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  • 07.09.2007 12:54

  • von Michael Noir Trawniczek

Rosberg: "Wie in einer Kurve auf Schneematsch"

Williams-Pilot Nico Rosberg spricht über Abstimmungsarbeit, das Fahren ohne Traktionskontrolle, sein Verhältnis zu Alexander Wurz und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - An der Medientischrunde mit Nico Rosberg herrscht reges Interesse - der junge Deutsche ist zurzeit in aller Munde. Sogar als möglicher Nachfolger von Fernando Alonso wurde er zuletzt genannt, sollte der Spanier tatsächlich zu Renault zurückkehren. Doch diese Spekulationen stehen hier nicht zur Debatte - Rosberg hat einen bestehenden Williams-Vertrag für 2008. Dass er sicher gerne in einem McLaren sitzen würde, ist naheliegend - alles andere liegt aber nicht in seinem Bereich.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Nico Rosberg empfindet das Fahren ohne Traktionskontrolle als anspruchsvoll

Das große Interesse an seiner Person hat er aber auch seiner aktuellen Performance zu verdanken - immer wieder schaffte er es mit dem Williams in das Top 10-Qualifying, auch in den Rennen wirkt er gereift. "Ich habe tatsächlich viel gelernt, sowohl im Vorjahr als auch in dieser Saison - du lernst ja immer etwas dazu", sagt Rosberg.#w1#

Motoren-Update und Highspeedbahn

In Istanbul habe Motorenlieferant Toyota mit einem Update "gute Arbeit geleistet". Am Wochenende auf der Highspeedbahn von Monza, werde sich auch das bezahlt machen. Kann man auf der Motorenseite überhaupt noch Vorteile herausholen, seit es das neue Regelwerk mit den limitierten Drehzahlen gibt? Rosberg antwortet: "Man kann vieles machen - Elektronik, Einspritzung. Da kannst du vieles optimieren."

Auf der legendären Monza-Bahn werden die höchsten Topspeedwerte erreicht - wie spürt sich das an, wenn man weit über 300 km/h fährt? Rosberg bedauert: "Das merkt man leider nicht, da gewöhnst du dich sehr schnell daran."

Rosberg kein "Setup-Lehrling"

Als Teamkollege von Alexander Wurz würde er in punkto Technik und Abstimmungsarbeit schnell einmal in den Schatten des Österreichers gestellt, gibt Rosberg zu bedenken: "Das ist schwierig, wenn man so einen allgemein als guter Tester und Entwickler angesehenen Teamkollegen hat - da wird es dann schnell einmal so gesehen, dass ich sehr viel von ihm lerne. Aber da muss ich dazusagen, dass ich in diesem Jahr ebenbürtig bin. Ich bin wirklich sehr stark geworden - auch an der Strecke, mit meiner Abstimmungsarbeit."

"Wir sind sehr oft individuell in zwei verschiedene Richtungen gegangen. Manchmal habe ich Sachen von ihm übernommen, wie beim letzten Rennen. Aber er hat sehr oft auch Dinge von mir übernommen. Das ist sehr ausbalanciert - da würde ich jetzt überhaupt nicht sagen, dass er da mehr bringt als ich."

Ob er es nicht bedauern würde, dass es einen technischen Austausch gibt, wo er doch "schneller" sei, fragt ein deutscher Kollege. Rosberg antwortet: "Auch wenn ich schneller bin, kann ich von dem totalen Datenaustausch profitieren. Manchmal ist es natürlich schon so: Ich probiere was neues, finde eine halbes Zehntel und dann liegt das offen auf dem Tisch. Das ist manchmal echt ärgerlich."

Als "schneller" würde er sich trotz 11:1-Bilanz im Qualifying-Duell nicht bezeichnen, relativiert Nico Rosberg. "Es kommen so viele Dinge zusammen an einem Tag - Talent, Setup, das Gefühl an dem Tag auf der Strecke. Das ist halt nicht so einfach."

Dass sich Wurz oder auch ein Fernando Alonso bei der Umstellung auf die härteren Einheitsreifen schwer tun, kann Rosberg nachvollziehen: "Ja, die Umstellung war definitiv schwierig, du hattest im letzten Jahr viel mehr Möglichkeiten. Der Alonso hatte sicher einen ganz anderen Stil und er hatte auch ein ganz anderes Setup - da steckt wirklich eine komplett andere Idee dahinter. Alonso musste sich ganz sicher umstellen - aber das musste jeder Fahrer, weil die Reifensituation wirklich ganz anders ist."

