• 26.07.2007 09:53

  • von Hust / Nimmervoll / sid

Tag der Entscheidung im "Spionage-Skandal"

Heute entscheidet die FIA über eine mögliche Mitschuld am "Spionage-Skandal" und Bestrafung von McLaren-Mercedes - Hintergrundinfos und Chronologie

(Motorsport-Total.com) - Heute - seit 9:30 Uhr - wird am Place de la Concorde in Paris nicht nur über das Schicksal von McLaren-Mercedes in der diesjährigen Formel-1-Weltmeisterschaft entschieden, sondern auch über die Titelchancen von Lewis Hamilton und Fernando Alonso sowie über einen sportlichen Ausgang der WM 2007.

Titel-Bild zur News: McLaren-Mercedes

Heute entscheidet sich McLaren-Mercedes' Schicksal in der diesjährigen WM

"Das Einzige, woran wir interessiert sind, ist die Wahrheit", sagte McLaren-Chef Ron Dennis, als er um 9:07 Uhr umringt von zahlreichen Kamerateams das Gebäude am Place de la Concorde betrat.

Ferrari-Rennleiter Jean Todt, der um 9:16 Uhr kommentarlos das Gebäude betrat, ist als Vertreter der Formel-1-Teams Mitglied des 26-köpfigen Gremiums. Er will an der Anhörung teilnehmen, auf eine Stimme bei der späteren Abstimmung aber verzichten. Dem Council gehören außerdem unter anderem FIA-Präsident Max Mosley sowie Formel-1-Chefpromoter Bernie Ecclestone an.#w1#

McLaren-Mercedes drohen theoretisch drakonische Strafen

Die 26 Mitglieder des Weltmotorsportrats der FIA haben die Macht, den britisch-deutschen Rennstall Punkte abzuziehen oder sogar aus der Weltmeisterschaft auszuschließen, sollte Teamchef Ron Dennis mit seiner Mannschaft nicht nachweisen können, dass Mike Coughlan ein Einzeltäter war und somit keine andere Person und schon gar nicht die Entwicklung des McLaren-Mercedes MP4-22 von den 780 Seiten vertraulicher Daten über den Ferrari F2007 profitieren konnte.

Angeblich sollen die brisanten Informationen von Coughlans Frau Trudy im Copyshop vervielfältigt worden sein, nachdem sie Ex-Ferrari-Techniker Nigel Stepney an Coughlan weitergeleitet hatte - was der Brite jedoch bestreitet. Ein aufmerksamer Mitarbeiter des Copyshops hatte die Hinweise Ferraris ("vertraulich") auf den Dokumenten gesehen, war stutzig geworden und hatte die Polizei informiert.

Das Team ist für seine Mitarbeiter verantwortlich

Ron Dennis hat die Unschuld und Integrität seines Rennstalls gegenüber der Presse den Tränen nahe beteuert, aber letztendlich verantwortet das Team das, was seine Angestellten treiben. "Das Team haftet für seine Mitarbeiter! Und unser Sport muss sauber bleiben", so FIA-Präsident Max Mosley gegenüber dem 'Blick'. Allerdings fand man die geheimen Ferrari-Dokumente in Coughlans Privatwohnung - das könnte das Team retten.

Mehrmals hat der Rennstall beteuert, dass keine der Informationen weder in der Vergangenheit noch Gegenwart im Team Verwendung fanden. Das mag sein, doch alleine der Besitz dieser Informationen ist nach den FIA-Statuten nicht zulässig.

Die FIA verlangt sportliche Fairness

Die FIA hat neben Ferrari und McLaren den vollen Einblick in den Fall. Sie hat sich Informationen über den McLaren-Mercedes MP4-22 zukommen lassen und kann anhand der Ferrari-Dokumente überprüfen, ob tatsächlich Informationen des Konkurrenzboliden in den "Silberpfeil" eingeflossen sind.

Einer der möglichen Verdachtsmomente ist die Tatsache, dass McLaren-Mercedes der FIA zu Saisonbeginn einen Hinweis gab, dass der Ferrari-Unterboden flexibel ist - eine Information, die Stepney an Coughlan gesteckt haben könnte.

Wie geht der Fall aus?

Sollte es McLaren-Mercedes heute gelingen, den World Motor Sport Council der FIA davon zu überzeugen, dass Coughlan ein Einzeltäter war, dürfte man lediglich eine saftige Geldstrafe kassieren.

