• 30.06.2006 03:50

  • von Inga Stracke

Ralf Schumacher: "Werden uns stark verbessern"

Ralf Schumacher erläutert die Probleme seines Toyota-Teams, spricht über die verbleibenden Ziele in dieser Saison und das Rennen in Indianapolis

(Motorsport-Total.com) - Ralf Schumacher war in Montréal wegen einer falschen Reifenwahl - im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Jarno Trulli entschied er sich für die weichere Bridgestone-Mischung - der unbestrittene Dreherkönig des Rennsonntags. In Indianapolis sprach er ausführlich über die Probleme seines Toyota-Rennstalls und über das bevorstehende Grand-Prix-Wochenende.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher kommt eigentlich nicht allzu gerne nach Indianapolis...

Frage: "Ralf, was hast du in den Tagen zwischen Montréal und Indianapolis gemacht?"
Ralf Schumacher: "Sport, ein bisschen Golf gespielt - nicht viel. Ich bin schon am Montag mit einem Flieger, den das Team hatte, hierher gekommen."#w1#

Reifenwahl in Montréal war eine Fehlentscheidung

Frage: "Wie konnte es denn passieren, dass ihr in Montréal mit der Reifenwahl so daneben lagt?"
Schumacher: "Es waren sehr schwierige Bedingungen am Freitag. Da sah es für uns so aus, als wenn beide Reifen funktionieren würden. Also haben wir beide ausprobiert, um nicht auf der falschen Seite zu liegen, aber das hat nicht so wie erwünscht funktioniert."

"Ich war sowieso die ganze Zeit auf weichen Reifen, also bin ich dann auch gleich drauf geblieben." Ralf Schumacher

Frage: "Was war der Hintergedanke dabei, dass du weich gegangen bist und Jarno Trulli hart?"
Schumacher: "Das war rein durch die Reihenfolge, wie wir angefangen hatten. Ich war am Freitagnachmittag und Samstagmorgen sowieso die ganze Zeit auf weichen Reifen, also bin ich dann auch gleich drauf geblieben."

Frage: "Wenn man das so aufteilt, ist das doch ein Zeichen, dass man sich in der Reifenwahl nicht sicher ist, oder?"
Schumacher: "Wir waren uns auch nicht sicher. Beides war möglich, aber wir waren uns nicht sicher, was besser sein würde."

Frage: "Viele waren überrascht, dass du im Rennen überhaupt so lange weitergefahren bist..."
Schumacher: "Bis zu einem gewissen Punkt macht das ja immer Sinn, weil man nie weiß, was passiert. Man könnte durch viel Glück und Zufall noch einen Punkt bekommen. Es war sicher kein Rennen, das mir Spaß gemacht hat."

Frage: "Jacques Villeneuve hat nach seinem Unfall gesagt, du hättest ihn auf die schmutzige Linie gezwungen. Hast du mit ihm darüber gesprochen?"
Schumacher: "Jacques weiß schon, was ihm da passiert ist. Das hatte weniger mit mir zu tun, aber wir hatten alle Schwierigkeiten. Ich wollte ihm aus dem Weg gehen und habe mit meinem super Grip selbst kaum die Kurve geschafft. Es war neben der Linie eine Katastrophe. Da muss sich Kanada etwas einfallen lassen."

Frage: "Hat sich der Asphalt denn wirklich aufgelöst?"
Schumacher: "Ja. Es lag Gummiabrieb - und darauf Asphaltstücke."

Schumacher sieht Toyotas Entwicklung positiv

Frage: "Dein Teampräsident John Howett sagt, dass jetzt der Wendepunkt für euch erreicht ist. Siehst du das auch so?"
Schumacher: "Schauen wir mal. Wir sind auf dem Weg dorthin. Ob wir hier schon dabei sein werden, bleibt abzuwarten, aber auf jeden Fall sind wir auf dem richtigen Kurs."

Frage: "Warum hat es so lange gedauert, diesen Wendepunkt zu erreichen?"
Schumacher: "Diese Frage könnte man an viele Teams adressieren. Die Formel 1 ist ein komplexes Thema."

"Der Start ist noch ein Thema. Das wird noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen." Ralf Schumacher

Frage: "Wie kommt es, dass bei euch immer so viele Fehler passieren, zum Beispiel am Start?"
Schumacher: "Der Start ist noch ein Thema. Das wird noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen, bis wir das in den Griff bekommen, aber die Reifenwahl war in Montréal extrem schwierig - für alle Teams. Williams hatte da auch Probleme. Ich glaube, dass Michelin die Nase schon etwas vorne hatte, ohne Bridgestone Unrecht tun zu wollen. Es sind viele Kleinigkeiten, die wir in den Griff bekommen müssen, aber die werden wir auch in den Griff bekommen."

