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  • 21.03.2016 14:45

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Renault staunt nach Stotterstart: "Formel 1 wird unterschätzt"

Bescheidene Ziele: Die Franzosen wollen Force India und McLaren schlagen - Dass sie kaum Token genutzt haben, sei keine Absage an Fortschritte beim Antrieb

(Motorsport-Total.com) - Mehrfacher Weltmeister, zigmaliger Grand-Prix-Sieger und einer der größten Autohersteller der Welt - dem großen Renommee der Marke wurde Renault mit dem werksseitigen Comeback in der Formel 1 am vergangenen Wochenende in Melbourne nicht gerecht. Keine WM-Punkte für Kevin Magnussen und Jolyon Palmer, keine Startplätze unter den Top 10. Dennoch befindet der britische Neuling: "Ein ganz guter Start wenn man bedenkt, dass das Team vor Weihnachten nichts machen konnte."

Titel-Bild zur News: Kevin Magnussen

Kevin Magnussen wird auf den nächsten Formel-1-Pokal wohl noch warten müssen Zoom

Palmer will zeitnah Zählbares einfahren und prognostiziert den Gelben eine rosige Zukunft: "Wir sollten in der Lage sein, schneller zu entwickeln als einige vor uns", erklärt der ehemalige GP2-Champion, der sich zunächst mit den Privatiers der Szene messen möchte: "Wir sollten in der Lage sein, zumindest Force India einzuholen. Außerdem können wir McLaren Paroli bieten", schätzt er vor dem Hintergrund des späten Antriebswechsels weg von Mercedes, der Kompromisslösungen nötig machte.

Cyril Abiteboul betont, trotz nur sieben verwendeten Token zur Antriebsentwicklung (möglich wären maximal 32 gewesen) im Winter eifrig am V6-Hybriden gebastelt zu haben. "Dass wir wenig Token genutzt haben, muss nicht bedeuten, dass wir wenig Leistungsfortschritte gemacht hätten", sagt der Renault-Verantwortliche und räumt Fehler im Jahr 2015 ein: "Man kann viele Token verpulvern und absolut nichts bei der Rundenzeit gewinnen, was uns im vergangenen Jahr passiert sein könnte."

Einen Schritt dieses Weges markieren soll die Installation Remi Taffins als neuer Technikdirektor. Der Franzose, der als Projektleiter des Motoreneinsatzes von dem Gesamtverantwortlichen Cyril Abiteboul abgelöst wurde, soll eine Position an der Seite des zurückgekehrten Bob Bell beziehen - er ist aktuell der Technikchef des Teams. Das Urgestein wiederum hatte von der Degradierung des Ex-Lotus-Mannes Nick Chester profitiert, der jetzt nur noch für das Chassisdesign verantwortlich zeichnet.


Fotos: Renault, Großer Preis von Australien


Formel-1-Projekt als Motor für Asiengeschäft

Abiteboul fordert Geduld mit Renault: "Wir wissen, dass es zwei oder drei Jahre dauern wird, auf das Podium zu kommen", benennt er ein Zwischenziel. "Uns ist klar, dass es nicht das höchste der Gefühle ist, aber ein vernünftiger Anfang." Denn Konzernchef Carlos Ghosn fordert langfristig den WM-Titel. Hat er sich mit diesem Ziel verhoben? Seine Statthalter jedenfalls staunten Bauklötze, was sich während ihrer sechsjährigen Abwesenheit in der Königsklasse in Sachen Niveau alles getan hat.

"Wir sind beeindruckt, wie hoch die Latte in der Formel 1 gelegt wurde und wir wissen um das geforderte Niveau. Die Serie wird allgemein nicht ausreichend gewürdigt", betont Abiteboul, der die Teamorganisation als Dauerbaustelle betrachtet, um flexibel zu bleiben: "Es gibt keine Deadline. Man ist nie zufrieden damit, wie man sich für die Formel 1 aufstellt. Als großes Team braucht man eine sich ständig anpassende Struktur, um eigne Fehler auszubessern und sich dem stetigen Wandel anzupassen."

Vorbild sei das "fantastisch gemanagte" Red-Bull-Projekt, spielt Abiteboul auf den Antriebspartner an und spricht von strukturellen Schwächen bei Renault: "Wir kommen nicht auf dem gleichen Level wie es zum Beispiel Volkswagen täte. Renault ist ein Außenseiter im System - nicht wie andere Premiummarken." Woran das genau liegt, verschweigt er. Verwunderlich: Renault ist seit langer Zeit ununterbrochen in der Formel 1 engagiert und verfügt über eine profilierte Motorsport-Abteilung.


So surft Renault in die Saison 2016

Das Werksteam hat sich für die Präsentation des Designs etwas Besonderes einfallen lassen: Kevin Magnussen und Jolyon Palmer müssen aufs Surfboard Weitere Formel-1-Videos

Für Renault ist die Beletage genau wie für Mercedes oder Ferrari ein internationales Marketing-Projekt. Abiteboul nennt den australischen und den chinesischen Automarkt als Beispiel, wo die Marke aus der Tradition als Serienkonstrukteur heraus keine grundlegende Prominenz besitzt. "Leute werden nicht wissen, dass es einen Twingo gibt, aber dass wir es mit Ferrari oder Mercedes aufnehmen können", sagt er über eine Möglichkeit, sich ohne Hintergrund als Premiumhersteller einzureihen und folgert: "Können Sie sich vorstellen, was das für die Preisgestaltung bedeutet?"