• 24.06.2002 10:06

  • von Fabian Hust

Psychologisch wichtiger Sieg von Rubens Barrichello

Angesichts der bevorstehenden Anhörung vor dem Motorsportweltverband FIA kam der Barrichello-Sieg gerade im richtigen Moment

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Europa war für das Ferrari-Team ein perfektes Ergebnis. Mit seinem zweiten Formel-1-Sieg arbeitete sich Rubens Barrichello in Richtung Vizetitel vor, der vom Brasilianer sehr emotionale gefeierte Triumph war eine Wiedergutmachung für die vielen Probleme der letzten Rennen. Gleichzeitig kam auch Michael Schumacher mit seinem zweiten Platz seinem Saisonziel einen Schritt näher.

Titel-Bild zur News: Barrichello und Schumacher

Sowohl Barrichello als auch Schumacher konnten sich als Sieger fühlen

Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass der Sieg Barrichellos wenige Tage vor der Anhörung Ferraris vor dem Automobilweltverband FIA am kommenden Mittwoch kam. Für die bevorstehenden Gespräche ist dies ein klarer psychologischer Vorteil. Sicherlich war man bei Ferrari in den letzten Runden noch nervöser als das Publikum, denn die Fans wussten, dass es dieses Mal keinen Platztausch mehr geben würde.

Was wäre aber wohl gewesen, wenn es an Rubens Barrichellos Auto ein unsichtbares technisches Problem gegeben hätte oder sich "Rubinho" einen Fahrfehler geleistet hätte und Schumacher so vorbeigekommen wäre? Dann hätte Ferrari unfreiwillig dumm aus der Wäsche geschaut. Dass Ferrari Rubens Barrichello und Michael Schumacher zum Schluss einbremste, was auch einen "Nichtangriffspakt" voraussetzte, war zwar erneut eine Form der Stallorder, aber sie war gerade im Hintergrund dieser Befürchtung eine verständliche Entscheidung.

Der Sieg von Rubens Barrichello war ein Sieg des Sports, und ein "Sieg für das Publikum" wie es McLaren-Teamchef Ron Dennis nach dem Rennen ausdrückte. "Im Hinblick auf den bevorstehenden Termin mit der FIA ist das nur logisch, was sie getan haben", so der Brite. Doch Ferrari-Rennleiter Jean Todt dementiert, dass man während dem Rennen an den kommenden Mittwoch gedacht hat: "Überhaupt nicht, der Mittwoch war nicht im Hinterkopf. Ich kann darüber erst etwas sagen, wenn wir die Anhörung hinter uns haben und ich erwarte auch keine schwierige Situation."

Ross Brawn, der Technische Direktor von Ferrari, gibt zu, dass man aber an Österreich gedacht hat: "Wir sind alles nur Menschen und haben aus Österreich viel gelernt", so der Brite gegenüber 'Premiere'. "Beide Fahrer haben keine Teamorder erhalten, so dass sie voll gegeneinander fahren konnten. Die einzige Anweisung von uns lautete, dass sie sich nicht gegenseitig von der Piste schieben."

In Monaco gab Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo das Versprechen ab, dass Ferrari "in dieser Form" nicht noch einmal eine Stallorder aussprechen wird. Dieses Mal war nach Aussage Ross Brawns "wegen der geänderten Situation in der Weltmeisterschaft auch kein Bedarf" vorhanden, eine Stallorder auszusprechen. "Wir verneinen auch gar nicht, dass wir am liebsten in Österreich anders gehandelt hätten." Eine Einsicht, die zu spät kommt aber die FIA dennoch milde stimmen könnte.

Die Show von Ferrari vor der Anhörung war perfekt. Man ließ beide Fahrer frei fahren, Michael Schumacher gab alles, um Rubens Barrichello zu schlagen, was sich in seinem Dreher äußerte. Und es gewann am Ende dieses Mal der "richtige" Fahrer. Rubens Barrichello wollte nicht mehr an Österreich denken: "Das ist Vergangenheit, aber ich respektiere die Entscheidung des Teams noch heute."

Barrichello war der verdiente Sieger. Er hatte einen tollen Start, er war zwar nicht der schnellste Mann auf der Strecke, aber er behielt die Nerven als Schumacher hinter ihm fuhr und leistete sich im Gegensatz zum Weltmeister keinen Fehler: "Der Sieg ist die Folge davon, dass ich heute ein anderer Mensch bin, ruhiger, positiver gestimmt und entschlossener. Die Jungs sagten mir, dass ich nicht zu viel Druck machen soll, damit ich die Reifen, die Bremsen und den Motor nicht zu sehr belaste, denn wir hatten ja eine große Führung. Ich versuchte aus diesem Grund ruhig zu bleiben. Ich wusste, dass der Sieg erst in trockenen Tüchern ist, wenn die Zielflagge gefallen ist. Michael gratulierte mir und sagte zu mir, dass ich ein großartiges Rennen gefahren bin. Der Sieg und die Tatsache, dem Team einen Doppelsieg gegeben zu haben ist einfach fantastisch."