• 03.07.2008 09:27

Toro Rosso: Mutig, verrückt... und clever!

Technikchef Giorgio Ascanelli zieht Bilanz: Warum es richtig war, das neue Auto während der Saison einzuführen, und wie es nun weitergehen wird

(Motorsport-Total.com) - Das Toro-Rosso-Team hat nach acht von 18 Rennen sieben WM-Punkte auf dem Konto und nimmt damit schon jetzt Kurs auf die erfolgreichste Saison, seit die Truppe 1985 unter dem Namen Minardi in die Formel 1 eingestiegen ist. Dabei könnte die zweite Saisonhälfte dank des neuen Autos noch erfolgreicher werden.

Titel-Bild zur News: Giorgio Ascanelli

Giorgio Ascanelli sieht sein Team derzeit auf einem sehr guten Weg

Für Giorgio Ascanelli, den Technischen Direktor in Faenza, war dies Grund genug, vor Silverstone eine Zwischenbilanz zu ziehen: "Wir hatten uns entschieden, mit einer modifizierten Version des 2007er-Autos in die Saison zu starten und bereuen das rückblickend nicht. Im Augenblick fehlt uns gerade einmal ein Punkt an unserer Gesamtausbeute des Vorjahres. Wir müssen also etwas richtig gemacht haben", sagte er.#w1#

Potenzial des STR2B nicht genutzt

"Ich bereue keine der von uns getroffenen Entscheidungen." Giorgio Ascanelli

"Ich bereue keine der von uns getroffenen Entscheidungen. In der Frühphase der Saison holten wir mit dem STR2B allerdings weniger Punkte, als wir es hätten tun müssen. Aber das war nicht, weil wir das alte Auto fuhren. Es lag eher an der Art und Weise, wie wir es nutzten und zudem an einem überraschenden Standfestigkeitsproblem, das aufgrund einer Unregelmäßigkeit bei der Qualitätskontrolle des Zulieferers auftrat", so der Italiener.

"Alle am STR2 montierten Evolutionskomponenten wurden im Verlauf der Wintertests ausgiebig getestet und sie waren viele Kilometer im Einsatz. Als wir dann zu den Rennen kamen, traten plötzlich gewisse Probleme auf. Trotzdem holten wir während der fünf Rennen, die mit diesem Auto gefahren wurden, zwei Punkte", gab Ascanelli zu Protokoll und lobte damit auch noch einmal den alten Boliden.

Aber: "Der STR3 ist ein deutlich besseres Auto. Es einzuführen, als die Saison bereits lief, war eine weise Entscheidung. Der Umstieg auf das neue Auto verlief allerdings nicht schmerzfrei. Wir litten unter einem signifikanten Mangel an Teilen, was die Einführung verzögerte - sie wurde vom Türkei-Grand-Prix auf den WM-Lauf in Monaco verschoben", erläuterte der Ex-Renningenieur von Gerhard Berger.

Debüt in Monaco riskant, aber lohnend

"Meiner Meinung nach waren wir mutig, verrückt und clever." Giorgio Ascanelli

Und weiter teilte er mit: "Meiner Meinung nach - ich habe das schon einmal so formuliert - waren wir mutig, verrückt und clever, als wir das Auto in Monaco debütieren ließen, denn es zahlte sich aus. Mit einer schwierigen Situation, was die Teile betrifft, wurden wir recht gut fertig." In der Tat: Sebastian Vettel hat alleine in Monte Carlo und Montréal fünf Punkte gesammelt! Nur in Magny-Cours ging er nach einer starken Performance leer aus.

"Am kommenden Wochenende", fuhr Ascanelli fort, "werden wir in Silverstone erstmals genügend Teile haben, um auf einem annehmbaren Level antreten zu können. Eine Auswirkung davon wird es sein, dass sich unsere Fahrer unbeschwerter fühlen werden und deshalb ein wenig höhere Risiken eingehen können. Bisher hatten sie unsere prekäre Teilesituation ständig im Kopf. Hoffentlich werden sie jetzt mehr wagen und entsprechend schneller sein!"

Lernkurve hält weiter an

Sebastian Vettel

Der neue STR3 holte gleich beim ersten Auftritt im verregneten Monaco Punkte Zoom

Und weiter: "Noch sind wir mit dem neuen Auto nicht da, wo wir sein sollten. Das letzte Rennen brachte in Frankreich ein gutes Qualifying und ein gutes Rennen. Aber ich spüre, dass bisher weder unsere Fahrer noch wir Ingenieure das Beste aus diesem Auto herausgeholt haben. Wir befinden uns immer noch im Bereich einer steil ansteigenden Lernkurve, also wird noch mehr kommen."

"Das liegt zum Teil daran, dass wir in Magny-Cours mit einem signifikant besseren Aeroupgrade antraten, das zuvor nur denkbar kurz in Barcelona getestet wurde. Es veränderte das Auto ziemlich entscheidend, und wir lernen unverändert, wie wir das Optimum aus diesem Paket holen können. Mit Red Bull Technology auf der Chassisseite und Ferrari als Motorenzulieferer können wir auf zwei sehr starke Partner zählen", fügte er an.

"Jetzt sind wir in dieser Saison an einem Punkt angelangt, an dem wir bereits mit Blick auf das 2009er-Auto arbeiten. Bevor das eingesetzt wird, gibt es da noch die Kleinigkeit, die zehn ausstehenden Rennen bestreiten zu müssen. Von den anstehenden Rennstrecken sollten uns diejenigen mit Highspeedcharakter ein wenig besser liegen. Entsprechend sollten wir - außer in Ungarn - überall mithalten können", kündigte Ascanelli an.

Ziel: Punkte aus eigener Kraft

"Der Unterschied zwischen Toro Rosso von heute und der Vergangenheit ist, dass wir solche Chancen jetzt nutzen." Giorgio Ascanelli

"Bisher", ergänzte er, "haben wir in diesem Jahr bei den Rennen gepunktet, bei denen ungewöhnlicherweise auch Frontrunner in Zwischenfälle verwickelt wurden. Zurzeit brauchen wir noch derartige Szenarien, um Punkte holen zu können. Der wesentliche Unterschied zwischen der Scuderia Toro Rosso von heute und der der Vergangenheit ist der, dass wir solche Chancen jetzt nutzen."

"In diesem Jahr gab es drei derartige Gelegenheiten, und wir waren jedes Mal zur Stelle. Im Vorjahr nutzten wir nur eine von insgesamt drei Chancen. Ich bin davon überzeugt, dass der neue Trend anhalten wird. Heute sind wir als Team reifer, aber viel wird davon abhängen, welche Fortschritte unsere direkten Gegner im Verlauf der zweiten Saisonhälfte machen werden", erklärte der Toro-Rosso-Technikchef abschließend.