Sollte die FIA nachweisen können, dass die Geheiminformationen einen Einfluss auf die diesjährige Weltmeisterschaft hatten, dann dürften WM-Punkte abgezogen werden oder sogar ein Ausschluss aus der Weltmeisterschaft erfolgen - womit man bei McLaren-Mercedes jedoch überhaupt nicht rechnet.

Surer glaubt an eine Einstellung des Verfahrens

"Ich glaube, dass überhaupt nichts passieren wird, weil es fast unmöglich ist, irgendetwas zu beweisen", meint 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Somit werden sie das Verfahren einfach einstellen."

"Hamilton ist weltweit der neue Liebling. Ich kann mir schwer vorstellen, dass sie ihm Punkte wegnehmen. Auf der anderen Seite haben sie Michael Schumacher auch immer geprügelt, als er neu aufgekommen ist..."

Stuck: Wenn dann werden die Konstrukteurs-WM-Punkte gestrichen

"Sie können McLaren maximal Konstrukteurspunkte abziehen", so Ex-Formel-1-Pilot Hans-Joachim Stuck. "Wenn die Fahrerpunkte abziehen, würde das die Formel 1 erschüttern und auch irgendwie ad absurdum führen."

"Meiner Meinung nach ist die Konstrukteurs-WM eine Goldene Ananas. Die kann sich jeder an die Fahnen heften, aber bringen tut es fast nichts. Wenn Hamilton Fahrer- und Ferrari Konstrukteursweltmeister wird, dann haben alle etwas davon gehabt."

Ferrari ist von einem Vorteil für McLaren überzeugt

Ferrari hat nach Informationen des 'Guardian' in einem Dokument an den Obersten Gerichtshof in London erklärt, dass man die Meinung vertritt, dass die im Besitz von Coughlan befundenen Dokumente eine Auswirkung auf die diesjährige Formel-1-Weltmeisterschaft hatten.

"Der Abstand zwischen den beiden Teams ist so gering, dass es wahrscheinlich ist, dass die Überlegenheit von McLaren bei der Anzahl der Punkte die Folge davon ist, dass ihr Chefdesigner die Ferrari-Dokumente hatte", schreibt ein Ferrari-Vertreter.

Ferrari spricht von einem "unfairen Vorteil"

Laut den Italienern sorgte die Tatsache, dass Coughlan "im Besitz der Ferrari-Dokumente war dafür, dass McLaren gegenüber Ferrari ein unfairer Vorteil verschafft wurde" und dass "Ferrari mindestens 5,5 Millionen Euro verliert", sollte man die Konstrukteursmeisterschaft nicht gewinnen. Zudem sei "ein Verlust in Bezug auf eine Schädigung der Marke Ferrari" zu befürchten.

Ferrari glaubt, dass es mehr Leute im Team wussten

In dem Dokument soll Ferrari auch die Aussage McLarens anfechten, wonach sich nur Coughlan im Besitz der Dokumente befunden habe. Der 'Guardian' berichtet, dass die Rechtsanwälte von Ferrari fünf verschiedene Fälle aufführen, in denen vertrauliche Ferrari-Informationen gegenüber hochrangigen leitenden Angestellten bekannt gegeben wurden, inklusive McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh und Chefingenieur Paddy Lowe. Darunter auch die Information über den flexiblen Unterboden Ferraris sowie Ferraris Bremsen und Details der Heckflügel-Flaps.

Von diesen Informationen habe McLaren laut Ferrari unrechtmäßig profitiert. "Der Chefdesigner ist Teil einer Gruppe von drei bis vier Leuten, die das technische Team lenken, um das Auto zu verbessern", argumentieren die Ferrari-Anwälte. "Die Möglichkeit für einen Chefdesigner, die Leistung des Autos auf allen Gebieten zu beeinflussen, ist enorm."

Ecclestone hadert mit dem "Spionage-Fall"

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone ist froh, dass der "Spionage-Fall" kurz davor ist, von der FIA abgehakt zu werden - wie auch immer er ausgehen mag. Nach Aussage des 76-Jährigen habe der Sport aber schon jetzt darunter einen Schaden erlitten, auch wenn er insgeheim zugibt, dass sich dadurch Menschen plötzlich für die Formel 1 interessieren, die früher mit diesem Sport nichts am Hut hatten.

