• 15.08.2023 13:59

  • von N.Fischer, Co-Autoren: F.Cleeren, J.Noble, M.Kew, R.Vording

Rob Marshall: Ist das McLarens neuer Hoffnungsträger?

McLaren hat mit der Verpflichtung von Rob Marshall für einiges an Aufsehen gesorgt: Kann er den Rennstall wieder an die Spitze führen?

(Motorsport-Total.com) - Mit der Verpflichtung von Rob Marshall ist McLaren ein echter Coup gelungen. Der Rennstall hatte seine Führungsstruktur nach einem schwachen Saisonstart komplett umgekrempelt und unter anderem Technikchef James Key entlassen. Bislang scheint die neue Struktur zu helfen, doch der dickste Fisch ist noch nicht einmal an Bord: Rob Marshall.

Titel-Bild zur News: Rob Marshall (Red Bull)

Red Bulls Rob Marshall wechselt 2024 zu McLaren Zoom

Den Briten hatte man etwas überraschend von Red Bull loseisen können und ihm die Stelle als neuer Technischer Direktor (offiziell Technical Director, Engineering & Design) angeboten, die er ab dem 1. Januar 2024 auch einnehmen wird.

Die Verpflichtung von Marshall hat für Staunen im Fahrerlager gesorgt, denn der 55-Jährige ist in der Formel 1 ein großer Name: Als leitender Ingenieur war er bei Renault 2005 unter anderem für die Entwicklung der Massedämpfer verantwortlich, die dazu beigetragen haben, die Dominanz von Michael Schumacher und Ferrari zu beenden und Fernando Alonso einen WM-Titel zu bescheren.

2006 wechselte er zum neuen Red-Bull-Team und arbeitete als Chefdesigner an der Seite von Adrian Newey, wo er einen wichtigen Anteil an den vier WM-Titeln von Sebastian Vettel zwischen 2010 und 2013 hatte. Auch in der Folgezeit fuhr er mit dem Team Erfolge ein, bis sich die Wege nun trennten.

Bei McLaren war die Verpflichtung eines so hochrangigen Mitarbeiters Chefsache, wie Geschäftsführer Zak Brown bei 'Sky' verrät: "In dem Fall war ich sehr stark involviert. Jemand in unserem Team hatte seine Nummer, also habe ich ihn angerufen", sagt er.

Und er überzeugte Marshall von der Richtung von McLaren. Denn dass ein Mann des Kalibers von Rob Marshall ein Team wie Red Bull verlässt, ist nicht selbstverständlich: "Dass er das Team nach so vielen Erfolgen verlässt, zeigt, wie sehr er glaubt, dass wir hier bei McLaren vorankommen werden", betont Brown und ist von den Qualitäten des Engländers überzeugt.

"Seine Ergebnisse sprechen für sich. Adrian Newey lobt ihn in höchsten Tönen, und wir wissen alle, dass Adrian weiß, was er tut. Er hat ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt", so Brown.

Vorfreude bei Piloten

Bei McLaren freut man sich schon auf die Ankunft des neuen Hoffnungsträgers, der vor allem sein Wissen und seine Expertise einbringen wird, glaubt Lando Norris. "Er ist seit vielen, vielen Jahren bei Red Bull, er hat mit dem Team viel Erfolg gehabt. Er hat mit einigen der besten Köpfe der Formel 1 zusammengearbeitet", sagt er.

"Er ist eine wichtige Person, eine wichtige Verpflichtung für uns als Team. Ich denke, dass viele Leute bei McLaren zu ihm aufschauen und ihn respektieren werden", so Norris. "Es ist ein guter Schritt für uns als Team, um weiter voranzukommen und das gesamte Team mit mehr Leistung und Know-how auszustatten."


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Auch Oscar Piastri freut sich schon auf McLaren, weil er von seinem Manager Mark Webber nur Gutes aus dessen Red-Bull-Zeit mit Marshall hört: "Er wird unheimlich geschätzt, und ich freue mich darauf, in Zukunft mit ihm zusammenzuarbeiten", sagt der Australier.

"Er kann uns helfen, voranzukommen. Ich denke, mit allem, was wir an unserer Struktur, unserem Fahrzeugkonzept und unserem Design geändert haben, bewegen wir uns in eine gute Richtung. Er wird das ergänzen", so Piastri.

Red Bull: Trennung im Guten

Bei Red Bull kann man mit dem Abgang von Marshall leben und legt ihm keine Steine in den Weg, auch wenn Teamchef Christian Horner den Beitrag des Briten betont: "Rob war 17 Jahre bei uns und war ein wichtiger Schlüssel beim Aufbau des Team", lobt er. "Er hat eine wirklich wichtige Rolle gespielt."

Aber: "In den vergangenen Jahren hat er sich anderen Projekten zugewandt und war nicht mehr im Mittelpunkt der Formel 1", sagt Horner. Daher ist der Abgang aus Sicht von Red Bull auch verschmerzbar, wie Motorsportkonsulent Helmut Marko klarstellt.

Rob Marshall (Entwicklungschef, Red Bull), Adrian Newey (Technischer Direktor, Red Bull)

Rob Marshall hat an der Seite von Adrian Newey gearbeitet Zoom

"Wir sind in der Zwischenzeit derartig breit aufgestellt, dass dieser Abgang bei uns keinen gravierenden Nachteil haben wird, glaube ich. Oder überhaupt keinen", sagt der Österreicher gegenüber 'Sky'.

