• 21.07.2010 10:29

  • von Stefan Ziegler

Sutil: Der Rennsonntag aus der Sicht des Fahrers

Ein Grand Prix besteht aus mehr als nur 90 Minuten Autofahren: Force-India-Pilot Adrian Sutil beschreibt seinen Tagesablauf am Rennsonntag

(Motorsport-Total.com) - Während die Zuschauer vor den Fernsehgeräten erst kurz vor 14 Uhr auf Empfang schalten müssen, beschäftigen sich die Fahrer der Formel 1 bereits den gesamten Vormittag über mit ihrem bevorstehenden Renneinsatz. Force-India-Pilot Adrian Sutil gibt einen Einblick in die Stunden vor einem Grand Prix und die vielen Aufgaben, die ein Fahrer bis zur ersten Kurve zu bewältigen hat.

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Auf dem Weg in die Startaufstellung: Für Adrian Sutil beginnt nun die "heiße Phase"

"Am Sonntag stehe ich etwa um acht Uhr früh auf und begebe mich um halb zehn Uhr an die Strecke", erklärt der Deutsche und beginnt seine Schilderung der Ereignisse am Rennsonntag: "Du versuchst einfach, den Tag ganz gemächlich beginnen zu lassen - entspannt und ohne Stress. Um zehn Uhr bereite ich mich gemeinsam mit meinem Trainer und meinem Physiotherapeuten vor."#w1#


Fotos: Adrian Sutil, Großer Preis von Großbritannien


"Auf einer Strecke wie Silverstone muss vor allem dein Nacken sehr viel aushalten. Die g-Kräfte sind dort sehr hoch und das spürst du in den letzten Rennrunden", so Sutil. "Um 11:20 Uhr steht dann unser Briefing auf dem Programm. Danach passiert alles recht schnell. Erst nehmen wir ein kleines Mittagessen zu uns, anschließend sind wir Piloten bei der Fahrerparade", hält der 27-Jährige fest.

Um 13:15 Uhr beginnt der Renneinsatz

"Ist diese beendet, haben wir noch 20 Minuten Zeit, um noch einmal etwas zu entspannen und Musik zu hören. Da hast du als Fahrer halt etwas Zeit für dich, beginnst aber schon, dich zu konzentrieren", erläutert der langjährige Formel-1-Pilot. Dann wird es ernst für Sutil: "Um 13:15 Uhr sitzt du schließlich im Auto und es passt alles, denn sobald der Motor angelassen wird, fühlst du dich richtig wohl."

"Wenn du aus der Boxengasse herausfährst, hast du verschiedene Aufgaben zu erfüllen." Adrian Sutil

"Wenn du aus der Boxengasse herausfährst, hast du verschiedene Aufgaben zu erfüllen: Du machst vielleicht noch einmal einen Probestart und bereitest die Kupplung vor. Man hat es mit einer recht umfangreichen Checkliste zu tun, die man erst einmal auswendig lernen muss. Es gibt halt so viele Dinge, die du bei deiner Fahrt in die Startaufstellung beachten musst", erläutert der Deutsche.

"Du solltest zum Beispiel den Motor kühlen, darfst aber nicht zu langsam fahren. Irgendwann geht das in Routine über, doch ich lese mir das alles immer wieder durch, weil du dir deiner Sache wirklich zu einhundert Prozent sicher sein musst", gibt Sutil zu Protokoll. Gleiches gilt auch für die persönliche Einstimmung auf das bevorstehende Rennen: "Da hat jeder Fahrer seine bestimmten Abläufe."

Sutil: Der rechte Schuh zuerst...

"Bei mir beginnt die eigentliche Vorbereitung damit, dass ich meine Rennausrüstung anlege. Ich habe da eine Marotte: Ich beende das Wochenende mit dem Paar Schuhe, mit dem ich den Event begonnen habe. Genau gleich verhält es sich mit meinen Handschuhen", gesteht der Force-India-Fahrer und fügt hinzu: "Alles andere würde für mich schlichtweg ein böses Omen bedeuten."

