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  • 12.04.2012 14:18

Vettel: "Auto ist nervös und rutscht sehr viel"

Sebastian Vettel erklärt, wie Red Bull die Probleme der ersten zwei Rennen lösen will, wieso der Streit mit Karthikeyan geklärt ist und wie er über Bahrain denkt

(Motorsport-Total.com) - Red Bull und Sebastian Vettel hatten diese Saison einen turbulenten Auftakt: Der RB8 leidet an Balanceproblemen, was sich vor allem im Qualifying auswirkt, zudem war der Weltmeister in der Kritik, weil er den überrundeten HRT-Piloten Narain Karthikeyan nach der Kollision in Sepang als "Gurke" und als "Idiot" verunglimpfte.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel hofft in Schanghai nach dem mäßigen Auftakt auf Besserung

Zu allem Überdruss gab es Verwirrung über Funksprüche seines Teams, er solle den Boliden vor Rennende abstellen, damit man vor Schanghai das Getriebe wechseln kann. Im Interview nimmt der 24-Jährige zu den Turbulenzen der vergangenen Wochen Stellung - mit seiner Meinung über eine Austragung des Grand Prix von Bahrain hält er sich aber zurück.

Frage: "Sebastian, wie beurteilst du deinen Saisonstart?"
Sebastian Vettel: "Im Vorjahr hatte ich einen besseren Start, aber wir hatten erst zwei Rennen. Der Saisonstart war vielleicht nicht ideal, zusammenfassend muss man aber sagen, dass das Auto viel Potenzial hat, das wir vielleicht noch nicht freigesetzt haben. Dennoch hatten wir ein sehr gutes Resultat in Australien. In Malaysia sind wir nicht ins Ziel gekommen. Zehn Runden vor Schluss lagen wir auf Platz vier - in einem sehr chaotischen Rennen, in dem wir den Boxenfunk verloren hatten. Es lief nicht nach Plan, aber so ist es eben."

Frage: "Im Vorjahr war Red Bull vor allen anderen, und wenn es ein Problem gab, dann konnte man das meist in einem Tag lösen. Jetzt macht es den Eindruck, als wärt ihr etwas ratlos..."
Vettel: "Ich würde nicht sagen, dass wir ratlos sind. Die Probleme sind ganz andere und größer als im Vorjahr. Es ist also aufwändiger, zu verstehen, was genau das Auto jetzt braucht. Bei den Veränderungen, die man von Freitag auf Samstag machen kann, handelt es sich eher um die Feinabstimmung, aber wir müssen etwas finden, dass uns hilft und das sich etwas deutlicher auswirkt."

"Im Vorjahr hatten wir eine sehr gute Saisonvorbereitung, wir verstanden das Auto sehr gut. Darauf konnten wir aufbauen. Dennoch sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Wir haben jetzt zwei Rennen hinter uns, und das ist nicht das Ende der Welt. Wir hatten einen sehr guten Podestplatz, und das andere Rennen wäre auch keine Katastrophe gewesen. Wir sprechen über einen zweiten und einen vierten Platz. Wenn wir auf Platz 20 mit fünf Sekunden Rückstand liegen würden, dann wäre das eine andere Geschichte."

Frage: "Macht man es sich zu leicht, wenn man sagt, dass euch das Reglement mit den auspuffangeblasenen Diffusor und dem Frontflügel die zwei wichtigsten Waffen weggenommen hat?"
Vettel: "Die Reglementänderungen haben uns sicher nicht geholfen. Alle haben Abtrieb verloren - die Autos sind langsamer als im Vorjahr. Ich bin nicht unbedingt der Meinung, dass uns die Änderungen mehr getroffen haben als andere, denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir ein sehr konkurrenzfähiges Auto haben. Damit können wir mit der Spitze mithalten, aber noch nicht mitmischen. Wir müssen es nur ordentlich zum Laufen bringen, und dann sind wir in einer besseren Position."

Frage: "Wenn der Fan sieht, dass ihr im Vorjahr so ein überlegenes Auto hattet, dann fragt er sich: Was ist bei Red Bull los? Wie erklärst du das?"
Vettel: "Na gut - überlegenes Auto... Ich denke, dass das Bild aus dem Vorjahr auf den ersten Blick etwas getäuscht hat, weil die Ergebnisse sehr gut waren. Wenn man sich die Zeiten ansieht, dann hätte man 2010 eher von einer Dominanz sprechen können als 2011. Die Ergebnisse zeigen was anderes, aber ich denke, dass wir im Vorjahr eine sehr guten Job gemacht haben, alles hat zusammengepasst. Dieses Jahr lief es holpriger und wir haben hie und da etwas mehr Fehler gemacht. Es lief nicht ganz rund, und auch die Wintervorbereitung war nicht ganz ideal. So etwas nimmt man dann mit in die ersten Rennen."


