• 23.06.2006 01:15

  • von Inga Stracke

Schumacher: "Haben noch eine zweite Halbzeit"

Michael Schumacher im ausführlichen Interview über seine WM-Chancen und die der deutschen Nationalmannschaft sowie den Urlaub in den USA

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, Kanada ist eine Strecke, auf der du in der Vergangenheit sehr erfolgreich warst. Kann man hier von einem Sieg träumen? Du hast hier ja schon siebenmal gewonnen."
Michael Schumacher: "Wir sollten generell stark sein. Wie stark und ob es reicht, um ganz oben auf das Treppchen zu steigen, das wird sich zeigen, aber wir sind gut vorbereitet. Ich freue mich darüber, hier zu sein, aber nur wegen der sieben Siege ist mir Montréal nicht lieber als andere Strecken. Ich mag aber das Land, habe vor diesem Rennen ja immer einen schönen Urlaub."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher wirkt nach seinem USA-Urlaub durch und durch entspannt

Frage: "Eure Topspeeds waren bisher immer die besten. Von der Papierform her müsste euch Montréal also perfekt liegen, nicht wahr?"
Schumacher: "Das ist zu einfach gedacht, weil es nicht nur auf den Topspeed ankommt. Es gab verschiedene andere Strecken, die uns da einen Vorteil hätten bringen müssen, wenn es daran gelegen wäre, aber daran liegt es nicht wirklich. Es hilft natürlich, denn je nachdem, in welcher Position man sich befindet, kann man sich besser verteidigen oder besser angreifen. Wir hoffen, dass uns die Strecke hier liegen wird. Es kommt auf die Bremsen an, auf die Traktion, auf das Überfahren der Randsteine - das sind drei sehr wichtige Elemente. Wir hoffen, dafür ein gutes Auto zu haben."#w1#

Schumacher rechnet in Montréal mit guten Chancen

Frage: "Siehst du es auch so, dass ihr hier und in Indianapolis die besten Siegchancen in diesem Jahr haben werdet?"
Schumacher: "Ob es die beste ist, weiß ich nicht, aber dass wir eine gute haben werden, glaube ich schon. Wir waren auch zu anderen Zeitpunkten des Jahres schnell genug, um Rennen zu gewinnen, was uns ja auch zum Teil gelungen ist. Man muss abwarten. Es bringt nicht viel, darüber zu reden, sondern es ist viel wichtiger, ins Auto zu steigen und es tatsächlich umzusetzen. Wir waren auch auf anderen Strecken wie Barcelona und Silverstone nicht optimal unterwegs, aber wir waren trotzdem nahe dran. Es hängt nur von kleinen Entwicklungsschritten ab."

"Wenn wir am Sonntag schneller sind als unsere Konkurrenz, dann war dieser Entwicklungsschritt groß genug." Michael Schumacher

Frage: "Habt ihr euch technisch auf diese beiden Rennen besonders vorbereitet?"
Schumacher: "Es gibt Neuerungen, denn es gibt hier ein ganz anderes Anforderungsprofil. Man braucht neue Aerodynamikteile, die an die Strecke angepasst sind. Wir haben eine neue Ausbaustufe des Motors und von 'Shell' ein neues Getriebeöl. Es wird an allen Ecken und Kanten die Entwicklung vorangetrieben. Das hört sich positiv an, aber die Frage ist, wie die Konkurrenz im Verhältnis zu uns weiterentwickelt. Wenn wir am Sonntag schneller sind als unsere Konkurrenz, dann war dieser Entwicklungsschritt groß genug. Das hängt aber wie gesagt nicht nur von uns ab, sondern auch von den anderen Teams."

Frage: "In Silverstone hast du gesagt, dass die Karten in Nordamerika neu gemischt werden. Warum siehst du das so?"
Schumacher: "Weil wir hier ein komplett anderes Aerodynamikpaket fahren, also eine komplett andere Charakteristik vom Auto benötigen, wo ich denke, dass wir gute Chancen haben werden."

Frage: "Wie wichtig sind diese beiden Nordamerikarennen? Viele sagen, dass hier entscheidende Punkte vergeben werden."
Schumacher: "Die gleiche Frage wurde mir in Monte Carlo und in Silverstone auch schon gestellt. Es gibt hier wieder nur zehn Punkte. Solange es mathematisch nicht zu Ende ist, ist auch die Weltmeisterschaft nicht gelaufen. Das würde ich auch so sehen, wenn die Vorzeichen genau umgekehrt wären. Natürlich sind diese Rennen wichtig, aber nicht entscheidend."