Adrian Sutil

Unmittelbar vor dem Rennen bespricht sich Adrian Sutil noch mit seinen Ingenieuren Zoom

"Ich ziehe meinen rechten Schuh zuerst an und auch den rechten Handschuh. Das verschafft dir ein gutes Gefühl, denn du weißt: Alles ist so, wie es sein sollte", meint Sutil. Dieser Ablauf wiederholt sich noch einmal unmittelbar vor dem Grand Prix, denn "in der Startaufstellung stehst du den Medien zunächst noch einmal für fünf bis zehn Minuten zur Verfügung", wie Sutil zu erklären weiß.

"Eine Viertelstunde vor dem Rennstart steigst du dann ein. Ich bin da immer recht früh dran, weil sehr viele Leute in der Startaufstellung herumwuseln. Das kostet Kraft und deshalb sitze ich lieber möglichst bald ins Auto, denn dort habe ich meine Ruhe und kann mich konzentrieren", so Sutil. "Man checkt dies und das, wartet aber meist einfach nur und behält die Ampeln im Auge."¿pbvin|512|2941|inside|0|1pb¿

Letzte Checks in der Aufwärmrunde

"Je mehr Minuten verrinnen, umso mehr steigt dein Puls an. Dann setzt du dich schließlich zur Formationsrunde in Bewegung und die Sache kommt ins Rollen. Unmittelbar vor dem Losfahren in die Aufwärmrunde hoffst du einfach nur auf einen guten Start. Du wünschst dir, dass die Kupplung gut funktioniert. Dabei die perfekten Einstellungen zu erwischen, grenzt allerdings schon an Glück."

"Kommst du schon in der Einführungsrunde gut weg, verschafft dir das viel Zuversicht für den Rennstart." Adrian Sutil

"Dieses Material ist nicht so konstant und manchmal geht eben etwas schief. Kommst du aber schon in der Einführungsrunde gut weg, verschafft dir das viel Zuversicht für den Rennstart. Dein Ingenieur gibt dir dann noch Anweisungen, dies und das zu ändern. Er spricht in dieser einen Runde sehr viel mit mir und erinnert mich daran, die Bremsen aufzuwärmen und die Reifen anzuheizen."

"Der Rennstart ist dann ein sehr aufregender Moment. Du fährst auf deinen Startplatz und alles ist in bester Ordnung. Ich werfe meistens einen Blick in meinen Rückspiegel, um zu sehen, wann die letzten Autos ihren Platz eingenommen haben. Bei der ersten roten Ampel legst du den ersten Gang ein und bringst die Drehzahl nach oben. Dann wartest du einfach nur ab", schildert Sutil diesen Moment.

Sutil vertraut auf den "inneren Radar"

"Diese letzten Sekunden vor dem Start sind ungeheuer spannend. Du bist dir der Bedeutung des Starts bewusst, denn auf den ersten Metern ist es am einfachsten, mehrere Autos zu überholen. Gleichwohl läuft man natürlich auch immer Gefahr, einige Positionen zu verlieren", bringt es Sutil auf den Punkt und ergänzt: "Du fährst einfach los und denkst nicht zu viel darüber nach."

Adrian Sutil

Gegen 13:15 Uhr nimmt Adrian Sutil stets seinen Platz im Force-India-Cockpit ein Zoom

"Du musst deinem 'inneren Radar' vertrauen, weil auf einmal sehr viele Rennwagen um dich herum sind. Manchmal siehst du deinen Nebenmann nicht, spürst ihn aber irgendwie. Du musst deinen Gegnern halt den nötigen Platz lassen. Im Normalfall geht alles glatt und du kommst heil durch, gelegentlich wirst du aber auch in einen Zwischenfall verwickelt", erläutert der 27-Jährige.

Sutil rät im Zweifelsfall zur Vorsicht: "Wenn du einen guten Start hast, solltest du nicht unbedingt versuchen, noch mehr Positionen gutzumachen. Manchmal musst du eben mit den zwei Plätzen zufrieden sein, die du bereits gewonnen hast", hält der deutsche Rennfahrer abschließend fest. Gelegenheit, um diese Theorie in die Praxis umzusetzen, hat Sutil am Wochenende in Hockenheim.