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  • 21.04.2013 22:55

Vettel: "Alonsos Defekt spielte keine Rolle"

Der Red-Bull-Pilot zeigt sich überrascht von seiner Dominanz, rechnet weiter mit Ferrari sowie Lotus und will in Spanien unfreundlich empfangen werden

(Motorsport-Total.com) - Beim Bahrain-Grand-Prix am Sonntag führte wie schon im Vorjahr kein Weg vorbei an Sebastian Vettel. Der amtierende Weltmeister bestimmte die Szenerie von der Spitze. Laut dem Heppenheimer war das jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern das Resultat aus einer guten Strategie, dem richtigen Händchen für die Pirelli-Reifen, den Windverhältnissen und zwei wichtigen Überholmanöver in der Anfangsphase. Im Interview erklärt Vettel, wieso es nicht unbedingt so weitergehen muss.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel saß glücklich und zufrieden in der FIA-PK Zoom

Frage: "Sebastian, ein tolles Rennen. Du lachst schon, ehe ich eine Frage gestellt habe."
Sebastian Vettel: "Es war ein fantastisches Rennen. Vielen Dank an das Team. Wir hatten vom Start bis ins Ziel ein fehlerfreies Rennen. Ich wusste von Anfang an: Ich würde versuchen müssen, rasch in Führung zu gehen und dann mal zu schauen. Das Auto war richtig schnell und schien gegen Ende sogar noch besser zu werden. Es war ein tolles Rennen. Ich konnte in jeder einzelnen Runde Druck machen, aber gleichzeitig die Reifen schonen. Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Das hatten wir so nicht erwartet. Am Ende haben wir es gut kontrolliert."

Frage: "Es gab viele Zweikämpfe, wie hast du sie empfunden? War es Instinktracing oder kannst du analysieren, wie du deinen dominanten Sieg eingefädelt hast?"
Vettel: "Da ist kein Alkohol drin (in dem Rosenwasser auf dem Podium, Anm. d. Red.), also kann ich es zusammenfassen. Es war natürlich sehr eng in der ersten Kurve mit Fernando (Alonso, Anm. d. Red.) auf der Außenbahn. Leider musste ich nachgeben. Ich wollte zusehen, dass ich Nico auf der nächsten Geraden bekomme, aber dann hat sich Fernando neben mich gequetscht. Dass ich ihn wieder überholt habe, war extrem wichtig."

Gegenwind als Überholhilfe

"Ich hatte mir einiegs an KERS aufgespart und konnte ihn hin zu Kurve sechs ausbeschleunigen. Nico war dann ein harter Brocken. Ich musste da eine Weile grübeln, weil er auf den Geraden echt verdammt schnell war. Der Gegenwind heute half den verfolgenden Autos, trotzdem war es alles andere als ein einfaches Rennen - so, wie ich es mir erhofft hatte. Es war dann wieder eng und ausgangs Kurve vier konnte ich wieder KERS sparen, ihn auf der Innenbahn attackieren. Dann war die Bahn frei und das Auto konnte sein wahres Tempo entfalten."

Frage: "Du hast einen Glücksbringer in deinem Schuh gehabt, oder? Willst du ihn nicht zeigen und uns sagen, wie du die WM-Situation einschätzt?"
Vettel: "Das ist kein Geheimnis. Ich bekomme aber meine Beine nicht so hoch, weil ich keine Frau bin. Ich habe sie (zwei Münzen, Anm. d. Red.) schon lange. Eine stammt von meiner Großmutter, die andere auch. Das Rennen war sehr, sehr simpel und unser Tempo einfach unglaublich. Das hatten wir nicht erwartet. Ich habe die Szenerie am Ende ziemlich kontrolliert."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Bahrain


"Wir haben die Abstände verwaltet und trotzdem noch genügend Reifen übrig gehabt, um bis zum Ende Druck zu machen. Zum anderen will ich herausstreichen, dass Renault Glückwünsche gebühren. Es ist das gleiche Resultat wie im vergangenen Jahr, drei Autos mit Renault-Motoren vorne. Die Jungs im französischen Viry (Renault-Sitz, Anm. d. Red.) geben sich alle Mühe und werden dafür kritisiert, nicht den stärksten Motor zu produzieren. Aber am Ende stehen wir hier mit drei Renault-Autos. Also: 'Merci beaucoup', gut gemacht, ich freue mich auf die nächsten Rennen."

"Alles spielte uns in die Karten"

Frage: "War es die Art Rennen, die du erwartet hast? Weite Strecken, auf denen du praktisch alleine unterwegs warst und gegen den Zeitenmonitor gefahren bist? Hättest du ein engeres Rennen erwartet?"
Vettel: "Sicher habe ich das nicht erwartet. Es war schon sehr dominant. Zu Beginn war es eng, es ging Rad an Rad zur Sache. Ich wusste, dass es unerlässlich wäre, die Führung zu übernehmen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet - weil das einen kleinen Vorteil bringt, was das Schonen der Reifen angeht. Es war spürbar, dass ich auf der mittelharten Mischung würde wegziehen können, der Reifen fühlte sich sehr stark an."