"Ich denke nicht, dass jemand eine Entscheidung über die Weltmeisterschaft trifft, ohne sich alles anzuschauen", so Ecclestone gegenüber der 'Times'. "Bitte Gott, nichts ist schief gelaufen und es wird alles eine Menge Unsinn sein. Es wäre zunächst einmal besser gewesen, wenn es nicht passiert wäre, und es wäre natürlich von Vorteil, wenn es aufgeklärt wird und alle irgendwie glücklich sind."

Der Formel-1-Boss mag den "Spionage-Unsinn" nicht

"Es wurde über diesen Spionage-Unsinn so viel gesprochen, das hat sogar von dem, was auf der Strecke passiert ist, abgelenkt", so Ecclestone weiter. "Ich mag das nicht".

Dass McLaren-Mercedes bestraft wird, nur weil die Formel 1 durch den Vorfall in ein schlechtes Licht gerückt wurde, glaubt Ecclestone nicht: "Sie muss nur etwas tun, wenn etwas passiert ist, das nicht hätte passieren sollen - so einfach ist das."

Wie können Teams Spionage verhindern?

Natürlich beschäftigt sich auch die Konkurrenz mit dem Fall, auch wenn man nicht direkt verwickelt ist. Wie können sich Teams überhaupt vor Geheimnisverrat schützen? "Sie können jeden für sich allein arbeiten lassen, was aber wenig produktiv ist", meint BMW Motorsport Direktor Mario Theissen gegenüber der 'Welt online'. "Das beste Mittel gegen das Kopieren ist, schneller zu entwickeln als die Konkurrenz. Denn selbst wenn Informationen entwendet werden, braucht es Zeit, sie umzusetzen."

"Mein Verständnis ist klar: Sollte jemand dafür verantwortlich gemacht werden, dass sein Mitarbeiter für sich fremde Konstruktionspläne annimmt, muss auch derjenige verantwortlich gemacht werden, dessen Mitarbeiter die Dokumente für sich entwendet hat", meint Mercedes-Motorsport-Direktor Norbert Haug. "Lass den Safe nicht offen, wenn du nicht bestohlen werden willst."

Warum wird Honda nicht befragt?

"Die Frage, die ich mir stelle, ist: Coughlan wollte weg von McLaren", fragt sich Surer. "Also wieso sollte er den McLaren schneller machen, wenn er sowieso weg will?" Und der Schweizer "wundert sich", dass nicht auch Honda in die Untersuchungen mit einbezogen ist, schließlich führte Honda-Teamchef Nick Fry mit Coughlan und Stepney Bewerbungsgespräche - theoretisch hätten hier auch Informationen fließen können.

CD-ROMs als perfekte Spionage-"Waffen"

"Ich bin jetzt seit 31 Jahren in der Formel 1", so Renault-Chefingenieur Pat Symonds. "Am Anfang war es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass Leute mit Skizzen von anderen Teams zu einem kommen. Diese Skizzen waren interessant. Heute wäre es mit so vielen Leuten in den Teams und so hoch entwickelter Technologie eigentlich einfacher, etwas zu stehlen, wenn man das wollte, weil man nicht mehr mit einer Tasche voller Skizzen aus der Fabrik marschieren muss, sondern weil eine CD-ROM schon unglaubliche viele Skizzen enthalten kann."

"Trotzdem kommt es viel seltener vor", so der Brite weiter. "Das liegt einerseits an der IT, durch die wir genau verfolgen können, was die Ingenieure wann machen und warum. Noch mehr ist es aber eine philosophische Sache, denn wenn jetzt jemand zu uns kommen und uns für einen Job Informationen eines anderen Teams anbieten würde, würden wir ja genau wissen, was das für eine Person ist. Vielleicht arbeitet diese Person ein paar Jahre bei uns und macht dann genau das Gleiche. Solche Leute wollen wir nicht einstellen."

Informations-Spionage ist Diebstahl

"Vor dieser Sache sind ja auch schon Spionagegeschichten vor Gericht gegangen, was die Leute darauf aufmerksam gemacht hat, dass das Diebstahl ist. Geistiges Eigentum hat einen Wert, genauso wie das Teil eines Autos. So etwas ist nicht akzeptabel", beteuert der Renault-Mitarbeiter. "Natürlich ist es interessant, wenn dir wer eine Skizze eines Siegerautos zeigt, aber es bringt dir unterm Strich nicht viel. Die ganze Philosophie muss stimmig sein, daher ist das eigentlich Entscheidende das Gehirn hinter diesen Skizzen."