Ferrari baut auf die zweite Saisonhälfte

Frage: "Nach diesem Rennen ist Halbzeit in der Formel 1. Wie lautet dein Fazit bisher?"
Schumacher: "Wir sind im Rückstand, haben aber noch eine zweite Halbzeit."

Frage: "Was kann Ferrari in der zweiten Saisonhälfte noch ausrichten?"
Schumacher: "Hoffentlich genug Punkte, so dass wir am Ende vorne sein werden."

"Felipe kann natürlich schon eine große und entscheidende Rolle spielen." Michael Schumacher

Frage: "Wie wichtig ist dein Teamkollege Felipe Massa im WM-Kampf?"
Schumacher: "Er kann natürlich schon eine große und entscheidende Rolle spielen, gar keine Frage. Vielleicht können aber auch Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) und andere Fahrer noch zulegen und ein Wörtchen mitreden."

Frage: "Bis jetzt hat Felipe Massa Fernando Alonso keine Punkte weggenommen, ebenso wenig wie Giancarlo Fisichella dir. Überrascht es dich, dass es ein reines Duell ist?"
Schumacher: "Jein. Ich hoffe natürlich, dass sich das noch ändern wird. Es liegt ganz klar an uns, denn wir müssen ein Auto haben, das ständig ganz vorne fahren kann, damit Felipe die Möglichkeit hat, auch vorne mitzufahren."

Frage: "Wie beurteilst du die bisherigen Leistungen von Felipe Massa?"
Schumacher: "Ich war von vornherein sehr angetan von Felipe, weil ich ihn als einen absolut konkurrenzfähigen Fahrer einschätze, der schnell ist und einen super Teamgeist mitbringt. Es ist unheimlich wichtig, dass man im Team nicht interne Kämpfe austragen muss, sondern dass man sich auf die Sache konzentrieren kann. Das macht Felipe hervorragend. Dem Druck gewachsen zu sein, für Ferrari zu fahren, ist auch nicht einfach - mit ein paar Hindernissen logischerweise, aber das muss man einem so jungen Fahrer zugestehen. Ich finde, dass er diese Sache sehr gut meistert."

Schumacher traut Massa eine Steigerung zu

Frage: "Glaubst du, dass er auch dem Druck gewachsen ist, Fernando Alonso Punkte wegnehmen zu müssen?"
Schumacher: "Absolut. Das kann sich nur noch verbessern, je länger er dabei ist. Das wird sich mit Sicherheit noch zeigen."

Michael Schumacher und Felipe Massa

Im WM-Kampf setzt Michael Schumacher auch auf Schützenhilfe des Teamkollegen Zoom

Frage: "Möchtest du, dass er auch dir Punkte wegnehmen kann?"
Schumacher: "Das kann er natürlich, wenn er schneller ist. Er hatte verschiedene Tests und Momente, wo er das auch war, zum Beispiel in Malaysia. Auf der anderen Seite: Generell denke ich, dass meine Schnelligkeit schon noch reichen wird, um ihn hinter mir zu halten."

Frage: "Viele Leute sagen, dass du Ferrari so gut motivieren kannst wie ein Fußballtrainer. Stimmst du dem zu?"
Schumacher: "Ich denke, dass wir uns gegenseitig sehr gut motivieren können und das auch immer wieder unter Beweis stellen. Viele haben nach dem vergangenen Jahr nicht damit gerechnet, dass wir überhaupt dazu in der Lage sein könnten, um die WM zu kämpfen, aber wir sind es. Wir sind stark genug, haben zwei Rennen gewonnen. Ich denke nicht, dass das die letzten Siege bleiben werden. Das spricht doch für sich! Ob wir am Ende vorne sein werden, muss sich erst noch herausstellen."

Frage: "Gibt es denn etwas Neues in Bezug auf deine Karriereplanung?"
Schumacher: "Nein."

Frage: "Wann wird sich das entscheiden?"
Schumacher: "In Monza wird es eine offizielle Mitteilung über die Entscheidung geben."

Frage: "Wenn heute Monza wäre, wie würdest du dich entscheiden? Gibt es da eine Tendenz?"
Schumacher: "Das ist eine ganz interessante Frage. Ich werde sie in Monza beantworten."