"Wir hatten drei Sätze neue harte Reifen, unser Auto schien damit bestens klarzukommen. Im zweiten Stint realisierte ich, dass sich eine Lücke auftat und dachte: 'Ich packe die Gelegenheit beim Schopfe und ziehe weg'. Obwohl es am Ende mit Sicherheit hilfreich ist, weißt du nicht, was passiert. Es räumte uns Flexibilität ein. Glücklicherweise sind wir nie wieder unter Druck geraten. Ich kann den Jungs zu Hause und an der Strecke für ihre Strategie nur gratulieren. Der Samstag war nicht einfach, aber wir haben uns für das Schonen der Reifen entschieden und es ging sich seht gut aus heute. Wir hatten ein starkes Rennen und alles spielte uns in die Karten."

Sebastian Vettel

Unschlagbar gut: Der RB9 versteht sich nun auch mit dem Pirelli-Gummi Zoom

Frage: "Wie wichtig war es, nach dem Start vor Fernando Alonso zu sein? Hätte er gewinnen können?"
Vettel: "Wir waren schneller als erwartet, was mit unserem Umgang mit den Reifen zu tun hat. Wir wussten, dass das Auto schnell sein würde. Das haben wir bemerkt, als wir am Samstag eine starke Qualifyingrunde zusammengebracht haben. Sicher war es wichtig, in Führung zu gehen, weil ein anderes Auto an der Spitze schwierig zu überholen ist. Speziell, wenn sich schon ein Rhythmus eingestellt hat. Heute hat die Tatsache geholfen, das es auf der Start-und-Zielgeraden Gegenwind gab."

Kein Recht, sich über Pirelli zu beschweren

"Der DRS-Vorteil war größer als sonst. Zu Beginn dachte ich, die Chance, an die Spitze zu gehen, wäre klein. Ich wollte sie unbedingt ergreifen, um bestmöglich die Reifen zu schonen und das Rennen streng nach Plan zu fahren. Sonst steckt man hinter jemandem fest und bekommt Probleme. Man verliert an Grip, fängt an zu rutschen und der Reifen verabschiedet sich. Dann entwickelt sich vielleicht ein anderes Rennen. Sicher war mit dem Tempo, das wir hatten, aber so oder so ein starkes Rennen möglich, selbst ohne die frühe Führung. So war es mir aber lieber."

Frage: "Es gab Kritik an Pirelli, am meisten von deinem Team. Jetzt führst du in der Fahrerwertung, Red Bull in der Konstrukteurs-WM. Bedeutet das das Ende der Klagen aus Milton Keynes?"
Vettel: "Dass wir die Konstrukteurs-WM dreimal in Serie gewonnen haben beschwert uns mehr Gehör als anderen. Aus meiner Sicht ist es so, dass ich über die Reifen gesprochen habe, mich auch beschert habe. Aber solange andere einen besseren Job machen als wir, haben wir kein Recht uns zu beklagen, sondern müssen aufholen. Man muss kein Genie sein um zu sehen, dass von Rennen zu Rennen immer wieder Fahrer - vielleicht sogar die selben - Probleme haben und nicht alles aus ihrem Auto herausholen können."

"Es ist sehr strategisch in diesen Tagen, aber für jeden die gleiche Situation. Wir hatten bei vier absolvierten Grands Prix zwei gute und zwei durchschnittliche. Betrachtet man die Resultate, sind selbst die aber kein Beinbruch. Dritter und Viert zu werden ist noch immer stark und ich beschwere mich darüber sicher nicht. Verglichen mit der Formel 1 vergangener Jahre ist es sicher anders - auch wenn man da eher Kimi (Räikkönen, Anm. d. Red.) fragen muss. Man kann nicht jede Runde alles geben, wie man lustig ist, man muss mit den Reifen arbeiten, sich ein Tempo vornehmen und es durchziehen. Das ist das, was die Fahrer, mit denen ich gesprochen habe, denken. Es ist anders und irgendwie weniger ein Genuss."

Ferrari und Lotus auf der Rechnung

Frage: "Wie unterschiedlich ist dieser Sieg verglichen mit Malaysia, als es viel Kritik gab? Wäre es ohne Fernando Alonsos DRS-Problem heute schwieriger geworden?"
Vettel: "Zur zweiten Frage: Ich weiß es nicht, ich kenne Ferraris Tempo nicht. Sie waren in den vergangenen Rennen sehr stark, alles andere als eine gute Leistung wäre eine Überraschung gewesen. Aber wie stark? Ich weiß es nicht. Wir sind glücklich und waren in guter Form. Keine Ahnung, wo Felipe (Massa, Anm. d. Red.) angekommen ist. Aber wir können Fernandos Rennen nicht einschätzen wegen des Problems mit dem DRS."