Daher habe man laut Horner mit McLaren einen Deal ausgehandelt, der für alle Seiten funktioniert: "Nach 17 Jahren hatte er ein gutes Angebot von McLaren. Und obwohl sein Vertrag noch eine gewisse Zeit lief, wollte er unbedingt in die Formel 1 zurückkehren", sagt Horner.

Er scherzt: "Wenn jemand ein Team verlässt, sagen wir ihm normalerweise, dass er sich verpissen soll. Bei Rob ist das ein bisschen anders. Er ist ein guter Kerl."

Verstappen: Abgang spielt keine Rolle

Das ist auch McLaren-Teamchef Andrea Stella positiv aufgefallen: "Ich glaube, bei Red Bull weiß man sehr gut, welche Rolle Rob im Laufe der Zeit gespielt hat, und ich denke, das ruft bei den Menschen Respekt hervor", sagt er. "Soweit ich das von außen beurteilen konnte, habe ich dieses Maß an Respekt von Red Bull gegenüber Rob gesehen, was ich als Beobachter sehr erfreulich fand."


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Auch Max Verstappen glaubt nicht, dass der Abgang für sein Team Folgen haben wird: "Viele Leute machen da ein großes Ding draus, aber er war nicht so wirklich in das aktuelle Auto involviert", winkt der Weltmeister ab. "Er war mehr bei einem langfristigen Projekt für 2026."

"Natürlich hätten wir ihn lieber behalten, aber wenn man weiß, was McLaren ihm angeboten hat, dann verstehe ich, dass er für ein paar Jahre dorthin geht", deutet er ein lukratives Angebot an. "Und danach kann er Angeln gehen oder andere schöne Dinge machen."

Marko verwundert: Wie geht das mit der Budgetgrenze?

In das gleiche Horn stößt auch Marko, wenn es um die aggressiven Abwerbeversuche von anderen Teams geht: "Wenn wir hören, wie hoch diese Angebote sind, dann wundere ich mich, wie das mit dem Costcap gehen soll", fragt er sich. "Aber natürlich, ist klar, dass man versucht, von dort Leute zu kriegen, wenn ein Team erfolgreich ist."

Stella betont derweil, dass Marshall einfach sehr daran interessiert war, zu McLaren zu gehen: "Er hat unseren Weg und unsere Ambitionen perfekt verstanden. Ich glaube, er hat verstanden, dass er ein wichtiger Akteur sein kann, wenn es darum geht, etwas Wichtiges zu erreichen, wie McLaren zum Sieg zu führen", sagt er. "Es gab daher eine starke Motivation seinerseits."


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Trotzdem ist auffällig, dass McLaren derzeit eine Menge investiert: Man hat neben Marshall auch David Sanchez und Gil de Ferran geholt und modernisiert eifrig die Infrastruktur. Das kann nicht günstig sein, doch Stella stellt den guten Job heraus, den Zak Brown beim Umgang mit dem Budget mache.

"Wir hatten die Möglichkeit, diese Ausgaben innerhalb des Reglements zu tätigen", so der Teamchef. "Daher hat uns das nicht vor besondere Herausforderungen gestellt. Es war kein schwieriger Prozess."

Marshall kein Hinweis auf Red-Bull-Motor

Gerüchte sagen, dass Marshall die Verbindung zu einem möglichen Motorendeal ab 2026 sein könnte. McLaren hat noch keinen Motorenpartner für die neue Ära verkündet, und Red Bull baut für 2026 seine eigene Motorenabteilung auf, die dann in Zusammenarbeit mit Ford eigene Antriebe entwickeln wird.

Mit AlphaTauri - oder wie immer das Team dann heißen wird - hat man ein mutmaßliches Kundenteam, warum also mit McLaren nicht noch ein zweites?

Zak Brown, Andrea Stella

Andrea Stella und Zak Brown basteln an der Zukunft von McLaren Zoom

Doch Stella betont, dass es derzeit keine Verbindungen gibt - auch nicht über Marshall. "Wir hatten vor einigen Monaten Gespräche mit Red Bull geführt, um im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung zu erkunden, was auf dem Markt in Bezug auf die Power-Unit für 2026 verfügbar ist", sagt er.

Im Moment seien aber Gespräche mit dem aktuellen Motorenpartner Mercedes (HPP) weit fortgeschritten. "Es gibt also keine laufenden Gespräche mit Red Bull", so der Teamchef.

Norris vertraut den Plänen von Brown

Ob die Verpflichtung von Marshall und die generelle Umstrukturierung langfristig Erfolg haben wird, wird sich zeigen, doch Norris sagt, dass er der Arbeit von Zak Brown vertraut - "und jetzt noch mehr als früher."

"Ich denke, ich würde nie sagen wollen, dass ich keinen Glauben habe, und ich habe es auch nie gesagt und werde es wahrscheinlich auch nicht tun, aber seit den letzten Veränderungen hat sich auf jeden Fall viel Gutes ergeben, sowohl in Bezug auf die Stimmung, die Atmosphäre, aber auch auf die Leistung und die Dinge, auf die man sich in Zukunft freuen kann", so der Brite.

"In der Formel 1 geht nicht alles direkt, vieles braucht seine Zeit. Ich schätze, das gehört auch dazu, aber die Dinge haben definitiv einen Schritt nach vorne gemacht, sodass ich das ohne weiteres bestätigen und mit Zuversicht sagen kann."

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