Zukunftsentscheidung nicht von Räikkönen abhängig

"Es hat noch nie den Fall gegeben, dass ich mir den Teamkollegen so ausgesucht habe, dass ich wusste, dass ich schneller sein würde." Michael Schumacher

Frage: "Spielt es für deine Zukunftsentscheidung auch eine Rolle, dass dich ein neuer Teamkollege nicht schlagen kann?"
Schumacher: "Wenn du mal meine Karriere verfolgst, wie viele Teamkollegen ich hatte und wie viel über diese Teamkollegen vor ihrer Ankunft geredet wurde, dass das der Nächste ist, der mir die Butter vom Brot nehmen wird, und was dann letzten Endes passiert ist, dann erklärt sich die Frage von alleine. Es hat noch nie den Fall gegeben, dass ich mir den Teamkollegen so ausgesucht habe, dass ich wusste, dass ich schneller sein würde. Das macht überhaupt keinen Sinn - weder für Ferrari, noch für mich. Das wird auch in Zukunft keine Rolle spielen."

Frage: "Du hast ja wieder deinen traditionellen USA-Urlaub gemacht. Wie viel hast du denn im Urlaub von der Fußball-WM mitbekommen?"
Schumacher: "Nicht allzu viel - gerade mal ein paar Spiele, die ich mir aber auch nicht ganz anschauen konnte, sondern nur eine Halbzeit lang. Allerdings habe ich das deutsche Spiel gegen Polen natürlich schon gesehen."

Frage: "Dein Urlaub war ja nur möglich, weil ihr andere Testfahrer habt..."
Schumacher: "Das stimmt. Luca (Badoer; Anm. d. Red.) macht immer einen guten Job für uns, bereitet das Auto vor und entwickelt es weiter. Ihm kann ich immer vertrauen, wenn ich mal nicht da bin. Felipe war auch beim Test in Le Castellet. Ob die Arbeit gut genug war, werden wir sehen. Wir waren schon einmal in einer schlechteren Ausgangsposition und konnten noch zurückfighten."

Frage: "Konntest du dich im Urlaub gut erholen?"
Schumacher: "Ja, auf jeden Fall. Wir haben viele schöne Sachen gemacht. Meine Frau war auch mit dabei."

Im Urlaub dachte Schumacher nicht an die Formel 1

Frage: "Bist du denn ein Typ, der die Formel 1 im Urlaub ganz ausblenden kann, oder denkst du manchmal an Punktestände, wenn du auf dem Motorrad sitzt?"
Schumacher: "Ich habe nicht viel Zeit verschwendet, um über solche Dinge nachzudenken. Ich habe mich natürlich darüber informiert, wie unsere Arbeit voranschreitet, war in Kontakt mit dem Team, aber alles andere ist sicherlich nicht so wichtig in dem Moment."

Frage: "Hast du im Urlaub von der Fußballeuphorie, die momentan in Deutschland herrscht, etwas mitbekommen?"
Schumacher: "Natürlich nur bedingt, nur vom Hörensagen - wenn ich mit Freunden gesprochen habe, die im Fußballfieber sind. Da entwickeln sich viele positive Emotionen, das ist deutlich zu sehen, zu hören und zu spüren."

"Ich war überrascht, wie viel Interesse auch in Amerika vorhanden war, was den Fußball angeht." Michael Schumacher

Frage: "Hier kriegt man wenig von der Atmosphäre mit, die gerade in Deutschland herrscht. Findest du das schade?"
Schumacher: "Ich muss ehrlich gestehen, dass ich überrascht war, wie viel Interesse auch in Amerika vorhanden war, was den Fußball angeht. Da war ich total überrascht. Die haben alle mitgefiebert, denn ich war durch Zufall beim Mittagessen in einer Bar, als Amerika gegen Italien gespielt hat, und da waren richtig Emotionen da."

Frage: "Wirst du vom Achtelfinale gegen Schweden am Samstag etwas mitbekommen?"
Schumacher: "Ich weiß wegen der Zeitverschiebung nicht, um wie viel Uhr es stattfinden wird."

Frage: "Zwischen Freiem Training und Qualifying."
Schumacher: "Da habe ich ja ein bisschen Zeit. Vielleicht baut mir aber auch 'Vodafone' einen kleinen Bildschirm ins Lenkrad ein..."