Ein gewisses Maß an Spionage wird geduldet und ist normal

"Als ich in der Automobilindustrie gearbeitet habe, sind die Leute losgezogen, haben Autos der Konkurrenz gekauft und diese zerlegt. Das ist heute immer noch so. Wenn wir wollten, könnten wir anhand von Fotos 3D-Modelle von Flügeln und so weiter erstellen. Es ist nicht einfach, wo man die Grenze zieht."

"Jedes Team macht Fotos von anderen Autos, jedes Team analysiert Videoaufnahmen auf verschiedenen Streckenpassagen. Auf dem Grid stehen wir auch bei den anderen Autos, um sie genau anzuschauen. Wenn du in einer Fabrik rein marschierst und Dinge entwendest, dann überschreitest du definitiv die Grenze."

"Ich glaube nicht, dass Leute normalerweise bei Teams auftauchen und dabei einen Haufen Skizzen dabei haben, sagen: Wenn ihr mir so und so viel Geld gebt, könnt ihr die haben", ergänzt Renault-Chefingenieur Alan Permane. "Jeder fotografiert die Autos der anderen Teams und probiert die Ideen im Windkanal aus. Man sieht die Autos ja am Grid und in der Boxengasse. Das ist völlig legitim. Aber es ist eine ganz andere Geschichte, Skizzen zu kopieren und Informationen zu stehlen."

Strenges Reglement als Spionage-Katalysator?

"Die Regeln sind heute so eng gestrickt, dass die Chance recht hoch ist, dass ein Teil auf deinem Auto funktioniert, wenn es auf einem anderen funktioniert. Die Auspuffkamine haben ja zum Beispiel inzwischen alle, alle haben ein zweites Luftleitblech auf dem Frontflügel. Das hat ein Team eingeführt und die anderen haben nachgezogen. Das war schon immer so und es ist legitim."

Die Entscheidung wird noch heute erwartet

Entscheiden über das Schicksal von McLaren-Mercedes wird heute der FIA Weltmotorsportrat in Paris. FIA-Präsident Max Mosley wird eine Eröffnungsrede halten, dann kommen die Rechtsanwälte von McLaren-Mercedes und Ferrari zu Wort. Vertreter anderer Formel-1-Teams könnten als Beobachter vor Ort sein.

Die Mitglieder des Weltmotorsportrats - darunter auch der ADAC - werden sich anschließend hinter verschlossenen Türen beraten. Am späten Nachmittag will die FIA die Entscheidung bekannt geben.

Die Chronologie der Spionageaffäre:

Ende Oktober 2006:
Stepney erklärt nach dem Saisonfinale in Brasilien, dass er definitiv weiterhin bei Ferrari bleiben möchte. Man habe sich bereits über seine neue Position innerhalb des Teams unterhalten. Insgeheim spekuliert der Chefmechaniker mit der Nachfolge von Ross Brawn als Chefstratege am Kommandostand - und teilt dem Team auch mit, dass er ansonsten nicht mehr in Maranello bleiben möchte.

Ende Januar 2007:
Stepney gibt dem britischen Fachmagazin 'Autosport' ein aufsehenerregendes Interview, nachdem ihm von Ferrari mitgeteilt wurde, dass er doch nicht Brawns Nachfolge antreten darf. Der Brite erklärt, er sei enttäuscht von der Teamführung, werde 2007 eine Auszeit nehmen und sich dann einen neuen Arbeitgeber suchen.

23. Februar 2007:
Ferrari - nach dem Verdauen des ersten Ärgers über das 'Autosport'-Interview, über das Stepney die Presseabteilung des Teams nicht informiert hatte, wie es sonst in der Formel 1 Usus ist - versöhnt sich mit Stepney und schafft für ihn eine neue Position innerhalb des Teams, nämlich die des Leistungsentwicklungschefs. Vorteil: Weniger Präsenz bei den Rennen und damit weniger Reisestress.

30. April 2007:
Stepney, offenbar immer noch frustriert, und Coughlan treffen sich am Rande der Testfahrten in Barcelona.

Anfang Mai 2007:
Stepney schickt dem McLaren-Chefdesigner via Kurierdienst ein 780 Seiten starkes Dossier in Form von zwei CD-Roms mit Informationen und Skizzen über den F2007, das Setup, die Rennstrategie, die Organisation in Maranello und vieles mehr.

Mai 2007:
Stepney gibt Gerüchten zufolge geheime Handynummern von Ferrari-Kollegen an einen Honda-Headhunter weiter.

