Vettel tritt aus Schumachers Schatten
Mit seinem ersten Saisonsieg meldete sich Sebastian Vettel im WM-Rennen zurück, gleichzeitig gab er sein Pech an Michael Schumacher weiter
(Motorsport-Total.com/SID) - Mit feuchten Augen stand Sebastian Vettel auf dem Siegerpodest und lauschte der deutschen Nationalhymne. Der Triumph in Malaysia war für den 22-Jährigen nach den Pannen in den ersten beiden Rennen der Formel-1-Saison 2010 wie eine Erlösung. "Aller guten Dinge sind halt drei", sagte Vettel mit einem Dauergrinsen und entschuldigte sich sogar für seine gute Laune: "Ich bin schon etwas beschwipst - das kommt vom Champagner!"

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Sebastian Vettel ließ sich nach seinem ersten Saisonsieg ordentlich feiern
Für eine forsche Kampfansage hatte der Red-Bull-Pilot den Kopf aber noch klar genug: "Ich bin hier, um Weltmeister zu werden, darum geht es. Es sind jetzt noch 16 Rennen zu fahren, da kann sehr viel passieren." In der WM-Wertung machte Vettel einen großen Sprung auf Platz drei, punktgleich mit Ferrari-Pilot Fernando Alonso (beide je 37) und nur zwei Zähler hinter dem neuen Spitzenreiter Felipe Massa, der im Ferrari Siebter wurde.#w1#
Schampus für Vettel, Frust-Bier für Schumacher
Während Vettel den Champagner genoss, dürfte Michael Schumacher höchstens ein Frust-Bier getrunken haben. Den Sieg des deutschen Hoffnungsträgers Vettel verfolgte der Rekordweltmeister vor dem Monitor. Wegen einer verlorenen Radmutter musste der 41-Jährige seinen Mercedes schon in der zehnten von 56 Runden neben der Strecke abstellen.
"Bis zu dem Ausfall war ich gut unterwegs, das war ein klarer Aufwärtstrend", sagte Schumacher. Nach einem sechsten Platz in Bahrain und Rang zehn in Australien war Malaysia vom Ergebnis her allerdings der vorläufige Tiefpunkt seiner Comeback-Tour.
Schumacher lässt sich dennoch nicht entmutigen und will beim nächsten Rennen am 18. April in Schanghai wieder angreifen. Am Silberpfeil wird es bis dahin allerdings keine großen technischen Verbesserungen geben - die kommen erst zum Europa-Auftakt am 9. Mai in Barcelona. "Die anderen werden sicherlich auch was bringen, aber wir hoffen natürlich, dass unser Schritt größer sein wird", sagte der siebenfache Weltmeister.
Angeblich soll es sogar ein Ultimatum geben. Falls man in den nächsten drei Rennen nicht aus eigener Kraft siegfähig sein sollte, will Teamchef Ross Brawn die Saison abhaken und sich ganz auf das neue Auto für 2011 konzentrieren. Das jedenfalls berichtet die 'Bild'-Zeitung. Davon will Schumacher, der erst neun WM-Punkte auf dem Konto hat, nichts wissen: "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bin nach wie vor sehr optimistisch und positiv gestimmt. Und insofern: Lasst uns mal abwarten."
Nach Schumachers Ausfall musste Nico Rosberg im Glutofen von Sepang die Kastanien für Mercedes aus dem Feuer holen. Der 24-Jährige fuhr ein fehlerfreies Rennen und bescherte den Silberpfeilen mit dem dritten Platz das erste Podium seit der werksseitigen Rückkehr nach 55 Jahren.
Dass der junge Teamkollege bislang immer schneller war, stört Schumacher offenbar nicht: "Das haben wir im Winter schon erlebt, und das war jetzt auch nicht anders zu erwarten. Er ist richtig gut unterwegs, aber das ist ja auch die Herausforderung, die mich wiederum reizt." Mit 35 Punkten ist Rosberg auf Position fünf sogar mitten im Titelrennen.
Haug mit beiden Fahrern zufrieden
"Nico darf sich ruhig wie ein Sieger fühlen. Das ist das, was momentan mit unserem Auto im besten Fall möglich ist", erklärte Norbert Haug zufrieden. Der Mercedes-Sportchef entschuldigte sich umgehend bei Schumacher für die Panne: "Das ist ein Jammer, etwas, das nie passieren sollte. Das müssen wir abstellen, denn es war nicht Michaels Fehler. Sorry an Michael, er hätte mehr verdient gehabt."

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Für Michael Schumacher läuft es derzeit noch gar nicht nach Wunsch Zoom
Das Vertrauen in seinen Star ist weiter ungebrochen. Haug: "Ich würde keine vorschnellen Urteile abgeben, denn ich weiß, was Michael kann. Er ist ein ganz toller Teamplayer." Die Unfallursache konnte übrigens nicht geklärt werden, da die Radmutter nicht gefunden wurde.
Große Emotionen gab es nach dem Doppelsieg durch Vettel und den Australier Mark Webber beim Red-Bull-Team. Vor allem Vettel war sichtlich bewegt: "Es ist natürlich schön, vom Podium runterzuschauen und dem ganzen Team in die Augen zu sehen. Das geht einem heiß den Rücken runter. Das ist das, warum wir jeden Sonntag neu angreifen, ins Lenkrad beißen und versuchen unser Bestes zu geben", sagte er und bedankte sich sofort bei jedem seiner Mechaniker: "Das sind die Momente, die man nicht bezahlen kann."
Nach den Pannen in den ersten beiden Rennen hat er in der Schlussphase ganz genau in sein Auto reingehört, doch Angst vor einem neuerlichen Defekt hatte er keine, sagte Vettel: "Nein, nicht wirklich. Manchmal hatte ich kurz den Gedanken: Es sieht gut aus, noch 20 Runden, dann sind wir im Ziel, aber man fährt einfach seine Runden." Weitaus mehr Sorgen bereitete ihm die enorme Hitze von mehr als 40 Grad im Cockpit: "Man muss daran denken, etwas zu trinken, gleichzeitig aber aufpassen, dass die Trinkflasche nicht schon zur Hälfte des Rennens leer ist", so der gebürtige Hesse.
Ohne die technischen Pannen würde Vettel die WM jetzt mit der Idealpunktzahl 75 anführen, doch Vorwürfe wollte er niemandem machen: "Wir sind ein Team, wir gehen zusammen durch gute und schlechte Zeiten. Es ist nicht wie beim Fußball, wo man vielleicht den Trainer austauscht, wenn man zweimal verloren hat", betonte er. "Und das hat sich nun ausgezahlt: Das zeigt, wie schnell sich das Blatt wenden kann." Dass er sein Pech jetzt an Schumacher weitergegeben hat, dürfte Vettel ziemlich egal sein...

