• 23.02.2016 15:12

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Technische Analyse des Red Bull RB12

Red Bull spielt beim RB12 noch nicht mit offenen Karten und hält einige neue Teile noch zurück - Inspiration durch Mercedes ist allerdings trotzdem erkennbar

(Motorsport-Total.com) - Red Bulls Vorbereitung auf die Formel-1-Saison 2016 wurde von Unsicherheit im Hinblick auf den Antrieb überschattet. Weil sie sowieso ein Team sind, das das neue Auto immer erst auf den letzten Drücker zusammenbaut, kann man davon ausgehen, dass sich der RB12 in den kommenden beiden Testfahren noch gewaltig verändern wird. Das Auto hat bisher bereits einige seiner Geheimnisse gezeigt, aber es gibt auch Anzeichen dafür, dass Red Bull die endgültige Spezifikation zurückhält, um die Entwicklungszeit zu maximieren.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Auch Red Bull setzt auf drei Abgas-Endrohre am Heck des RB12 Zoom

Es ist eine große Herausforderung, einen anderen Motor einzubauen. Obwohl die Regeln eine einheitliche Befestigung von Motor und Getriebe vorschreiben, ist davon abgesehen fast alles anders. Die Größte und die Form des V6-Motors, die Installation des Turbos, und selbst die ERS-Batterie und die Größe der Kühler unterscheiden sich. Daher wurde die Aufgabe, das Layout für Monocoque, Getriebe und Seitenkästen festzulegen, sofort leichter, als sich das Team entschied, noch ein Jahr mit Renault weiterzumachen.

Bei Renault gibt es keinen Stillstand, doch 2015 sorgten fehlende PS, eine schlechte Zuverlässigkeit und die Größe der Kühler für Schwierigkeiten. Weil man sich bei dem letztgenannten Problem verbessern konnte, konnte Red Bull in diesem Jahr ein schnittigeres Auto bauen. Aber es wäre unrealistisch zu erwarten, dass man die fehlenden PS bereits gefunden hat. Auf der Geraden wird man daher erneut Nachteile haben. Daher ist es entscheidend, ein gutes Chassis zu haben.

Red Bull hält Entwicklungen noch zurück

Es besteht kein Zweifel daran, dass Red Bull viele Entwicklungen an den ersten Testtagen zurückhält, um in der Fabrik weiteres Feintuning zu betreiben. Die Nase des RB12, der Frontflügel und die Luftleitbleche sind momentan ganz sicher noch Überreste des Autos von 2015. An der Nase fehlt der S-Schacht, der im vergangenen Jahr eingesetzt wurde, aber das konnte nur temporär sein, denn viele Teams scheinen den Schacht erst später im Test einsetzen zu wollen.

Einige Neuerungen sind bereits jetzt an der Front des RB12 zu erkennen. Die unteren Querlenker an der Vorderachse sind ähnlich wie am Mercedes gestaltet, also mit einer durchgehenden Oberfläche. Die innen liegenden Zapfen hat man derart eng zusammengelegt, sodass sich daraus ganz legal eine gemeinsame Fläche entwickeln lässt. Es geht bei dieser Lösung eher um aerodynamische Vorteile, weniger um die Aufhängung an sich. Allerdings hat man Nachteile bei der Steifigkeit, weil die Lasten auf Anlenkpunkte und Chassis höher ausfallen.

Daniel Ricciardo

Die unteren Querlenker sind zu einer Fläche zusammengefasst Zoom

Direkt hinter diesem Bereich hat sich Red Bull noch etwas von Mercedes abgeschaut, allerdings basiert die dortige Lösung auf einem Ansatz des Mercedes-Vorgängerteams Brawn. Man hat ein Schneeflug-förmiges Element am sogenannten "T-Ray"-Splitter vor dem Seitenkasten installiert. Dieser hochgestellte Flügel dient als Vortex-Generator und soll die Luft an den Unterkanten der Seitenkästen vorbei leiten. Brawn hatte so etwas 2009, Williams 2010 und heutzutage nutzt Mercedes etwas sehr ähnliches an seinem Auto.

Neue Kühler für den Turbo verbaut?

Die Seitenkästen und die Überroll-Struktur am Red Bull RB12 sind in Größe und Form ähnlich wie im Vorjahr - schon damals sehr schlank. Anhand des aktuellen Bodyworks ist anzunehmen, dass es in Bezug auf die Positionierung der Kühler oder sonstiger Hardware keine Änderungen gegeben hat. Es heißt, dass Renault am Layout des Antriebs keine Änderungen vorgenommen hat: Turbo hinter dem Motor, MGU-H im V des Triebwerks und MGU-K an der Seite.

Ein wichtiges Detail, das jetzt allerdings noch nicht zu erkennen ist: Braucht man weiterhin derart viel Kühlluft am Turbo? In den vergangenen beiden Jahren hatte Red Bull in den Seitenkästen jeweils recht wuchtige Luft-Intercooler verbaut. Es ist zu hören, dass die Mannschaft in diesem Jahr größere Schwierigkeiten hatte, an das Minimalgewicht heran zu kommen. Dies könnte darauf hindeuten, dass man auf einen Wasser-Intercooler gewechselt ist - wie Mercedes und Ferrari. Diese Lösung ist zwar baulich kompakter, bringt aber zusätzliche Kilogramm Gewicht ins Chassis.

Ähnlich wie fast alle anderen Autos dieses Jahrgangs lässt auch Red Bull die Abgase durch drei Endrohre entweichen: eines für den Hauptstrang, zwei für die Turbo-Wastegates. Diese Anordnung unterscheidet sich vom Renault-Werksauto, das nur zwei Auslässe hat. Die Teams dürfen den Abgasstrang frei entwickeln. Red Bull geht offenbar davon aus, dass man mit einem dreistrahligen System einen kleinen aerodynamischen Vorteil erreichen kann.


Fotos: Red Bull, Test in Barcelona


Die aktuelle Konfiguration wird Micky-Maus-Lösung genannt, weil die Konstellation mit einem großen Auslass und zwei kleinen an das Gesicht und die Ohren der Micky Maus erinnert. Allzu große Vorteile bietet eine solche Lösung nicht, sie scheint den Red-Bull-Technikern wohl einfach etwas besser zu gefallen. Ende der Saison 2015 war das Red-Bull-Chassis auf Topniveau, es fehlte einzig an Leistung des Antriebs. Auch wenn Renault weitere Fortschritte versprochen hat, wird es wohl bis zur Mitte der Saison dauern. Bis dorthin muss Red Bull auf passende Strecken und Bedingungen setzen müssen, um Mercedes und Ferrari gefährlich werden zu können.

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