21. Mai 2007:
Sechs Tage vor dem Grand Prix von Monaco wird in den Ferrari-Tanks ein halbes Kilogramm von einem mysteriösen weißes Pulver, wahrscheinlich Düngemittel, gefunden. Verdacht: Sabotage!

Ende Mai 2007:
Coughlan, der vom Chefdesigner zum Technischen Direktor befördert werden möchte, zeigt McLarens Jonathan Neale die von Stepney erhaltenen Geheimdokumente. Neale rät seinem Kollegen, diese umgehend zu vernichten, was Coughlan aber unterlässt.

Anfang Juni 2007:
Stepney und Coughlan treffen sich am Londoner Flughafen Heathrow mit Honda-Teamchef Nick Fry - in der Hoffnung auf einen Job bei den Japanern. Fry lehnt jedoch ab. Die Ferrari-Dokumente sollen dabei laut Honda-Aussage nicht im Spiel gewesen sein.

Mitte Juni 2007:
Coughlans Ehefrau Trudy kopiert die Ferrari-Dokumente in einem Copyshop in der Nähe der McLaren-Fabrik in Woking. Der Verkäufer wird wegen der Geheimvermerke und wegen des Ferrari-Logos stutzig. Auf diese Weise erfährt Ferrari erstmals von der Spionageachse zwischen Stepney und Coughlan.

18. Juni 2007:
Ferrari erstattet bei der Staatsanwaltschaft in Modena Anzeige gegen Stepney.

22. Juni 2007
Stepneys Haus in Serramazzoni wird von den italienischen Behörden durchsucht. Dabei wird belastendes Material sichergestellt - unbestätigten Gerüchten zufolge auch einige Ferrari-Lenkräder, die er eigentlich nicht hätte aufbewahren dürfen.

23. Juni 2007:
Stepney lässt aus dem Urlaub auf den Philippinen verkünden, er sei sich keiner Schuld bewusst: "Das ist eine Verleumdungskampagne!"

3. Juli 2007:
Ferrari entlässt den bisher nur beurlaubten Stepney. Fast gleichzeitig erklärt McLaren via Presseaussendung, man habe davon erfahren, dass ein "hochrangiger Mitarbeiter des technischen Stabs" Ferrari-Informationen erhalten hat. Dieser wird sofort beurlaubt. Wenig später stellt sich heraus, dass damit Coughlan gemeint ist, bei dem daraufhin ebenfalls eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird. Dabei werden belastende Unterlagen und Computerdaten auf zwei CD-Roms sichergestellt. McLaren erklärt "volle Kooperationsbereitschaft" mit den Ermittlern, der FIA und Ferrari und betont, Coughlan habe auf eigene Faust gehandelt.

4. Juli 2007:
Bei Stepney, der inzwischen aus dem Urlaub zurückgekehrt ist und von den italienischen Behörden drei Stunden lang vernommen wird, wird eine zweite Hausdurchsuchung durchgeführt. Wieder stellen die Behörden belastendes Material sicher, diesmal Dokumentenordner und Computerdaten. Am Nachmittag erklärt McLaren-Teamchef Ron Dennis bei der Einweihung seines neuen Motorhomes in Silverstone, den Tränen nahe: "Meine Integrität ist mir wichtig - und die des Teams noch wichtiger!" Es habe sich nie geistiges Ferrari-Eigentum auf einem Silberpfeil befunden.

5. Juli 2007:
Stepney lässt via 'ANSA' ausrichten, er sei "überrascht" über die Anschuldigungen gegen ihn, pocht weiterhin auf seine Unschuld.

6. Juli 2007:
Honda teilt in einer Pressemitteilung mit, dass Stepney und Coughlan für ein Bewerbungsgespräch auf das Team zugegangen sind. Informationen seien jedoch in keiner Weise geflossen oder angeboten worden.

7. Juli 2007:
Nach einem Meeting aller Teamchefs am Rande des Rennwochenendes in Silverstone treffen sich Jean Todt (Ferrari), Ron Dennis (McLaren) und Fry um ihre Informationen auszutauschen. Sie versichern sich gegenseitig volle Kooperationsbereitschaft. Todt stellt dabei gegenüber Dennis klar, dass er keine Zweifel an der Integrität von McLaren habe.

8. Juli 2007
Stepney bringt via 'Times' seine Sicht der Dinge an die Öffentlichkeit. Er beteuert neuerlich seine Unschuld, behauptet unter anderem, Ferrari habe ihm brisante Dokumente untergejubelt. Außerdem sei er sogar einmal verfolgt und bedroht worden. Todt kann über diese Gegenvorwürfe nur lachen: "Die Situation ist leider ganz eindeutig."