Fotos: Red Bull, Großer Preis von China


"Wie erklärt man das? Das Auto ist komplett neu, die Regeln haben sich geändert. Alle hat es getroffen, vielleicht uns ein bisschen mehr, aber das wirklich Entscheidende ist, dass im Moment noch nicht alles zusammenpasst. Und wenn man sich nicht ganz wohlfühlt, holt man vielleicht auch nicht das gewisse Extra aus dem Auto heraus. Dann ergibt eins das andere, und man steht nicht ganz vorne."

Frage: "Also ist richtig Dampf unterm Kessel bei euch?"
Vettel: "Immer - auch, wenn wir vorne stehen."

Frage: "Und du auch - mit deinem Anspruch?"
Vettel: "Ja, absolut. Ich glaube, daran muss ich niemanden erinnern, denn der Anspruch, ganz vorne mitzumischen und ganz vorne zu fahren, herrscht in jedem von uns. Nach dem zweiten Rennen waren wir nicht zufrieden mit unserer Leistung. Wir wissen, dass wir noch nachlegen müssen."

Frage: "Im Vorjahr kam Red Bull schneller mit den Reifen zurecht als dieses Jahr. Macht dir das Sorgen?"
Vettel: "Ich denke nicht, dass die Reifen so anders sind. Sie haben sich verändert, aber es handelt sich nicht um einen enormen Unterschied. Derzeit haben unsere Probleme nichts mit den Reifen zu tun. Zuerst müssen wir unsere eigenen Dinge aussortieren, dann können wir uns um die Reifen sorgen."

Frage: "In welchen Bereichen habt ihr das größte Verbesserungspotenzial?"
Vettel: "Ich kann nicht alles erzählen... Es gibt kein fundamentales Problem mit dem Auto. Es ist nicht so, dass das Heck oder der Frontflügel, oder ein anderes Teil ein allgemeines Problem verursacht, und wir es austauschen müssen, weil es nicht funktioniert. Es gibt ein paar Dinge, die nicht sehr perfekt zusammenspielen. Die Balance des Autos scheint nicht so gut zu sein wie im Vorjahr. Das hat nichts mit dem Grip- oder mit dem Abtriebsniveau zu tun. Wir versuchen eher, das Auto als Ganzes zum Funktionieren zu bringen. Das versuchen wir zu verstehen und zu verbessern."

Sebastian Vettel

Bei Red Bull versucht man derzeit, den RB8 zu verstehen Zoom

Frage: "Fühlst du dich im Auto wohl?"
Vettel: "Ich fahre das Auto gerne, ja. Wohlfühlen? Zu diesem Zeitpunkt nicht allzu sehr. Das Auto ist sehr nervös und rutscht sehr viel. Ich denke aber, dass es schlechtere Autos im Feld gibt."

Frage: "Du hast gesagt, dass das Auto viel rutscht. Im Vorjahr hattet ihr den abgasangeblasenen Diffusor. Fühlt es sich nun nicht wie 2008 und 2009 und damit wie ein konventionelles Rennauto an?"
Vettel: "Nein. Ich denke, dass jedes Auto rutscht. Vielleicht war ich vorhin nicht präzise genug in meinen Aussagen. Wenn man ein Auto am Limit bewegt, dann wird man das Limit immer erreichen. Leider, aber so ist das Leben. Was uns aber dieses Jahr zusätzlich trifft, ist dass wir das wahre Potenzial des Autos nicht erreichen. Die Balance passt nicht hundertprozentig, und wir versuchen zu diesem Zeitpunkt, das hundertprozentig zu verstehen und es zu verbessern. Wenn es uns gelingt, dieses Puzzle zusammenzusetzen, dann sollten wir in einer viel besseren Position sein."

