.

Wie ein normales Straßenauto erhält der TF108 seine Elektrizität von einem Generator und speichert sie in einer Batterie unter dem Fahrersitz. Diese Spezialteile sind allerdings wesentlich kleiner und leichter und die Batterie ist extrem widerstandsfähig gegen die Vibrationen, die etwa beim Fahren mit über 300 km/h auftreten.

Daten Telemetrie

Die Toyota-Dateningenieure überwachen das Auto während der Fahrt Zoom

Vom halbautomatischen Super-High-Tech-Getriebe mit Seamless Shift über die Einstellungen des 2,4-Liter-V8-Motors bis hin zur Trinkflasche des Fahrers werden viele Aspekte über die Lenkradelektronik gesteuert. "Das Lenkrad ist die wichtigste Schnittstelle zum Fahrer", meint Ludwig. "Über das Lenkrad kann er praktisch alles ändern. Wenn die Bedingungen sich ändern, also zum Beispiel das Wetter von trocken auf nass wechselt, kann er die Einstellungen für Bremsen, Motor, Differenzial und Getriebe anpassen. Er kann das Auto unter seiner Kontrolle."

Das Formel-1-Reglement enthält strenge Vorschriften dazu, was elektronisch erfolgen darf. So ist zum Beispiel nicht mehr erlaubt, Aspekte des Fahrzeugverhaltens von der Boxengerage aus per Funk zu steuern. Der Fahrer kann über Einstellräder und Schalter am Lenkrad aber weiterhin wichtige Einstellungen selbst vornehmen. Ein wichtiger Aspekt, den der Fahrer über das Lenkrad beeinflussen kann, ist die Kraftstoffökonomie seines Motors.

Auch wenn man den Eindruck hat, dass in der Formel 1 stets mit Vollgas gefahren wird, gibt es doch Phasen, in denen eine Drosselung des Benzinverbrauchs die Gesamt-Performance nicht nachteilig beeinflusst und stattdessen einen strategischen Vorteil erschließen kann. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn hinter einem langsamen Vordermann oder dem Safety-Car gefahren werden muss. Motorenchef Luca Marmorini: "Es gibt am Lenkrad zwei Schalter für die Motorsteuerung. Einer davon erlaubt es dem Fahrer, das Motorkennfeld zu wechseln. Er kann zwischen Optionen wählen, die jeweils einer anderen Beschickung des Motors entsprechen."

Das Lenkrad als zentrales Bedienelement

"An erster Stelle steht typischerweise ein Kennfeld für hohe Leistung, gefolgt von vier weiteren Optionen, die helfen, während der Runde Benzin zu sparen. Mitunter kann der sparsame Umgang mit dem Benzin es sehr wichtig sein, zum Beispiel um einen Boxenstopp hinausschieben zu können." Angesichts ihrer zentralen Rolle im Auto müssen die elektronischen Systeme natürlich wie auch alle anderen Teile gründlich getestet werden, damit optimales Leistungsvermögen gewährleistet ist. Hierfür wurde eine spezielle Testeinheit entwickelt, das sogenannte HIL-System ('Hardware in the Loop').


Diese Einheit enthält alle elektronischen Systeme des TF108 und ermöglicht es den Ingenieuren, zur Maximierung des Leistungsstands in bestimmten Situationen durch die Schaltungen zu gehen, ohne dazu den TF108 oder seinen Motor zu benötigen. Ludwig: "Die HIL-Simulation ersetzt im Wesentlichen das Auto. Wir können alles simulieren, wir können Streckendaten abspielen und wir können auch Probleme für unser Auto simulieren."

Jarno Trulli

Jarno Trulli muss sich die Funktionen der vielen Knöpfe am Lenkrad merken Zoom

Mit der Einführung der Einheitselektronik (Standard-ECU) zu Jahresbeginn 2008 wurden die Elektronik-Vorschriften der Formel 1 verschärft und alle Teams müssen nun ohne Modifikationen das gleiche Steuergerät verwenden. Damit wurde die Gestaltungsfreiheit der Elektronikexperten bei Panasonic Toyota Racing wesentlich eingeschränkt. Auch sogenannte Fahrerhilfen wie Traktionskontrolle, Motorbremse und Startkontrolle wurden eliminiert.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Elektronik-Spezialisten in Köln nun in dieser Saison eine ruhige Kugel schieben - ganz im Gegenteil. Das HIL-System hat sich als besonders wertvoll dabei erwiesen, die Einheitselektronik besser verstehen zu lernen und ihren Einsatz im Auto durchzurationalisieren. "In Bezug darauf, wie die ECU arbeitet, hört man nie auf zu lernen", so Marmorini, "denn man muss jedesmal die Reaktion des Fahrers und des Autos kontrollieren und alle Parameter abstimmen, um das beste Resultat zu erhalten. Ich würde also sagen, dass wir definitiv noch am Lernen sind. Das Team hat ausgezeichnete Arbeit geleistet und seit Anfang dieses Jahres sind wir gut vorbereitet gewesen, auch wenn der Lernprozess kontinuierlich ist."

Durch den Wegfall der Fahrerhilfen und die Einführung der Einheitselektronik steht die Formel-1-Elektronik nicht mehr im Rampenlicht, an ihrer grundlegenden Bedeutung für die Performance der Boliden in der Königsklasse haben die neuen Regeln aber nichts geändert. Denken Sie daran, wenn Sie die Autos am Start eines Rennens sehen - nicht nur die Atmosphäre ist "elektrisch"!

Den ensprechenden Toyota-Film zum Thema Elektronik finden Sie in unserer Video-Rubrik.