• 09.07.2009 12:32

  • von Adrian Sutil

Sutil-Kolumne: Vom Trampolin an den Nürburgring

Vor seinem Heimrennen erzählt Adrian Sutil, wie er mit gerissenem Kreuzband seinen Manager überzeugt hat, und er schreibt über den Nürburgring

Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Konzentriert: Auf mein Heimrennen freue ich mich natürlich ganz besonders

seit ich mich das letzte Mal bei euch gemeldet habe, hat sich einiges getan. Vor allem lief es sportlich bei uns gar nicht so schlecht. Zwar hat es immer noch nicht zum ersten WM-Punkt in dieser Saison gereicht, aber die Performance war vor drei Wochen in Silverstone ermutigend. Ich war im Qualifying auf einer sehr guten Runde, die mich bestimmt auf Platz elf oder zwölf gebracht hätte - das wäre die beste Startposition des Jahres geworden! Aber nach dem Bremsdefekt war dann leider alles vorbei und das ganze Wochenende gelaufen.

Wir sind am Freitag im Verhältnis immer ein bisschen weiter vorne als im Qualifying, aber so weit vorne wie in Silverstone waren wir an einem Freitag noch nie. Daran konnte man deutlich erkennen, dass unser Auto besser geworden ist. Wir hatten für Silverstone ein großes Update am Auto. Davor gab es nicht viele neue Teile, aber so ist eben unsere Entwicklungsphilosophie: Wir bringen nicht zu jedem Rennen was, dafür aber alle drei, vier Rennen ein größeres Update. Jetzt geht es zunächst wieder ohne Updates weiter.#w1#

Ich verbinde viele schöne Erinnerungen mit dem Nürburgring, aber besonders erzählenswert ist die Geschichte, wie ich zu meinem heutigen Manager Manfred Zimmermann gekommen bin. Ich habe Manfred durch eine Freundin der Familie kennen gelernt. Sie meinte, sie kennt da jemanden, der mir eventuell helfen könnte. Also habe ich mal angefragt. Er hat mich gleich nach Hause geschickt und mir gesagt: 'Lerne lieber was Anständiges!' Das ging bei mir bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus. Seine Aussage hat mich schon ein bisschen schockiert, aber im Grunde genommen war es mir egal - ich hatte meinen eigenen Kopf.

Extremer Moment auf dem Trampolin

Adrian Sutil

Meinen Manager Manfred Zimmermann habe ich am Nürburgring überzeugt Zoom

Ich rief ihn dann wöchentlich an und gab ihm meine Resultate von den Formel-Ford-Rennen durch. Irgendwann sagte er dann: 'Okay, ich gebe dir eine Chance - am Nürburgring im Formel Renault!' Und ich dachte: 'Jetzt zeigst du, was du drauf hast!' Doch es kam etwas dazwischen: Ich bin damals viel Trampolin gesprungen, war da auch ziemlich gut. Wie es der Zufall so will, gehe ich drei Tage vor dem Test auf das Trampolin, springe und reiße mir das Kreuzband! Ich lag auf dem Trampolin und dachte nur: 'Nein, das darf nicht wahr sein!' Das war ein sehr extremer Moment für mich.

Dann dachte ich mir aber, dass ich das einfach trotzdem durchziehe. Ich fuhr mit einer Schiene zum Nürburgring hoch und dachte mir, dass ich am besten den Mund halten sollte, damit sie mir nicht verbieten, den Test zu bestreiten. Also quetschte ich mich ins Auto rein, was gerade so ging, denn die Cockpitwände waren mit der Schiene ziemlich eng. Aber der Test ist dann sehr gut verlaufen: Ich fuhr super Rundenzeiten und war gleich am ersten Tag auf dem gleichen Niveau wie der amtierende Deutsche Meister. Das Team war begeistert.

Am Ende des Tages stieg ich aus dem Wagen aus, was mit dem verletzten Kreuzband natürlich etwas länger dauerte. Manfred stand neben mir und fragte mich: 'Hast du da irgendwas?' Also musste ich es ihm erzählen. Er stand sprachlos da und meinte: 'Warum sagst du mir das nicht?' Es hätte auch komplett in die Hose gehen können, aber die Geschichte hat ihn so überzeugt, dass er von dem Tag an voll hinter mir stand. Ich glaube, dieser Unfall hat das Ganze in die richtige Richtung gepusht, weil Manfred gesehen hat: 'Der Junge hat den Willen, der notwendig ist!'