Was Vettel als Fahrer tun kann

Frage: "Welche Möglichkeiten hast du als Fahrer, darauf einzuwirken, dass es besser läuft? Schneller zu fahren ist ja nicht das einzige..."
Vettel: "Das versucht man, wenn man im Auto sitzt, denn dann bleibt einem letztlich nichts anderes übrig. Man kann zwar reinkommen und was verstellen lassen, aber während des Wochenendes ist es ziemlich schwierig, denn man kann das Auto nicht grundlegend umbauen. Aber gerade in der Zeit zwischen den Rennen - nach dem ersten Rennen war ja nicht viel Zeit - hat man die Möglichkeit, sich die Sache etwas genauer anzuschauen. Ob das geholfen hat, wird man jetzt sehen. Der Einfluss, den man hat, ist natürlich groß, denn man sagt, was einem nicht passt, was vielleicht nicht stimmt und weist dann auf eventuelle Schwachstellen hin."

Frage: "Musst du antreiben?"
Vettel: "Ich glaube, im Moment sind alle heiß genug, dass es besser wird. Es ist daher im Moment nicht notwendig."

Frage: "Wie viel näher rückt ein Team zusammen, wenn es nicht läuft?"
Vettel: "Ich glaube generell, dass wir eine sehr gute Stimmung im Team haben und jeder weiß, was er zu tun hat, wie wichtig er ist für das Gesamtprojekt. Über solche Dinge wird im Moment gar nicht geredet, weil es selbstverständlich ist."

Frage: "In den letzten Runden gab es ja die vielen Funksprüche, die für Verwirrung sorgten. Habt ihr euch darüber ausgesprochen?"
Vettel: "Gut, es kam ja keiner davon bei mir an, also gibt es nicht viel worüber man reden kann. Ich glaube, das Hauptthema ist, dass man das Problem beseitigt - sprich den Funk wieder herrichtet -, damit das garantiert nicht mehr passiert. Ich glaube, es sieht ganz gut aus und sollte nicht mehr vorkommen. Trotzdem - das kann schon mal passieren, denn es ist ja auch manchmal so, dass man beim Telefon kein Netz hat. Man kann ja dann nicht gleich seinen Anbieter verklagen. Das kommt schon mal vor. (lacht)

Frage: "Hier gibt es zwei lange Geraden. Beim Topspeed wart ihr im Vorjahr und dieses Jahr schwach."
Vettel: "Ja, das war schon immer so."

Frage: "Aber im Vorjahr habt ihr die Rennen zumindest von der Spitze dominiert. Das ist jetzt anders. Macht sich der Topspeed-Nachteil jetzt stärker bemerkbar?"
Vettel: "Es trifft einen immer härter, wenn man nicht von der Spitze startet und kein sauberes Rennen hat. Es ist kein Geheimnis, dass man mit einer guten Höchstgeschwindigkeit andere Leute besser überholen kann, weil man schneller ist. Wenn man also hinter einem liegt, dann ist es leichter vorbeizufahren oder zu überholen. Das macht das Leben nicht einfacher und ist für uns keine Hilfe. Es ist aber nicht die erste Saison, wo wir damit zurechtkommen müssen. Mark und ich haben es aber meistens geschafft, damit umzugehen, auch wenn dies vielleicht nicht bei jedem Rennen und immer gleich in der ersten Runde der Fall war. Wir haben schon andere Leute überholt."

Sebastian Vettel

Vettel behauptet, dass Funkprobleme die Kommunikation mit Rocquelin störten Zoom

"Allgemein verfolgen wir vielleicht eine etwas andere Philosophie. Vielleicht fehlt auch einfach etwas der der Bums, aber alles in allem sind wir damit immer ganz gut gefahren. Ich glaube, das wird hier nicht anders sein."

Frage: "Dieses Jahr scheint das Feld etwas ausgeglichener."
Vettel: "Ich bin nicht dieser Meinung. Auch im Vorjahr war es eng. Jedes Rennen ist anders. Im Vorjahr waren die Ergebnisse vielleicht klarer, aber die Rennen waren trotzdem eng. Wir hatten im Vorjahr sehr enge Qualifyings, es gab auch Rennen, bei denen die ersten drei Autos bei der Zielflagge innerhalb von vier Sekunden lagen. Es kann nicht viel enger sein. Klar - wenn es wie in Malaysia regnet, dann ist es chaotischer und es passiert mehr. Man hat die Chance, sich toll zu schlagen, aber es besteht auch die Gefahr, dass man seine Position leichter verliert."

