• 28.10.2004 21:24

Renaults Analyse des letzten Saisonrennens

Alonsos Rennen begann mit zwei Drehern und endete auf dem vierten Rang, Villeneuve kämpfte ebenfalls mit den Bedingungen

(Motorsport-Total.com) - Ein aufregendes Finale für Fernando Alonso: Beim Start zum Großen Preis von Brasilien ging der Renault-Pilot ein großes Risiko ein. Dank einer außergewöhnlich beherzten Fahrweise in einem der schwierigsten Läufe der gesamten Saison wurde er schließlich mit dem hervorragenden vierten Rang in der Fahrerwertung belohnt.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso landete gleich zwei Mal neben der Strecke

Pat Symonds, Leiter der Entwicklungsabteilung des Renault-Teams, gestand nach dem Großen Preis von Brasilien, dass es eine wahrlich knifflige Entscheidung war, bei regnerischem Wetter und rutschiger Strecke mit Trockenreifen zu starten. Beim Grand Prix von Italien wenige Wochen zuvor bestand kein Zweifel, dass der Asphalt schnell abtrocknen würde. In Interlagos wusste niemand, wie sich die Bedingungen entwickeln sollten.#w1#

Der Großteil der Piloten entschloss sich daher für Intermediate-Pneus für gemischte Wetterverhältnisse. Das Renault-Team hingegen setzte auf Rillenreifen. In der Anfangsphase des Rennens schien sich diese Entscheidung fast als großer Fehler herauszustellen. Nach drei Runden wies Alonso bereits einen Rückstand von 26 Sekunden auf den Führenden auf. Zudem hatte er sich zu diesem Zeitpunkt schon zweimal von der Strecke gedreht - das erste Mal gleich in der Einführungsrunde...

Doch ab dem vierten Umlauf schlug die große Stunde des 23-Jährigen: Bei abtrocknender Strecke machte er vor allem im zweiten und dritten Sektor - Passagen, in denen es sehr auf den Grip der Reifen ankommt - Zeit gut. Pro Runde nahm er den Führenden rund vier Sekunden ab.

Als die anderen Fahrer kurz darauf zum Reifenwechsel ihre Boxen ansteuerten, katapultierte sich Alonso im Klassement weiter nach vorne. Rubens Barrichello verspielte übrigens wahrscheinlich genau in dieser Phase den Sieg: Anstatt in der sechsten Runde zum Wechsel der Pneus abzubiegen, blieb der Brasilianer draußen - und verlor im folgenden Umlauf zehn Sekunden auf Alonso.

In der siebten Runde schließlich führte der Renault-Pilot das Rennen an. Und mit seiner Zwei-Stopp-Strategie schien er bestens unterwegs zu sein. Doch unmittelbar nach seinem ersten Boxenaufenthalt in Runde 19 änderten sich die Vorzeichen: Die weichere Gummimischung der neu aufgefassten Reifen zeigte eine starke Tendenz zum so genannten Graining oder Körnen. Dabei bildeten sich auf den Vorderreifen kleine Gummikugeln, die den Grip verschlechterten und zu einem untersteuernden Fahrverhalten führten.

Alonsos Rundenzeiten pendelten sich im Bereich von 1.13 Minuten ein. Seine Konkurrenten legten gleichzeitig Zeiten um 1.11 Minuten vor. Erst ab Runde 38 - also nach mehr als der Hälfte seines Turns - wiesen die Computer wieder konkurrenzfähige Werte im Bereich von 1.12 Minuten aus.

Zu diesem Zeitpunkt fuhr Alonso hinter Juan-Pablo Montoya und Kimi Räikkönen. Seine Taktik lautete nun, diese Position zu verteidigen. Seine direkten Kontrahenten, Ralf Schumacher und Takuma Sato, lagen mit ihren Boxenstopps in einem anderen Rhythmus als der Spanier. Das Renault-Team wusste daher, dass sich Alonsos Platzierung aller Voraussicht nach in den folgenden zehn Runden entscheiden sollte - also in der Phase zwischen seinem letzten Boxenstopp und denen seiner Gegner.

Eine interessante Situation: Ein neuerlicher Reifenwechsel könnte erneut Graining verursachen und das Fahrverhalten des Renault R24 verschlechtern. Wäre es daher vorteilhafter, die vorderen Pneus nicht auszutauschen? Immerhin hatten sie sich inzwischen quasi von selbst kuriert und würden nicht nochmals körnen. Dafür aber büßen sie gegen Rennende an Leistungsfähigkeit ein. Alonso müsste sich dann einzig und allein auf sein fahrerisches Talent und die hervorragende Höchstgeschwindigkeit des Renault R24 - auf der Start-Ziel-Geraden wurde der gelb-blaue Bolide durchschnittlich mit dem zweithöchsten Tempo gemessen - verlassen, um seine Kontrahenten hinter sich zu halten.

Das Team entschloss sich dazu, dieses Risiko einzugehen: Beim Tankstopp in Runde 48 wechselten die Mechaniker nur die Hinterreifen. Ralf Schumacher kam einen Umlauf später zum kleinen Service beim Williams-Team vorgefahren und reihte sich anschließend wieder hinter dem Renault-Piloten ein. In der 55. Runde bog auch Takuma Sato zum Stopp ab. Bei seiner Ausfahrt aus der Boxengasse kam der Japaner knapp vor Alonso wieder auf die Strecke.

Doch der Spanier hatte ein Ziel: Platz vier in der Fahrerwertung. Noch in der gleichen Runde kämpfte er sich deshalb an dem BAR-Fahrer vorbei. In der Folgezeit lieferte er eine grandiose Vorstellung ab und verteidigte seine Position trotz nachlassenden Grips an der Vorderachse. Im zweiten Sektor ergaben sich für Sato und Schumacher keinerlei Überholmöglichkeiten, und die beiden konnten ihren Traktions-Vorteil nicht ausspielen. Zudem garantierte das Setup von Alonsos Renner eine hohe Geschwindigkeit auf den langen Geraden, sodass auch hier kein Weg an dem schnellen Mann aus Oviedo vorbeiführte.

Dabei führt die Statistik der schnellsten Rundenzeiten den Renault R24 mit der Startnummer acht lediglich auf Rang neun. Doch die Zahlen geben nicht annähernd wider, worauf es beim Grand Prix von Brasilien ankam - nämlich den einmal erkämpften Platz auf der Strecke zu verteidigen. Und das gelang Alonso und dem Renault-Team ausgezeichnet - auch dank einiger wohl kalkulierter Risiken.

Jacques Villeneuves Rennen entschied sich bereits in den ersten Runden: Zum ersten Mal auf Michelin-Trockenreifen bei nassen Bedingungen unterwegs, verlor der Kanadier viel Zeit auf seinen Teamkollegen Alonso. Dies sollte sich im weiteren Verlauf als entscheidend erweisen. Gegen Rennende zeigte der Ex-Weltmeister sein wahres Potenzial, als er sich auf Platz zehn einen spannenden Kampf mit den beiden Sauber-Piloten lieferte.

Seine schnellste Runde war nur um eine Zehntelsekunde langsamer als die von Alonso. Das Gleiche gilt auch für seine "ideale Runde", also der Addition der drei schnellsten Sektor-Zeiten. Das zeigt, was für Villeneuve möglich gewesen wäre, wenn er den Grand Prix von Brasilien nicht in für ihn so ungewohnten Bedingungen hätte starten müssen.