• 09.10.2013 21:11

Suzuka aus Motorensicht: Alles trifft zusammen

Die japanische Grand-Prix-Piste von Suzuka fordert von den Motoren eine gute Fahrbarkeit und Spitzenleistung zugleich

(Motorsport-Total.com) - Im Endspurt der Formel 1-Weltmeisterschaft treten die Vollgasartisten nur eine Woche nach dem Südkorea-Grand-Prix nun in Japan an. Zahlreiche Fahrer bezeichnen Suzuka als ihre Lieblingsstrecke, denn sie ist fahrerisch die vielleicht komplexeste des ganzen Jahres. Der Kurs hält praktisch jeden Typ Kurve bereit. Eine perfekte Runde zusammenzubekommen, ist besonders schwierig, weil die Piloten jede einzelne Passage optimal erwischen und immer genau das Limit treffen müssen.

Titel-Bild zur News: Suzuka

Der Grand Prix von Japan in Suzuka wird alljährlich mit Spannung erwartet Zoom

Die "Esses" (Kurven drei bis sieben) sind eine Kombination aus mehreren schnellen S-Kurven, die direkt ineinander übergehen und rasante Richtungswechsel bei sehr hoher Geschwindigkeit mit sich bringen. So lenken die Fahrer mit gut 245 km/h in Kurve drei ein und nehmen dieses Tempo für die folgenden gut 15 Sekunden im vierten oder fünften Gang bis zum Ende dieser Passage mit.

Eine der bekanntesten Stellen des Suzuka International Racing Course ist die Spoon-Kurve. Am Eingang (Kurve 13) schalten die Fahrer einen Gang herunter, die aktuellen Formel-1-Boliden durchfahren diese scheinbar endlose Kehre mit rund 180 km/h. Auf dem darauffolgenden kurzen Zwischenstück folgt ein kurzer Spurt bis zur nächsten Links (Kurve 14). Hier liegt die Kurveneingangsgeschwindigkeit bei rund 140 km/h.

In der Spoon-Passage muss der Fahrer einen guten Rhythmus finden. Ein zu aggressiver Fahrstil führt gleich in zweifacher Hinsicht zum Zeitverlust. Denn der nötige Speed fehlt nicht nur in Kurve 14, sondern auch auf der daran anschließenden langen Geraden, die zur berühmten 130R-Kurve (Kurve 15) führt. Umgekehrt bringt eine zu defensive Fahrweise ebenfalls einen großen Zeitverlust mit sich.

Die imposante 130R-Linkskurve durcheilen die Formel-1-Boliden mit voll geöffneten Drosselklappen. Entsprechend groß sind die G-Kräfte, die auf Fahrer und Auto wirken. Die Vollgas-Passage zieht sich über 1.250 Meter vom Ausgang der Kurve 14 bis hin zur Schikane, die auf die Start-Ziel-Gerade führt. Hier erreichen die Boliden bis zu 310 km/h. Vor der letzten Rechts-Links-Kurvenkombination, die auf Start und Ziel führt, bremsen die Piloten aus hoher Geschwindigkeit auf weniger als 100 km/h herunter.

Fahrbarkeit und Ansprechverhalten entscheidend

Aufgrund des abwechslungsreichen Layouts müssen die Motoren praktisch in allen Drehzahlbereichen maximale Leistung liefern, ohne dabei die Fahrbarkeit und das Ansprechverhalten negativ zu beeinflussen. Eine weitere Herausforderung: Die beispielsweise in den "Esses" auftretenden hohen Fliehkräfte werfen Öl und Kraftstoff in ihren Tanks hin und her und setzen die beweglichen Teile des Motors zusätzlichen Seitenkräften aus.

"Das Wechselspiel von fließenden Richtungswechseln, langgezogenen Kurven, Highspeed-Ecken und engen Haarnadeln in Suzuka fordert den Formel-1-Triebwerken alles ab Hier gibt es praktische jede Art von Kurve. Damit ist diese Strecke so etwas wie der 'perfekte Sturm'. Alles, was vorstellbar ist, trifft hier zusammen", sagt Remi Taffin von Renault.

Die meisten Kurven ballen sich in der ersten Hälfte der Runde von der Startkurve bis zur Spoon-Kurve. "Wir stimmen den Motor so ab, dass er in jedem Drehzahlbereich sanft anspricht und angenehm fahrbar bleibt, gleichzeitig aber dem Fahrer das volle Drehmoment zur Verfügung stellt, wenn er es benötigt. Um das zu erreichen, arbeiten unsere Motoren-Ingenieure beispielsweise am Übergang von vier auf acht genutzte Zylinder. Entscheidend ist dabei, dass der Kraftstoff exakt zu jenem Zeitpunkt eingespritzt wird, in dem der Fahrer die volle Kraft benötigt. Wenn das Einsetzen des Drehmoments optimal getimed wird, hilft es den Fahrern, beim Beschleunigen trotz geringem Grip ein Durchdrehen der Räder zu vermeiden", erklärt Taffin.

In der zweiten Hälfte der Runde - vom Ausgang der Spoon-Kurve bis zum Ende der Zielgeraden - zählt vor allem die Spitzenleistung. "Hier stehen die Fahrer rund 90 Prozent der Zeit voll auf dem Gas", weiß Taffin und meint: "Natürlich befassen wir uns auch intensiv mit der Getriebeabstufung. Dabei suchen wir nach der goldenen Mitte zwischen hoher Endgeschwindigkeit im zweiten und spontaner Beschleunigung im kurvigen ersten Teil der Strecke."

"Das oft wechselhafte Wetter in Suzuka erschwert diese Aufgabe: Manchmal dreht die Windrichtung von einem Tag auf den anderen um 180 Grad. Das ändert natürlich die Voraussetzungen für die Wahl der Getriebeübersetzungen. Bei Rückenwind und zu kurzer Übersetzung besteht die Gefahr, zu lange im Drehzahlbegrenzer zu fahren. Gegenwind und ein zu langer siebter Gang kosten dagegen Top-Speed. Beide Effekte möchten wir vermeiden, denn beides macht ein Auto auf der Geraden zur leichten Beute der Verfolger", so der Franzose.

"Ich glaube, jeder im Formel-1-Fahrerlager freut sich auf Suzuka. Für Motoren-Ingenieure ist diese Strecke eine ebenso großartige Herausforderung wie für die Fahrer", sagt Taffin und stellt heraus, dass das Kribbeln bei Renault besonders groß ist: "Vor einer Woche haben wir alle drei Podestplätze eingefahren und an diesem Rennwochenende kann sich Sebastian Vettel theoretisch schon den Fahrertitel sichern. Die Voraussetzungen stehen nicht schlecht. Renault ist bei diesem Rennen traditionell stark. Wir möchten auf jeden Fall ein weiteres Topresultat mitbringen."