• 12.03.2004 16:59

Schwarze Kunst für Lenkradzauberer

Reifen sind in der Formel 1 einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren überhaupt - lesen Sie Fakten rund um das "schwarze Gold"

(Motorsport-Total.com) - Nie war das schwarze Gold der Formel 1 so wertvoll wie heute. Die Reifen entscheiden immer öfter über Sieg oder Niederlage. Der Aufwand der Hersteller für Konstruktion und Entwicklung ist gigantisch: Michelin spult als Partner des BMW-Williams-Teams pro Jahr zum Beispiel rund 100.000 Testkilometer ab.

Titel-Bild zur News: Michelin-Reifen

Werden die Michelin-Reifen in Malaysia besser funktionieren?

Als entscheidendes Kriterium für die Performance der Rennwagen rücken die Reifen in der Formel 1 von Jahr zu Jahr stärker in den Blickpunkt. Auch für Frank Williams, dem Teamchef von WilliamsF1, steht vor dem Großen Preis von Malaysia fest: "Die Bedeutung der Pneus für den Erfolg ist fundamental. Sie entscheiden zu 25 Prozent über Sieg oder Niederlage."#w1#

Heißer Mix - scharfe Kontrollen

Bei der schwarzen Kunst kommt es auf die richtige Mixtur an. Mehr als 220 Materialien und Substanzen stecken in einem Rennreifen, darunter bis zu 80 verschiedene Kautschukverbindungen. Stark vereinfacht besteht ein Reifen aus 79 Prozent Gummi, 18 Prozent Stahl und 3 Prozent Textil.

Damit auf der Rennstrecke die Performance stimmt, durchlaufen die Reifen in der Fabrik eine gnadenlose Qualitätskontrolle mit 130 Kontrollpunkten. Weist ein Reifen auch nur geringste Abweichungen auf, landet gleich die ganze Baureihe in der Verbrennungsanlage, zusammen mit jenen Mischungen, die sich bei den Tests nicht bewährt haben. Reifenhersteller Michelin zum Beispiel, der pro Jahr 50.000 Formel-1-Reifen produziert, testete in der Vorbereitung auf die neue Saison 60 verschiedene Reifentypen.

Minimale Haltbarkeit

Für ein Grand-Prix-Wochenende hat jeder Fahrer laut Reglement 10 Sätze Trockenreifen und 7 Sätze Regenreifen zur Verfügung. Während ein Trockenreifen, je nach Gummimischung, zwischen 80 und 200 Kilometer hält, kann mit einem Regenreifen bei entsprechend nassen Wetterbedingungen die gesamte Renndistanz bestritten werden.

Die optimale Betriebstemperatur eines Trockenreifens liegt zwischen 70 und 95 Grad Celsius, ein Regenreifen erreicht bereits zwischen 40 und 50 Grad seine beste Performance. Wegen der verschiedenen Reifentypen sind die Variablen in der Formel 1 fast unendlich.

Malayisa: Trotz Hitze nicht reifenmordend

So hängt die Auswahl auch vom Belag und vom Layout der Rennstrecke ab. Beim Grand Prix von Malaysia auf dem 'Sepang International Circuit' zum Beispiel liegt der Reifenverschleiß im mittleren Bereich, weil es kaum enge Kurven gibt, vor denen auf Kosten der Reifen aus hohen Geschwindigkeiten stark abgebremst werden muss. Die meisten Teams werden, wenn ihnen nicht der berüchtigte Monsunregen einen Strich durch die Rechnung macht, voraussichtlich zwei Boxenstopps einlegen.

Um den Druck auch unter größten Belastungen konstant zu halten, sind die Reifen mit Stickstoff statt mit Luft gefüllt. Weil sie als entscheidender Faktor für die Leistung des Rennautos immer wichtiger werden, erfolgt ihre Entwicklung in enger Zusammenarbeit zwischen Teams und Reifenhersteller. Welchen Stellenwert das BMW-Williams-Team der Reifenentwicklung beimisst, erläutert Frank Williams: "In der Saisonvorbereitung setzten wir in der Regel drei Testautos parallel ein - eines davon permanent und ausschließlich zur Entwicklung neuer Reifen."

Der Unterschied zum PKW-Reifen

Während Rennreifen ihre optimale Performance durch die höchst präzise Anpassung an die jeweilige Strecke und die Wetterbedingungen liefern, müssen Straßenreifen unter höchst variablen Bedingungen treue Dienste leisten. Die Liste der Anforderungen ist lang und reicht von der Abriebfestigkeit über die Aquaplaningsicherheit bis zum geringen Rollwiderstand und der Unempfindlichkeit gegen Beschädigungen.

Hier lauern für die Entwickler viele Zielkonflikte. So zieht zum Beispiel die einseitige Optimierung der Gummimischung auf Grip im Nassen einen höheren Rollwiderstand nach sich. Große Fortschritte konnten durch den Einsatz neuer Mischungen erzielt werden. "Schade nur", so Dr. Hartmuth Wolff vom 'Allianz Zentrum für Technik (AZT)', "dass viele Autofahrer einen guten Teil dieser wertvollen Performancegewinne wieder verspielen. Untersuchungen zeigen, dass die Mehrzahl mit falschem Fülldruck, das heißt mit mehr als 0,2 bar Abweichung vom vorgegebenen Wert, unterwegs ist. Dies hat sehr negative Folgen auf Fahreigenschaften und Verschleiß."

In der Formel 1 geht es um Nuancen

Wie wichtig der richtige Reifendruck für die Leistung ist, zeigt ein Blick auf die Formel 1: Für die Top-Fahrer machen sich bereits Veränderungen des Reifendrucks um nur 0,05 bar durch verminderte Lenkpräzision und schlechteren Grip bemerkbar.