Frage: "Glaubst du, dass ihr das viertbeste Team wärt, wenn mal alles klappen würde?"
Schumacher: "Das sind wir ja auch. Das sieht man eindeutig an der Rennpace."

Frage: "Nicht das BMW Sauber F1 Team?"
Schumacher: "BMW hat stark aufgeholt, allerdings haben sie es im Qualifying in Montréal geschafft, langsamer zu sein als am Vormittag. Es ist schwierig einzuschätzen. In Montréal war BMW sicher vor uns, aber im Qualifying haben sie es nicht hinbekommen. Genauso in Silverstone: In Q2 waren sie schneller, aber in Q3 war dann ich schneller. Das ist im Moment schwierig einzuschätzen."

Frage: "Wie kann es sein, dass ein Auto zwischen Q2 und Q3 in der Relation nach vorne kommt oder zurückfällt?"
Schumacher: "Bei uns war das Problem grundsätzlich, dass wir in den vergangenen beiden Rennen Probleme hatten, den Reifen richtig zu nutzen. Mit mehr Grip oder Gummiabrieb auf der Strecke hat sich die Balance jedes Mal verändert. In Silverstone war das ganz phänomenal, denn da hatten wir dank des schwereren Autos mehr Temperatur in den Reifen - und dann hatte ich so einen guten Grip wie das ganze Wochenende nicht. Auf einmal war ich Siebenter! Das war sehr interessant. Hohe Asphalttemperaturen und viel Gummiabrieb helfen uns."

Auch Vasselon kann Toyota nur beschränkt helfen

Frage: "Gerade die Reifen dürften bei euch doch kein Problem sein, schließlich ist euer Technikchef Pascal Vasselon ein ehemaliger Reifeningenieur..."
Schumacher: "Das hat nichts damit zu tun. Er hat klare Vorstellungen, was wir brauchen, aber das ist ein langwieriger Prozess. Bridgestone hat über den Winter im Verhältnis zu Michelin sicherlich einen riesigen Entwicklungsschritt gemacht, jetzt noch einmal, aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass man es jedes Mal richtig macht. Es hat ja auch bei Michelin Rennen gegeben, die eine Katastrophe waren."

Pascal Vasselon

Ex-Michelin-Ingenieur Pascal Vasselon kann Toyota nur begrenzt helfen Zoom

Frage: "Aber wenn jemand mit diesem Themengebiet umgehen kann, dann müsste es doch Pascal Vasselon sein, oder?"
Schumacher: "Ja. Auch da gibt es gewisse Einschränkungen. Man kann immer nur aus den Daten, die man hat, etwas herauslesen. In Montréal war es wie gesagt sehr schwierig für uns. Speziell am Freitag hatten alle Bridgestone-Fahrer sehr wenig Grip."

Frage: "Liegt das am schmalen Temperaturfenster oder ist der Reifen so schwierig einzuschätzen?"
Schumacher: "Das Fenster ist sehr schmal gewesen, speziell in Montréal. Dadurch war der Reifen sehr schwer einzuschätzen. Bei Jarno ging es dann im Qualifying, aber selbst da war die Situation am Anfang noch schwierig. Im Rennen hat es sich gehalten."

Frage: "Hat Michelin ein breiteres Temperaturfenster als Bridgestone?"
Schumacher: "Das ist so, aber das ist auch nichts Ungewöhnliches. Wenn man sich im Entwicklungsprozess befindet und gewisse Schritte sehr schnell macht, ist das etwas Natürliches, dass man nicht immer ganz optimal in alle Richtungen aufgestellt ist."

Frage: "Glaubst du noch an das Saisonziel, den ersten Toyota-Sieg einzufahren?"
Schumacher: "Ich glaube schon, dass wir uns zum Ende der Saison hin stark verbessern werden. Ob es zum Sieg reichen wird, bleibt abzuwarten."

Frage: "Wo müsst ihr euch noch verbessern?"
Schumacher: "Wir müssen sicherlich die Probleme der Haltbarkeit in den Griff bekommen, aber das ist das geringere Problem. Wir brauchen auch noch was auf der aerodynamischen Seite. Ansonsten haben wir eigentlich ein sehr brauchbares und gutes Auto, aber es gilt auch kleinere Fehler von Fahrerseite wie Reifenwahl und so weiter zu vermeiden. Manchmal war auch Pech dabei, denn Jarno wäre in Monaco auf das Podium gefahren, wenn er nicht einen technischen Defekt gehabt hätte. Die Zuverlässigkeit müssen wir also auf jeden Fall aussortieren."

Sieg als Saisonziel nur ein Marketinggag?

