• 19.05.2006 08:11

Shorrock: "Du musst immer auf den Punkt richtig liegen"

Nick Shorrock, Formel-1-Direktor von Reifenspezialist Michelin, bewertet im Interview die bisherige Saisonleistung und blickt voraus auf Monaco

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Nick, es geht an der Spitze im Moment so eng zu wie seit langem nicht mehr. Liegt das daran, dass Michelin und Bridgestone von der Leistung enger zusammen liegen?"
Nick Shorrock: "Wir haben von vornherein erwartet, dass die Saison 2006 völlig offen werden würde. Mit neuen Regeln für Motoren, Reifen und das Qualifying hat sich einiges geändert, und die augenblickliche Situation ist eine Folge davon. Aber die Leistung eines Teams oder eines Autos lässt sich niemals mit nur einem Faktor erklären. Du kannst nur dann Spitzenleistungen erzielen, wenn das ganze Paket - also Chassis, Motor, Reifen und Fahrer - auf höchstem Niveau arbeitet. Was seit Melbourne passiert ist, kann man nicht nur auf die Leistung der Reifen zurückführen."

Titel-Bild zur News: Nick Shorrock

Nick Shorrock im Gespräch mit einigen seiner Michelin-Reifeningenieure

Frage: "Demnach macht die Arbeit der Teams den Unterschied?"
Shorrock: "Ja. Unsere Rolle besteht darin, unseren Partnern das bestmögliche Produkt zur Verfügung zu stellen. Ab da ist es ihre Aufgabe, ihr Paket optimal auszunutzen."#w1#

Vorauswahl der Reifen dieses Jahr wichtiger als 2005

"Mit zwei fast gleichwertigen Rivalen kann der kleinste Fehler den Ausschlag geben." Nick Shorrock

Frage: "Kann man sagen, dass Michelin und Bridgestone so gleichauf liegen wie seit Jahren nicht?"
Shorrock: "Ja, und das wirkt sich direkt auf unsere Arbeit aus. Wenn du Seriensiege gewohnt und deinen Gegnern klar überlegen bist, fällt den Leuten manchmal gar nicht auf, wenn du einmal Material lieferst, dass nicht optimal zur Strecke passt. In der aktuellen Situation mit zwei fast gleichwertigen Rivalen dagegen kann der kleinste Fehler den Ausschlag geben. Du musst jedes Wochenende auf den Punkt richtig liegen."

Frage: "Am Nürburgring hat Fernando Alonso gesagt, seine Reifen hätten im Rennen etwas abgebaut. Stimmt das?"
Shorrock: "Sagen wir, die Auswahl von Michelin passte nicht hundertprozentig zu den Bedingungen. Im Nachhinein gesehen war unser Reifen sicher etwas zu hart, aber unsere Partner haben diesen Pneu vorher getestet. Sie sind unserer Empfehlung gefolgt und haben grünes Licht für diesen Reifentyp gegeben."

Frage: "In Barcelona lief es dann erheblich besser..."
Shorrock: "Wir haben in Spanien ein neue Produktfamilie eingesetzt - Reifen, die auf Basis der Daten aus Melbourne und Imola konstruiert wurden. Sie unterschieden sich stark von dem, was wir zu Saisonbeginn mitgebracht haben. Ihre Performance lag das ganze Wochenende über etwa auf dem Niveau der Bridgestones. Diese Reifen waren weich - vielleicht sogar einen Hauch zu weich -, aber sie erlaubten eine schnelle Qualifikationsrunde und waren im Rennen dennoch sehr konstant."

Reifen für Monaco dürfen nicht zu weich sein

"Es liegt auf der Hand, dass Monaco eine weiche Gummimischung verlangt und das Qualifying immens wichtig ist." Nick Shorrock

Frage: "Der nächste Kurs in Monaco ist völlig anders als alle anderen Grand-Prix-Strecken. Wie bereitet sich Michelin darauf vor?"
Shorrock: "Wir testen gerade in Le Castellet und Vallelunga, um bestimmte Reifentypen auszuprobieren. Es liegt auf der Hand, dass Monaco eine weiche Gummimischung verlangt und das Qualifying immens wichtig ist. Trotzdem dürfen wir die Konstanz und Haltbarkeit nicht vernachlässigen: Am Ende eines Stints noch Reserven zu besitzen, kann den entscheidenden Vorteil bringen. Der Reifen muss es unseren Partnern erlauben, um die Pole Position zu kämpfen und gleichzeitig auch nach einigen Runden noch dasselbe Niveau zu halten."

"Ich glaube übrigens, dass es sehr interessant wird, das Qualifying zu beobachten. Wegen des neuen K.O.-Formats und der speziellen Charakteristik könnten wir eine ungewöhnliche Startaufstellung sehen."