"Ich habe gar nicht gehört, dass er in Schwierigkeiten ist. Ich habe nur gesagt bekommen, dass er Probleme mit den Hinterreifen hatte, aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass er ein technisches Problem hatte. Es spielte auch nicht wirklich eine Rolle, denn es gab genügend andere, die auch noch im Rennen waren. Man hat gesehen, dass die Lotus sich mit ihrem Tempo und ihrer Strategie nach vorne gespült haben. Glücklicherweise waren wir weit genug weg. Ferrari muss sich auf keinen Fall verstecken. Die brauchen wir nicht abzuschreiben oder nicht auf der Rechnung zu haben."

"Zur ersten Frage: Wenn man um den Sieg fährt, versucht man zu überholen, wer auch immer gerade vor einem liegt. Malaysia ist jetzt schon einige Zeit her, wir haben uns weiterentwickelt. Es macht keinen Unterschied, wenn man den Zielstrich als Erster überquert. Wir waren aber schon am Anfang in besserer Position, es war so gesehen also ein ganz anderes Rennen."

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel feierte in Bahrain seinen zweiten Saisonsieg Zoom

Frage: "Wer ist unter dem Gesichtspunkt der Reifen dein ärgster WM-Rivale?"
Vettel: "Weiß ich nicht. Es ist eine lange Saison. Gemessen an den ersten Rennen ist Lotus sehr schnell. Sie gehen gut mit den Reifen um im Rennen. Ferrari ist sehr schnell, die Autos haben sich im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert. Die reine Leistungsdichte ist sehr dicht beisammen. An einem Sonntag jedoch kann die Sache wegen der Schonung der Reifen anders aussehen. Manchmal läuft es besser, manchmal nicht."

Reifenmischungen sehr ähnlich

"Ferrari hat ein Allround-Auto, es ist immer schnell und konkurrenzfähig im Rennen. Mercedes ist sicher sehr schnell auf einer Runde, aber wohl etwas zu aggressiv, was die Reifen betrifft. Ichbin von McLaren etwas überrascht, aber ich glaube, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt im Jahr wieder zurückkehren, wahrscheinlich schon in Barcelona. Das sind die Hauptrivalen. Wir sollten aus uns selbst achten und zusehen, dass wir die nötigen Punkte einfahren. Alles andere ist kaum vorherzusagen."

Frage: "Christian Horner fordert härtere Reifenmischungen, euer Auto war auf dieser Version am Sonntag besser."
Vettel: "Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich schon alles verstanden haben. Mit der Reifenstrategie waren wir schon am Samstag mehr oder weniger festgelegt, als wir in der Qualifikation alle weicheren Reifen aufgebraucht und uns in der ersten Reihe platziert hatten. Gut für das Rennen. Dann ging es darum, im ersten Stint so lange wie möglich zu fahren und dann die drei Sätze der harten Mischung zu nutzen."

"Am Ende gab es gar keinen so großen Unterschied zwischen der mittelharten und der harten Mischung, das wurde schon mit viel Sprit im Tank deutlich. Auf den Longruns waren wir etwas zufriedener mit den harten Pneus, deshalb haben wir uns so entscheiden und es hat geklappt. Schwierig zu sagen, wie gut oder schlecht der mittelharte gewesen wäre, weil wir davon keinen neuen Satz mehr zur Verfügung hatten. Ich habe nicht mitbekommen, was andere getan haben, aber die Tatsache, dass ich gewonnen habe, zeigt, dass wir in dieser Hinsicht einen guten Job gemacht haben."

Frage: "Wie beurteilst du die Lage der Dinge nach den ersten vier Rennen?"
Vettel: "Das ist für Außenstehende einfacher, weil ich die ersten vier Rennen gar nicht gesehen habe. Ich habe gesehen, wie es uns ergeht und wir können sehr glücklich sein mit der Art und Weise, wie sich unser Auto verhält. Wir waren nach den Wintertests nicht so sicher, ob der Wagen auch wirklich so schnell sein würde. Wir müssen weiter Druck machen. Heute lief es gut, aber beim vergangenen Rennen hätten wir definitiv mehr herausholen können."

Frage: "Jetzt geht es nach Spanien."
Vettel: (lacht) "Ich bin gespannt. Das kommt auf nächste Woche an, wie sich die deutschen Clubs, die Bayern und der BVB, in der Champions League schlagen. Ich drücke natürlich die Daumen und hoffe, dass wir dann nicht so höflich empfangen werden in Spanien."