"Bisher muss man sagen, dass der McLaren das stärkste Auto ist. In Australien waren sie ziemlich dominant, der Regen in Malaysia sorgte dann für ein anderes Bild. Ferrari und Fernando haben das Rennen gewonnen, Sauber wurde Zweiter. Ich glaube, dass wir noch etwas mehr Zeit brauchen, um die Saison beurteilen zu können. Es sieht aber sehr eng aus, es gibt viele gute Autos, viele Fahrer, die nahe beisammen liegen. Ich spreche von McLaren, hoffentlich uns, Mercedes und Ferrari - selbst wenn sie derzeit Schwierigkeiten haben, besitzen sie das Potenzial zurückzukommen. Lotus ist sehr stark."

"Vielleicht war es in dieser Hinsicht im Vorjahr nicht so eng - da gab es zu Saisonbeginn drei Teams an der Spitze, und im Laufe der Saison waren es dann nur noch McLaren und Red Bull."

Aussprache zwischen Vettel und Karthikeyan

Frage: "Wenn du diese Saison mit 2010 vergleichst und dir ansiehst, wie eng es damals war, hast du dann nicht Sorgen, dass dir die Weltmeisterschaft bereits jetzt endgleitet?"
Vettel: "Nein, die Weltmeisterschaft ist lang. 2010 hatten wir viele Ausfälle, und ich hoffe, dass sich das dieses Jahr nicht wiederholt. Natürlich ist es schade, in einem Rennen, wo nur noch ein paar Runden bei trockenen Bedingungen zu fahren sind, eine Handvoll Punkte zu verlieren. Wir könnten darüber jetzt endlos sprechen und nachdenken, aber es geht weiter. Es muss weitergehen. Es ist passiert, und wir können es nicht mehr ändern."

"Ich habe die Rennkommissare nach dem Rennen gefragt, ob sie mir zwölf Punkte zurückgeben können. Das war natürlich ein Scherz, und ihr werdet jetzt natürlich nicht schreiben, dass es ein Scherz war. (lacht) Nein - es war ein Rennunfall, und ich habe mit Narain gesprochen. Mehr gibt es nicht zu sagen."

Frage: "Du hast Karthikeyan nach dem Rennen in Sepang im Ärger als Gurke bezeichnet. Hast du ihn zwischen den Rennen angerufen?"
Vettel: "Zunächst war es glaub ich gut, die Situation ein bisschen ruhen zu lassen. Ich glaube, Gurke ist auch kein großes Schimpfwort. Bei uns sagt man das so, und das ist schnell gesagt. Wichtig ist, dass wir miteinander gesprochen haben. Respekt herrscht untereinander, und das ist mir das Wichtigste."

Narain Karthikeyan

Vettel hat sich mit dem Inder Karthikeyan nach der Verstimmung ausgesprochen Zoom

Frage: "Bereust du den Zwischenfall mit Karthikeyan?"
Vettel: "Nein. Es war natürlich schade, eine Handvoll Punkte zu verlieren, aber solche Dinge passieren eben."

Vettel bezieht zu Bahrain nicht Position

Frage: "Hast du von Bernie Ecclestone neue Infos zu Bahrain bekommen?"
Vettel: "Nein. Ich habe nicht gefragt..."

Frage: "Wird es stattfinden?"
Vettel: "Ich habe nicht gefragt, deswegen hat er auch nichts gesagt."

Frage: "Wie ist deine Meinung. Soll dort gefahren werden?"
Vettel: "Ich glaube, er und andere machen sich da schon genug Gedanken. Ich denke, wenn es heißt, dass wir fahren - und im Moment heißt es das glaube ich -, dann fahren wir dort. Und wenn nicht, dann nicht. Sollten wir fahren, dann ist glaube ich alles in Ordnung, und wenn nicht, dann gibt es Gründe, die dagegen sprechen."

Frage: "Wenn du die Bilder im Fernsehen siehst, denkst du, dass Schaden..."
Vettel: "Ich habe die Bilder nicht gesehen." (lacht)

Frage: "Keine protestierenden Menschen?"
Vettel: "Ich habe ein Jahr lang nichts gesehen. Vielleicht sehe ich nicht genug fern. In Deutschland gibt es genug Probleme, da bleibt keine Zeit..."

Frage: "Jochen Rindt würde diese Woche seinen 70er feiern. Kannst du aus deiner Sicht erklären, warum diese Person noch immer so faszinierend ist?"
Vettel: "Ich glaube, er hat zu seiner Zeit sehr polarisiert, und natürlich war es sehr tragisch, dass er sein Leben verloren hat. Trotzdem bleibt er aber glaube ich vielen in Erinnerung - vielleicht mehr, als manch anderer. Das liegt glaube ich an der Tatsache, dass er ein Charakter war, ein Typ und einer, der angezogen hat."