• 25.08.2022 10:32

  • von Jonathan Noble, Übersetzung: Kevin Hermann

Steiner verteidigt Management-Stil und Schumacher-Kritik

Haas-Teamchef Günther Steiner rechtfertigt sich für seine Kritik an Mick Schumacher zu Saisonbeginn und erklärt die Gründe für seinen Führungsstil

(Motorsport-Total.com) - Haas-Formel-1-Teamchef Günther Steiner hat sich eine große Fangemeinde erarbeitet, nachdem er vor allem durch die Netflix-Serie "Drive to Survive" dafür bekannt wurde, die Dinge beim Namen zu nennen.

Titel-Bild zur News: Günther Steiner

Günther Steiner in einer FIA-Pressekonferenz vor der Sommerpause Zoom

Steiner, der seine wahren Gefühlen nie zurückhält, kann manchmal ziemlich brutal sein, wenn es darum geht, Fehler anzusprechen, die ihm, seinem Team und vor allem seinen Fahrern in der Hitze des Gefechts unterlaufen sind.

Das ist Teil seiner Persönlichkeit, und da er weit davon entfernt ist, ein langweiliger Firmenchef zu sein, der nur PR-Sprüche klopft, hat ihn das zu einem gefragten Gesprächspartner im Fahrerlager gemacht.

Ging die Schumacher-Kritik zu weit?

Das soll aber nicht heißen, dass seine Bereitschaft, die Dinge so zu sagen, wie er sie sieht, nicht auch eine Kehrseite hat, denn manchmal tut die Wahrheit im Leben weh.

Wenn man Einzelne in der Öffentlichkeit zu sehr kritisiert, kann das die Moral beeinträchtigen. Wenn man über seine Fahrer schlecht redet, kann man sie nur noch mehr unter Druck setzen, und das genau zu einem Zeitpunkt, an dem sie vielleicht so viel Unterstützung wie möglich brauchen.

Diese Gratwanderung musste Steiner Anfang des Jahres vollziehen, als Mick Schumacher auf der Jagd nach seinen ersten Punkten in der Formel 1 eine Reihe von aufsehenerregenden Unfällen baute.

Steiner: "Gibt hier nichts zu verbergen"

Steiner tat sein Bestes, um den Druck von den Schultern des jungen Deutschen zu nehmen, als von außen Kritik an ihm geübt wurde, aber er scheute sich auch nicht, deutlich zu machen, dass er mit dem Verlauf der Dinge auf der Strecke unzufrieden war.

Einige harte Worte über Schumacher nach seinem Unfall in Monaco haben sicherlich einige Augenbrauen aufgeworfen, da sie möglicherweise zu weit gingen, aber trotz allem ist sich Steiner über eine Sache im Klaren: Es ist besser, die Wahrheit zu sagen, auch wenn es ihn manchmal in Teufels Küche bringt.

"Ich denke, es gibt hier nichts zu verbergen", sagt Steiner im Gespräch mit 'Motorsport.com' über seinen Management-Stil. "Ich gehe lieber mit der Wahrheit um und trage die Konsequenzen, als nicht die ganze Wahrheit zu sagen und mich dann damit auseinandersetzen zu müssen: 'Ich habe dies gesagt, er hat jenes gesagt, was ist nun wahr?'"

"Auf diese Weise ist das, was ich sage, wahr und die Leute glauben mir, weil ich es ihnen sage. Und wir gehen damit um und werden besser. Wenn man ein schlechtes Rennen hat, kann man lernen, es nicht mehr falsch zu machen. So ist es auch hier."

Warum Steiner Schumacher so hart kritisierte

Steiner ist sich darüber im Klaren, dass harte Worte von den betroffenen Personen gelesen und Gefühle verletzt werden können, aber er betont, dass er nie die Absicht hat, irgendjemanden in seinem Team absichtlich zu verärgern.

"Natürlich ist es immer schwierig, niemanden zu verletzen, wenn man so etwas tut, und das ist auch mein Ziel. Aber manchmal, wenn ein Fahrer einen Fehler macht, wie zum Beispiel, wenn Mick einen Unfall baut, kann ich nicht sagen: 'Das macht doch nichts. Ich bin ziemlich glücklich darüber.'"