2003: Das erste Eifelrennen

Adrian Sutil

Erstes Rennen, erstes Podium: 2003 fuhr ich mit der Formel BMW in der Eifel Zoom

Mein erstes Rennen auf dem Nürburgring war 2003 in der Formel BMW - damals schon im Rahmen der Formel 1. Der Nürburgring ist einfach eine tolle Strecke! Die ganze Atmosphäre ist etwas Besonderes und ich fühle mich dort sehr wohl. An meine Rennen in der Formel BMW erinnere ich mich ehrlich gesagt nicht mehr ganz genau, aber ich denke, es ist damals halbwegs normal gelaufen. Wenn ich mich nicht irre, hat es geregnet. Hängen geblieben ist dafür etwas anderes.

Für mich war das nämlich das erste Mal, dass ich Formel-1-Autos in Action gesehen habe. Ich stand am Zaun bei der NGK-Schikane und sah die Autos anfliegen. Da dachte ich mir insgeheim: 'Willst du das wirklich mal machen, traust du dir das wirklich zu?' Es war schon beeindruckend, wie schnell die waren. In dem Moment war der Traum von der Formel 1 noch sehr weit weg, aber es war das erste Mal, dass ich mir innerlich gesagt habe: 'Okay, jetzt tust du wirklich absolut alles, um eines Tages dorthin zu kommen!'

Ich freue mich jetzt schon auf das kommende Rennwochenende. Beim Heimrennen haben wir ein paar Gäste mehr da als sonst und es gibt etwas mehr Interviewanfragen, aber wir versuchen eigentlich, das im überschaubaren Rahmen zu halten, damit ich mich auf das Rennfahren konzentrieren kann. Von meiner Familie werden diesmal auch meine Mutter und mein 30-jähriger Bruder kommen. Meine Mutter verreist nicht so gerne, deswegen sieht man sie sonst nicht bei den Rennen.

Die Tücken des Nürburgrings

Adrian Sutil

2006 nahm ich am Nürburgring zum ersten Mal an einem F1-Training teil Zoom

Fahrerisch anspruchsvoll sind auf dem Nürburgring vor allem die Bit-Kurven, also die Passage zwischen Dunlop-Kehre und der Hatzenbach-Gerade. Dort kann man auch viel Zeit gutmachen, wenn man die Strecke gut kennt, weil jede Kurve ein bisschen wie eine Steilkurve ist, einen leichten Winkel hat. Da verhält sich das Auto jedes Mal ein bisschen anders. Aber ich würde den Nürburgring nicht als ganz außergewöhnlichen Mutkurs bezeichnen. Es ist eine schöne Strecke, aber nicht zu vergleichen mit Spa.

Zur ganzen Tradition, über die so viel geschrieben wird, kann ich nur sagen: Man spürt das schon. Diese besondere Atmosphäre liegt immer in der Luft - besonders auf der Nordschleife, auf dieser historischen Strecke. Ich bin die Nordschleife schon ein paar Mal gefahren, zuletzt mit meinem Porsche Techart. Das hat schon richtig Spaß gemacht! Die Nordschleife macht den Nürburgring aus und auch das Drumherum ist toll, denn jedes Lokal ist komplett auf Motorsport eingerichtet. Dem kann man gar nicht entkommen.

Was das Wetter angeht, das in der Eifel immer wechseln kann, sieht es momentan trocken aus. Ich würde mir natürlich Regen wünschen - wenn auch nicht so viel wie vor zwei Jahren, als es wirklich monsunartig war -, aber wir haben auch im Trockenen gute Chancen. Das Update für Silverstone kam sehr spät und wir hatten nur begrenzt Teile, aber seither haben wir das alles weiter optimiert, damit wir alles herausholen können. Das zweite Qualifying sollte drin sein - und dann auch ein dementsprechend gutes Rennen. Ich hoffe, ihr drückt mir die Daumen!

Euer

Adrian Sutil