"Dirty Air": Wie Matsch auf der Autobahn

Dass die so genannte "Überholkommission", Windtunnelexperimente von drei führenden Formel-1-Technikern, Fortschritte machen konnte, freut Nico Rosberg: "Das finde ich gut, wenn da etwas getan wird."

Wie fühlt sich das an, wenn man in die "Dirty Air" des Vordermanns gerät und das Auto ein instabiles Fahrverhalten bekommt - wie kann sich das ein "normaler Autofahrer" vorstellen? Rosberg grübelt kurz, und sagt: "Es fühlt sich an, als würdest du in ein Auto mit Vorderradantrieb steigen und in der Mitte der Kurve Gas geben. Oder wie wenn du auf einmal in der Kurve auf Schneematsch kommst. Meistens ist die Vorderachse betroffen - es ist einfach sehr rutschig, so fühlt sich das an."

Die aktuelle Entwicklung, das Fahrkönnen wieder mehr in den Vordergrund zu stellen, scheint ganz im Sinne des Nico Rosberg zu sein. "Das Verbot der Traktionskontrolle ist da sehr hilfreich - das habe ich vor drei Monaten nicht gedacht, aber jetzt denke ich das."

Erste Tests ohne Traktionskontrolle

Der Grund: Rosberg durfte bereits einen aktuellen Williams ohne Traktionskontrolle pilotieren. Genaue Details zu diesem Test möchte er nicht verraten. Beispielsweise, wie oft er bereits ohne TC gefahren ist. Für diese Verschwiegenheit würde es aber auch einen Grund geben, versichert Rosberg: "Das sind aber auch wichtige Informationen. Angenommen Ferrari würde sagen, dass sie schon ein Jahr lang ohne Traktionskontrolle testen würden - was glaubst du, wie nervös wir dann sein würden? Deshalb sage ich jetzt nicht, wie oft wir schon ohne TC getestet haben - denn das ist ein sehr wichtiger Bestandteil für das kommende Jahr."

Prinzipiell würde die Umstellung nicht einfach zu bewerkstelligen sein, meint Rosberg. "Die Autos sind zehn Jahre lang mit Traktionskontrolle gefahren, da ist das komplett vergessen worden. Das Gefühl des Fahrers steht wieder mehr im Vordergrund - und es ist wirklich nicht ohne, die Formel 1-Autos sind so nervös - wenn es einmal ausbricht, dann bricht es gleich einmal richtig aus."

Er selbst würde sich bei dieser Umstellung wohl leichter tun als ein alt gedienter Formel 1-Pilot: "Ich glaube schon, dass es für die jüngeren Fahrer einfacher ist als für die älteren, die jetzt jahrelang mit der Traction Control gefahren sind." Bei Nässe sei er noch nicht ohne TC gefahren - doch das werde mit Sicherheit noch um vieles schwieriger sein - da ist sich Nico Rosberg sicher.

Die Saison 2008

Nächstes Stichwort: Der nächstjährige Williams FW30, der laut Technikchef Sam Michael eine "Revolution" sein soll. Rosberg sagt mit einem verschmitzten Lächeln: "Ich hoffe, dass er eine Revolution sein wird. Aber wenn Sie erwarten, dass es da wieder irgendwelche Haifischnasen geben wird - das wird nicht der Fall sein."

Stallkollege Wurz ist noch nicht als Williams-Pilot für 2008 bestätigt - ob es da nun zu einer Anspannung zwischen den beiden Stallkollegen gekommen sei, ob Wurz nun "weniger offen" sei, möchte ein Kollege wissen. Rosberg antwortet: "Nein. Es hat sich überhaupt nichts an unserer Beziehung verändert. Der Alex ist jetzt auch nicht so einer, der nur an sich selbst denkt - er denkt auch sehr viel ans Team. Der Hauptgrund dafür liegt sicher darin, dass er sieht, dass wir nur gemeinsam nach oben kommen können - wenn du als Team ganz oben bist, dann kannst du auch mehr nur an dich selber denken.

Ob er sich Alex Wurz auch für 2008 als Teamkollegen wünschen würde? Rosberg sagt: "Das will ich nicht kommentieren, mal schauen. Ich kann nur sagen, dass die Zusammenarbeit mit dem Alex wirklich sehr gut war."