"Nein, ich muss sagen: 'Nein, ich bin nicht glücklich darüber. Wir werden versuchen, darüber hinwegzukommen, und ich muss eine Lösung finden, um das finanzielle Loch zu stopfen.'"

Steiner: "Sage einfach, was ich denke!"

"Aber ich würde nicht sagen: 'Nein, das ist kein Problem.' Denn dann würdet ihr [die Medien] sagen: 'Bist du blöd oder was?' Das ist also meine Einstellung zum Leben im Allgemeinen. Ich sage einfach, was ich denke, und hoffe, dass ich niemanden verletze."

Auch wenn Steiner nicht immer glücklich über einige von Schumachers Zwischenfällen zu Beginn der Saison war, ist er optimistisch, dass sich der Youngster nach seinen guten Ergebnissen bei den Grands Prix von Großbritannien und Österreich nun deutlich verbessert hat.


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Im Hinblick darauf, wie er mit Schumachers Höhen und Tiefen umging, sagt der Haas-Teamchef, dass der Schlüssel für ihn darin lag, sich nicht zu sehr einzumischen und spezifische Fahrertipps zu geben.

Steiner stellt klar: Behandeln beide Fahrer gleich!

Stattdessen ging es darum, Schumacher die Gewissheit zu geben, dass er jede Gelegenheit bekommt, zu zeigen, was er kann. "Ich glaube, es wurde viel Druck von außen auf ihn ausgeübt, und ich weiß nicht, wie er damit umgeht, weil er sein eigenes Ding macht", sagt Steiner.

"Aber ich denke, was ich als Teamchef immer tue und immer tun werde, ist, dass ich ihnen die gleiche Chance gebe wie dem jeweils anderen Fahrern. Und solange man das beibehält, kann man beiden Fahrern in die Augen schauen und sagen: 'Hey, es liegt jetzt an euch, eine Lösung dafür zu finden, denn ich kann das Rennauto nicht fahren. Ich weiß, dass es nicht so läuft, wie ihr es wollt. Aber versuch es weiter, denn du hast die gleiche Chance.'"

"Mit Ausnahme des Upgrades in Ungarn wurde immer alles gleich behandelt, und bei der Strategie war es dasselbe. Also ist das Einzige, was ich versuchen kann, zu stabilisieren, dass er geistig konzentriert bleibt. Die Einmischung von außen kann ich natürlich nicht beeinflussen, weil ich nicht in seinen Kopf eindringen kann."

Steiner trauert verpassten Punkten hinterher

"Als Kevin [Magnussen] ins Team kam, war das natürlich eine andere Welt für [Mick], und er musste sich daran gewöhnen. Aber da kann ich ihm nicht etwas sagen, wie: 'Schau in die Daten, wo du die Zeit verlierst.'"

"Aber ich denke, dass er das überwunden hat. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass es früher gekommen wäre, denn dann hätten wir mehr Punkte, aber Silverstone und Österreich waren zwei gute Rennen für ihn. Ich hoffe also, dass wir jetzt auf diesem Weg sind."

Während Schumacher Steiner in diesem Jahr einige Kopfschmerzen bereitet hat, konnte Magnussen bei seiner Rückkehr in die Formel 1 besonders in den ersten Rennen beeindrucken.

Steiner: "Haben unterschätzt, wie talentiert man sein muss"

Nachdem er sich mühelos in das Team eingefügte, meint Steiner, dass er und Teameigentümer Gene Haas wahrscheinlich den Wert unterschätzt haben, den qualitativ hochwertige, erfahrene Fahrer bei der Erzielung von Ergebnissen haben.

"Das haben wir auch bei [Fernando] Alonso gesehen: Es gibt immer noch ein paar Leute, die diese Autos offensichtlich fahren können", sagt er. "Aber ich glaube, wir haben unterschätzt, wie schwierig es ist und wie talentiert man sein muss."

"Aber es geht nicht nur um die schiere Geschwindigkeit. Es geht darum, in ein Rennen zu gehen, ruhig zu bleiben und es zu Ende zu bringen, also das Beste aus dem herauszuholen, was da ist."

"Manchmal muss man sich einfach mit dem zufriedengeben, was da ist, und nicht versuchen, an diesem Wochenende einem Traum nachzujagen. Also lasst uns etwas mit nach Hause nehmen, anstatt alles zu riskieren", so der Haas-Teamchef.