Frage: "Hast du die Herausforderung unterschätzt, als ihr den ersten Sieg als Ziel ausgegeben habt?"
Schumacher: "Nein, aber das war halt einfach aufgrund des vergangenen Jahres, dass wir das Ziel gar nicht anders kommunizieren hätten können, glaube ich. Wir sind sicherlich am Anfang des Jahres schlechter gestartet als erwartet, aber ich erachte es nach wie vor als möglich, dass uns ein Sprung gelingen kann. Das muss uns auch gelingen, ganz klar."

Frage: "Ist die Lage im Team nach diesen Personalrochaden - Stichwort Mike Gascoyne - stabil?"
Schumacher: "Sehr stabil, ja."

"Vorsicht ist immer geboten." Ralf Schumacher

Frage: "Siehst du dadurch, dass Michelin an diesem Wochenende vielleicht etwas konservativer vorgehen wird, einen Vorteil für euch?"
Schumacher: "Ich glaube, dass beide Seiten dieses Jahr extrem sensibel sind, weil sie auf Nummer sicher gehen wollen. Vorsicht ist immer geboten."

Frage: "Hundertprozentig sicher kann man sich bei der Steilkurve ja nie sein, weil man sie nicht simulieren kann, oder?"
Schumacher: "Es gibt sicherlich Effekte und Unebenheiten, die man nicht immer simulieren kann, aber die IRL zeigt ja, dass es technisch möglich ist, also sollte es in der Formel 1 auch möglich sein."

Frage: "Du hattest hier ja noch nie so viel Glück, vergangenes Jahr diesen schweren Unfall, 2004 auch. Kannst du das verdrängen?"
Schumacher: "Ich denke, das ist Part of the Game. Man ist zwar sehr unglücklich, aber mein Gott. Vergangenes Jahr hat es wenigstens dazu geführt, dass keinem anderen etwas passiert ist, sondern dass alle aufgehört haben. Das hat ja wenigstens Sinn gemacht. Ich hoffe, dass es dieses Jahr keine Schwierigkeiten geben wird."

Frage: "Mit welchem Gefühl kommt man hierher, wenn einem zweimal so etwas passiert ist?"
Schumacher: "Mit keinem anderen als auf jeder anderen Rennstrecke."

Frage: "Du wirst also gleich in der ersten Runde voll durch die Steilkurve fahren?"
Schumacher: "Das ist dort ja nicht so schwierig, denn die Kurve geht relativ einfach voll. Man kann in den zweiten Gang runterschalten, wenn man vorsichtig sein will, aber das macht ja nicht wirklich Sinn..."

Schumacher kein Freund von Indianapolis

Frage: "Wie ist die Strecke für dich als Fahrer? Macht sie Spaß?"
Schumacher: "Spaßig ist die Strecke überhaupt nicht. Es gibt ein relativ enges Infield, wo es ziemlich stark rutscht, und es gibt eine lange Gerade. Die Strecke an sich ist sicherlich keine der besten auf der Welt."

"Man muss auf der Geraden vom Speed her halbwegs mitkommen." Ralf Schumacher

Frage: "Das Setup ist hier mit dem engen Infield und dem längsten Vollgasstück im Kalender nicht einfach. Wie wird euch das liegen?"
Schumacher: "Ich hoffe, dass wir einen guten Kompromiss zwischen Infield und Gerade haben werden, denn das ist hier das Wichtigste. Man muss auf der Geraden vom Speed her halbwegs mitkommen. Da jetzt ja die Flügelsituation geklärt ist - man hat ja schon in Kanada gesehen, dass sich das besser für alle Beteiligten auswirkt -, denke ich, dass wir einigermaßen dabei sein werden."

Frage: "Wie wird die Formel 1 hier in diesem Jahr empfangen?"
Schumacher: "Bis jetzt sehr positiv - wie jedes Jahr. Schauen wir mal, was auf den Tribünen los sein wird, aber das kann man ja eh nicht ändern."

Frage: "Warst du bei den Autogrammstunden dabei?"
Schumacher: "Ich war dort, ja. Das war ganz normal, es war viel los, gute Stimmung."

Frage: "Ist die Fahrer-WM deiner Meinung nach schon entschieden?"
Schumacher: "Theoretisch natürlich nicht, praktisch sieht es schon so aus. Alonso macht auf jeden Fall im Moment mit Renault zusammen einen sehr soliden Job. Es sind aber noch neun Rennen."

Frage: "Wie wirst du dich während des Freien Trainings über das Fußballspiel zwischen Deutschland und Argentinien informieren?"
Schumacher: "Wir gewinnen ja sowieso, da muss man nicht zuschauen. Die WM gucke ich aber schon."