Frage: "Hast du auch einen Tipp?"
Schumacher: "Ich sage mal 2:1."

Schumacher will zum WM-Finale nach Berlin kommen

Frage: "Hast du Karten für eines der WM-Spiele?"
Schumacher: "Für das kleine und große Finale habe ich Tickets, soweit ich informiert bin. Sollte ich es packen, würde ich gerne hingehen."

Michael Schumacher

Michael Schumacher ist bekanntlich ein sehr leidenschaftlicher Fußballfan Zoom

Frage: "War die Versuchung da, doch nicht in den USA Urlaub zu machen, sondern in Deutschland ein Spiel anzuschauen?"
Schumacher: "Nein. Das kann man im Fernsehen ganz gut verfolgen. Wir hatten zum Glück einen Bekannten aus Deutschland. Der hat es so eingerichtet, dass wir das Spiel zwischen Polen und Deutschland anschauen konnten. Das war okay. Man muss nicht vor Ort sein. Wenn es sich ergibt, dass wir in Deutschland oder in der Nähe sind, zu Hause in der Schweiz zum Beispiel, dann macht es Sinn, aber aus Amerika für ein Spiel rüberzufliegen, das macht wenig Sinn."

Frage: "Würdest du einen deiner Siege für einen WM-Titel der deutschen Mannschaft abgeben?"
Schumacher: "Wenn ich danach am Ende des Jahres trotzdem noch genug Punkte hätte, wäre es okay..."

Frage: "Wenn du die Möglichkeit hättest, abseits der Formel 1 eine Sportart professionell zu betreiben, was für eine wäre das?"
Schumacher: "Schach."

Frage: "Du wohnst im selben Hotel wie Madonna. Hast du sie schon getroffen?"
Schumacher: "Nein."

Ausnahmsweise nur die Nummer zwei im Hotel...

Frage: "Normalerweise gebührt die Menschentraube vor den Hotels immer dir. Wie fühlt man sich so als Nummer zwei im Hotel?"
Schumacher: "Es macht keinen großen Unterschied - abgesehen davon, dass ich vielleicht ein bisschen unbehelligter raus- und reinkommen kann..."

"Madonna ist nicht meine Nachbarin und ich weiß nicht, in welchem Zimmer oder Stock sie übernachtet." Michael Schumacher

Frage: "Würdest du zu einem Konzert geben, wenn sie dir abends im Hotelzimmer Karten schenken würde?"
Schumacher: "Sie ist nicht meine Nachbarin und ich weiß nicht, in welchem Zimmer oder Stock sie übernachtet. Fakt ist, dass wir uns das Konzert heute Abend so oder so anschauen werden. Ich mag ihre Musik."

Frage: "Schauen wir eine Woche weiter: Was wird deiner Meinung nach nächste Woche in den USA passieren? Wie werden euch die Leute dort aufnehmen?"
Schumacher: "Ich gehe davon aus, dass die, die die Formel 1 mögen, die Formel 1 für ihre gesamte sportliche Aktivität schätzen, nicht nur für ein Rennen. Die echten Fans werden sicher kommen. Die, die die Formel 1 nicht mögen, werden zu Hause bleiben. Insofern werden wir viele begeisterte Fans auf den Tribünen haben, die den Zweikampf der WM gerne sehen möchten."

Frage: "Es gibt immer wieder Gespräche über einen zweiten US-Grand-Prix. Wie wichtig ist Amerika für die Formel 1?"
Schumacher: "Es gibt in jedem Land nur zehn Punkte. Klar hat Amerika einen gewissen Wert, was die Verkaufsstrategie verschiedener Werke angeht. Das ist selbstverständlich. Es ist auch nett für uns, unseren Sport in den USA zu vertreten. Das Interesse könnte durch Scott Speed vielleicht steigen, wenn er einmal vorne mitfährt."

Frage: "Ferrari hat dort ja auch große Anhängerzahlen."
Schumacher: "Ja. Bei der Masse an Menschen gibt es natürlich schon genügend, die das Rennen verfolgen und uns die Daumen drücken. Es wäre schon interessant, noch einen zweiten Grand Prix dort zu haben, aber ob das sein muss oder nicht oder ob nicht andere Länder auch eine gewisse Wichtigkeit oder Berechtigung haben, das überlasse ich jedem selber."