Parc-Ferme-Regeln: Wie die FIA ihre Einhaltung sicherstellt
Bedingt durch die Bib-Affäre stehen die Parc-Ferme-Regeln der Formel 1 derzeit stark im Fokus - Was sie vorschreiben und wie die FIA sie überwacht
(Motorsport-Total.com) - Der technische Diskurs rund um die Bib-Affäre bei Red Bull hat die Parc-Ferme-Regeln der Formel 1 ins Rampenlicht rücken lassen. Dabei geht es jedoch nicht - wie bei der Affäre selbst - in erster Linie darum, dass Red Bull eine Vorrichtung im Auto hatte, mit der man den Bib anheben oder absenken kann.

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Zwischen Qualifying und Rennen darf nur begrenzt an den Autos gearbeitet werden Zoom
Im Zentrum der Diskussion steht vielmehr, ob das Team dieses Hilfsmittel während der Parc-Ferme-Phase verwendet hat, also in der Zeit zwischen Qualifying und dem Rennen.
Einige Rivalen von Red Bull vermuten, dass es für einen Mechaniker leicht wäre, unbemerkt mit einem Werkzeug in das Cockpit zu greifen und eine solche Anpassung vorzunehmen. Red Bull weist diese Behauptungen als Unsinn zurück.
Das Weltmeisterteam erklärte, es sei unmöglich gewesen, dergleichen zu tun, ohne von der FIA erwischt zu werden. Zum Beweis zeigte es ein etwa 60 Zentimeter langes Werkzeug, das während des Trainings für Anpassungen verwendet wurde.
Die Ansichten auf beiden Seiten der Debatte scheinen im Moment ziemlich festgefahren zu sein. Doch aus Perspektive der FIA sind die Kontrollen der Parc-Ferme-Regeln sehr streng.
Parc-Ferme-Regeln der Formel 1
Die Parc-Ferme-Regeln sind im Sportlichen Reglement festgelegt und erlauben nur Wartungs- und Sicherheitsänderungen - etwa die Reparatur von Unfallschäden oder defekten Komponenten sowie Änderungen zur Verbesserung des Fahrerkomforts.
Set-up-Anpassungen sind stark eingeschränkt. So ziemlich das einzige Leistungselement, das verändert werden kann, ist der Winkel der Frontflügel-Flaps. Die Teams dürfen keine Karosserieteile hinzufügen, entfernen oder austauschen.
Wenn ein Team ein Teil ersetzen möchte, muss eine schriftliche Anfrage an die FIA gestellt werden. Alle neuen Komponenten müssen in Bezug auf Design, Masse, Trägheit und Funktion dem Originalteil entsprechen. Die ausgebauten Teile werden von der FIA aufbewahrt, falls weitere Überprüfungen nötig sind.
Die FIA hat ein wachsames Auge
Um sicherzustellen, dass die Teams die Regeln einhalten, setzt die FIA zwei Kontrollsysteme ein - ein menschliches und ein elektronisches. Der erste Teil besteht aus Kontrolleuren, die jedem Auto zugeteilt sind und das gesamte Rennwochenende überwachen.
In dem Zusammenhang erklärt der stellvertretende Technische Delegierte der FIA, Manuel Leal: "Wir haben 20 technische Kommissare, die jede einzelne Operation am Auto überwachen und protokollieren, damit wir sie später überprüfen können."
"Zu Beginn der Saison müssen die Teams eine Liste der Arbeiten einreichen, die sie normalerweise im Parc Ferme durchführen wollen, und wir genehmigen diese oder nicht."
Warum Verstappens Auto umgebaut werden muss!
"Jedes Auto ist anders, und so kann es sein, dass sie sagen, dass sie die Zündkerzen ausbauen müssen, um den Brennraum zu überprüfen, und für den Ausbau der Zündkerzen müssen sie etwas anderes ausbauen. Diese Liste wird den Kommissaren zur Verfügung gestellt, damit sie den Überblick behalten."
Zusätzlich zu den technischen Kommissaren gibt es Kameras in den Garagen. "Wir haben eine Kamera über jedem Auto, das überwacht und aufgezeichnet wird. Es ist ähnlich wie eine Sicherheitskamera. Wir überwachen in Echtzeit, und es gibt ständig Leute, die beobachten, was am Auto geschieht", betont Leal.
Genaue Set-up-Dokumente sind Pflicht
Eine weitere Maßnahme der FIA zur Sicherstellung, dass die Teams keine unerlaubten Änderungen vornehmen, sind detaillierte Aufzeichnungen zum Set-up: "Die Teams müssen vor dem Qualifying für jedes Auto ein Papiert zum Set-up einreichen."
"Es enthält Informationen über Radsturz, Spurweite, Radlasten und so weiter. Zum Beispiel, wenn ein Auto einen Unfall hat und wieder aufgebaut werden muss, überprüfen wir, dass nur der Unfallschaden repariert und keine Set-up-Änderungen vorgenommen werden. Wir müssen sehen, dass alle gleich bleibt."
"Wenn etwas ersetzt werden muss, wie etwa ein defekter Sensor an der Federung, brauchen wir einen Nachweis über den Defekt", erklärt der FIA-Delegierte weiter.
"Und wenn es mit einem leistungskritischen Punkt zusammenhängt, wie zum Beispiel der Gewichtsverteilung, dem Ballast, der Aufhängungsabstimmung oder der Aerodynamik - abgesehen von den Frontflügel-Flaps - wird ein FIA-Beamter überprüfen, dass es sich auch wirklich um das gleiche Teil handelt."
Bis 40.000 Siegel pro Saison werden gesetzt
Die FIA ist sich bewusst, dass es möglich ist, tief im Auto versteckte Einstellungen zu ändern. Um dies zu verhindern, werden Siegel an Geräten angebracht, die Einstellungen ändern können - so auch bei der Bib-Vorrichtung von Red Bull in Austin.
"Motoren und Getriebe sind natürlich versiegelt", sagt Leal. "Aber wir haben das Recht, Siegel an jedem Teil anzubringen, das wir im Blick behalten wollen. Wenn wir uns wegen eines kritischen Bauteils Sorgen machen, das schwer live zu überwachen ist, auch mit Kameras, dann bringen wir eine Versiegelung an."
Im Laufe der Saison könnten das bis zu 40.000 Siegel sein, verrät er. "Das zeigt, wie streng unsere Kontrollen sind." Teams dürfen noch zwei Stunden nach dem Qualifying an ihren Autos arbeiten, bevor sie eine Abdeckung anbringen müssen.
Diese Abdeckung wird dann fünf Stunden vor dem Start der Formationsrunde für weitere Arbeiten entfernt. Um die Einhaltung der Vorschriften weiter zu überprüfen, unterzieht die FIA die Autos am Rennmorgen regelmäßig einer Inspektion durch ihre eigenen Mitarbeiter, um ganz sicher zu sein, dass alles in Ordnung ist.
Leal ergänzt: "Das FIA-Personal überprüft normalerweise am Sonntagmorgen das Set-up und die technischen Daten der Teile, um sicherzustellen, dass kein Prüfer etwas übersehen hat, was ehrlich gesagt selten vorkommt. Es ist eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, um sicherzustellen, dass die Teams die Regeln einhalten."
"Wir wollen sichergehen, dass wir gleiche Bedingungen haben und mit Autos ins Rennen gehen, die sich in dem Zustand befinden, in dem sie sich auch qualifiziert haben."


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