10. Juli 2007:
Vor dem Obersten Gericht in London findet in Saal 59 die erste Anhörung zur Spionageaffäre statt. Diese wird jedoch schon nach wenigen Aussagen von Richter John Briggs auf den 11. Juli vertagt, weil Coughlan, der durch Rechtsanwalt Martin Palmer vertreten wird und in der letzten Reihe sitzt, sich erst über den Stand eines möglichen Verfahrens in Italien beraten lassen möchte, bevor er eine eidesstaatliche Erklärung abgibt. Ferrari wird in London übrigens durch Rechtsanwalt Nigel Tozzi repräsentiert, der am ersten Verhandlungstag unter anderem erreicht, dass Coughlan einen Teil der Kosten der bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung (umgerechnet rund 74.000 Euro) selbst übernehmen muss. Um das Verfahren in Italien kümmert sich Staatsanwalt Giuseppe Tibis, Stepney wird in Modena durch seine Rechtsanwältin Barbara Pini vertreten. Allerdings wird Ferrari vom Richter klargemacht, dass keinerlei Informationen des Londoner Verfahrens für strafrechtliche Prozesse in einem anderen Land verwendet werden dürfen.

11. Juli 2007:
Die erwartete eidestattliche Erklärung von Coughlan vor dem Obersten Gericht in London fällt aus, weil sich der Brite am Vorabend außergerichtlich mit Ferrari darauf geeinigt hat, dem Team aus Maranello gemeinsam mit Ehefrau Trudy unter Eid all seine relevanten Informationen in der Spionageaffäre offen zu legen. Ferrari verzichtet im Gegenzug auf eine Anzeige in Italien. Gleichzeitig berichtet die Staatsanwaltschaft von Modena, die gegen Stepney ermittelt, nach einer weiteren Hausdurchsuchung, bei der ein Computer beschlagnahmt wird, von "guten Fortschritten" in den Ermittlungen um das mysteriöse weiße Pulver in den Ferrari-Tanks. Die Schlinge um Stepney wird immer enger.

12. Juli 2007:
Die FIA kündigt für den 26. Juli eine Anhörung von Vertretern von McLaren-Mercedes und Ferrari vor dem World Council in Paris an. Es habe Verstöße gegen Artikel 151c des International Sporting Codes gegeben, die man aufklären müsse. Durch die Intervention des Automobilweltverbandes stehen plötzlich auch mögliche Konsequenzen für die Silberpfeile im Raum - bis hin zum Ausschluss aus der Weltmeisterschaft.

14. Juli 2007:
Erste Details von Coughlans vereidigter Erklärung dringen über eine italienische Zeitung an die Öffentlichkeit. Der Brite behauptet, bei McLaren hätten nicht nur Neale, sondern auch andere hochrangige Mitarbeiter von den Ferrari-Dokumenten gewusst, ihm sei aber von allen geraten worden, diese zu vernichten.

16. Juli 2007:
Stepney kündigt an, rechtliche Schritte gegen Ferrari einzuleiten, falls sich sein Verdacht bestätigen sollte, dass er vom Team beschattet und sogar im Auto verfolgt wurde. Gleichzeitig zeigt sich McLaren-Mercedes in einer Aussendung "besorgt" über Medienberichte, wonach Mitarbeiter des Teams über Coughlans Aktivitäten Bescheid gewusst haben sollen. Man habe erst am 3. Juli 2007 von der Angelegenheit erfahren und es habe sich nie geistiges Ferrari-Eigentum im Besitz von anderen McLaren-Mercedes-Mitarbeitern als Coughlan befunden.

18. Juli 2007:
Stepney kündigt über seine Rechtsanwältin an, dass er selbst Verdächtige nennen werde, die die Dokumente an Coughlan übergeben haben soll. Zudem habe er Beweise, die seine Unschuld erklären. Diese möchte er Jean Todt bei einem persönlichen Treffen vorlegen.

20. Juli 2007:
McLaren-Mercedes übermittelt vor der Anhörung ein Dossier an die FIA.

25. Juli 2007:
Laut 'Telegraph' hat Ferrari den früheren Londoner Polizei-Kommissar Lord Stevens aus Kirkwhelpington verpflichtet, der untersuchen soll, wie Ferrari-Interna an Coughlan gelangen konnten.

26. Juli 2007:
Die Sondersitzung des Weltmotorsportrats der FIA findet in Paris statt.