Testverbot treibt Formel-1-Fahrer in die Simulatoren
Rennsimulatoren gewinnen durch das neue Testverbot immer mehr an Bedeutung - McLaren-Mercedes sieht sich im Vorteil
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton wird bereits jede Kurve und jeden Randstein der neuen Strecke in Abu Dhabi in- und auswendig kennen, lange bevor die Formel 1 beim Saisonfinale auf dem neuen Kurs debütiert. Und Großbritanniens Weltmeister muss dazu noch nicht einmal das McLaren-Hauptquartier in Woking verlassen...

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Ein moderner Formel 1-Simulator - Jedem PC-Spiel haushoch überlegen
Durch das neue Testverbot in der Formel 1, das im Rahmen der Maßnahmen zur Kostenreduzierung teure Testfahrten bis zum Jahresende verbietet, werden die Spitzenpiloten mehr Runden in den teameigenen Simulatoren absolvieren als jemals zuvor.#w1#
Auf die Frage, wie die neugewonnene Freizeit künftig genutzt wird, antwortet Hamiltons finnischer Teamkollege Heikki Kovalainen demnach logischerweise: "Ich denke, wir werden entsprechend mehr Zeit im Simulator verbringen. Wahrscheinlich bekomme ich vom Gucken auf den Bildschirm nach ein paar Tagen viereckige Augen."
Testfahrer klagen über Unterbeschäftigung
Nico Rosberg hat sich kürzlich schon zu der etwas ironischen Aussage verleiten lassen, dass das Fahren eines Formel-1-Rennwagens von nun an nur noch den kleinsten Teil seines Jobs ausmacht: "Während der Rennwochenenden haben wir zwei kurze Trainingseinheiten an den Freitagen, samstags eine sehr kurze Session und die paar Runden im Qualifying und dann das Rennen. Das ist nicht wirklich toll", meint der Williams-Pilot.
Aber was sollen erst die reinen Testfahrer der Teams sagen, wenn sich schon die Stammfahrer beklagen? BMW Sauber F1 Team Testfahrer Christian Klien, der bereits für Jaguar und Red Bull Grands Prix bestreiten konnte, zuckte bloß mit den Schultern, als er danach gefragt wurde, was er als Testfahrer eigentlich zu tun habe, wenn Testfahrten nun verboten seien: "Ich werde wohl fürs Urlaubmachen bezahlt", meinte der Österreicher. "In diesem Jahr stehe ich in der Küche und mache den anderen beiden das Essen", witzelte Klien mit Blick auf seine Teamkollegen Nick Heidfeld und Robert Kubica.

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Christian Klien freut sich auf die Küche des BMW Sauber F1 Teams Zoom
In Wahrheit wird Klien zu jedem Rennen reisen, um im Notfall für einen der beiden anderen Fahrer einspringen zu können. Und auch bei McLaren-Mercedes, die zuletzt zugeben mussten, dass ihr Auto momentan zu langsam ist, werden sämtliche Fahrer anderweitig beschäftigt werden. Schließlich verfügt das Team neben Hamilton und Kovalainen auch über zwei weitere Testfahrer: den Briten und DTM-Piloten Gary Paffett sowie den Spanier Pedro de la Rosa, der vor kurzem verlauten ließ, dass er sich bereits nach Aufgaben außerhalb der Formel 1 umsieht.
"Ich kann mir denken, dass sich gerade jeder fragt, warum wir ausgerechnet vier Fahrer beschäftigen, wenn man zwischen dem ersten und letzten Rennen der Saison nicht testen darf", sagt McLaren-Vorsitzender Ron Dennis. "Aber wir beschäftigen uns mit jeder Möglichkeit, das Auto zu verbessern, und selbstverständlich benötigen wir einen Ersatzfahrer, Pedro. Daneben brauchen wir reichlich Erfahrung und Leistungsvermögen für unseren Simulator - und um das sicherzustellen, braucht man Fahrer mit exakt den Eigenschaften, die man auch von einem Piloten erwartet, der das Auto tatsächlich auf der Rennstrecke testet."
McLarens Simulator gilt allgemein als der fortschrittlichste in der Formel 1, obgleich das Team selbst zu den Details keine Angaben macht. Allerdings ist inzwischen bekannt, dass es sich um ein hydraulisch betriebenes Chassis in Originalgröße handelt, welches mit hochkomplexen Daten gefüttert werden kann, um sämtliche Rennstrecken und Wetterbedingungen zu simulieren. Umgeben wird das Ganze von einer raumfüllenden Leinwand, auf der die Strecke zu sehen ist.
Dass McLarens Simulator offenbar sehr gut funktioniert, konnte man an Hamiltons beeindruckender Debütsaison 2007 erkennen. Schließlich ist bekannt, dass sich der junge Brite damit intensiv auf seine erste Saison vorbereitet hat.
Computersimulationen gewinnen an Bedeutung
Das frühere Weltmeisterteam von Frank Williams verfügt über ein ähnliches Gerät, wie man auf 'YouTube' sehen kann. Der frühere Grand-Prix-Pilot Mark Blundell stellt in einem Videoclip den Simulator vor. Es wird vermutet, dass man bei Red Bull, wo der frühere McLaren-Designer Adrian Newey inzwischen als Chefingenieur tätig ist, ebenfalls stark in diese neue Technologie investiert hat.
¿pbvin|512|591||1pb¿"Computersimulationen an sich sind ja keine neue Sache, aber ich denke, dass wir diesen Ansatz energischer verfolgt haben als jeder andere in der Formel 1 und dass es uns in der Saison einen Vorteil verschafft", behauptet Dennis. "Es war für viele Teams sicherlich ein Schock, als wir feststellten, wie viel Geld wir durch ein Testverbot sparen könnten." McLarens neuer Teamchef Martin Whitmarsh, der 1989 von British Aerospace zum Team wechselte, gründete das Simulatorprojekt vor zehn Jahren: "Wir bei McLaren sind sehr glücklich, dass wir im Bereich der Computersimulationen so weit vorne sind - gerade jetzt, wo dies eine so entscheidende Rolle spielt", schätzt sich Dennis demnach auch sehr glücklich.
Dass die neuen Simulatoren den Teams ermöglichen, neue Ideen auszuprobieren, wurde spätestens 2007 im Zuge des Spionageskandals um Ferrari und McLaren klar. Damals gelangte eine E-Mail an die Öffentlichkeit, in der de la Rosa den damaligen McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan nach den genauen Details der Gewichtsverteilung des Ferraris fragte, um diese im teameigenen Simulator mal auszuprobieren.
Sämtliche Formel-1-Teams entwickeln inzwischen auch andere Formen der Computersimulation, speziell die Anwendung von komplexen Strömungsberechnungen (Computational Fluid Dynamics), manchmal auch "Windkanal im Computer" genannt. Dieser Ansatz erlaubt es den Designern, genau zu simulieren, wie sich Teile des Fahrzeugs bei bestimmten Belastungen verformen und wie sie dadurch zu einer Steigerung des Anpressdrucks beitragen können.
"Mehr als 95 Prozent der Entwicklung unseres 2008er-McLarens war das Ergebnis von Computerberechnungen, die wir in unserem Hauptquartier in Woking durchgeführt haben. Die Computersimulation ist inzwischen eines unserer wertvollsten Werkzeuge geworden", sagt Dennis.

