• 24.01.2007 13:33

  • von Michael Noir Trawniczek

Newey: "RB3 ist eher eine Evolution"

Red-Bull-Stardesigner Adrian Newey im Interview über den neuen RB3, das Einbringen seiner McLaren-Philosophie bei Red Bull und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Einem Colin Chapman, dem legendären Lotus-Designer, den seine Ideen angeblich in der Badewanne einholten (wo er sofort Papier und Bleistift gezückt haben soll), wird man - allerhöchstwahrscheinlich - nicht mehr begegnen - der "Mr. Lotus" verstarb 1982, als 54-Jähriger, an einem Herzinfarkt. Dafür konnte man gestern im Salzburger 'Hangar-7' dem Stardesigner der aktuellen Formel 1 begegnen, Adrian Newey, dem Technikdirektor von Red Bull.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey

Adrian Newey gilt seit Jahren als genialster Designer der Formel 1

Newey hat bei Williams und McLaren Weltmeisterautos gebaut - und: Er gilt als ein Liebhaber von extremen, neuen Lösungen. Bei McLaren-Mercedes durfte er sich weit aus dem Fenster lehnen - mit dem MP4-18 stellte er eine wunderschöne, fragile, schmale, flache Rakete auf die Räder, die jedoch scheiterte. Newey stieß an die Grenzen, an jene des Leichtbaus - heute werden ihm die Grenzen von dem immer engmaschigeren Regelwerk gesetzt. Wenn er davon spricht, tut er das mit einem bedauernden Unterton.#w1#

Reglement schränkt die Aerodynamik ein

"1979 haben die Windkanaltests gerade erst begonnen." Adrian Newey

Warum die Formel-1-Autos heute einander so sehr ähnlich sehen, warum ihre Nachfolger den Vorgängern gleichen? Newey antwortet: "1979 haben die Windkanaltests gerade erst begonnen. Heute haben wir Windtunnels, die 24 Stunden am Tag laufen, mit drei Schichten zu je sechs Stunden, meist sind es mindestens 35 Techniker, die dort an der Form der Autos feilen." Haben also die Formel-1-Autos ihre optimale Form erreicht? Newey spricht von einem "sehr engmaschigen Reglement". Wie ein Formel 1 bei einem völlig offenen Reglement aussehen könnte - diese Frage lässt er offen.

Newey ist anders als Chapman - nicht in großem Stile aufbrausend, sondern sehr zurückhaltend, very british sozusagen. Newey einmal nicht in Teamkleidung, sondern zivil - Boshafte würden sein privates Outfit wohl als "Niki-Lauda-esk" bezeichnen - typisch Techniker, könnte man auch sagen. Aber was Newey wirklich ausmacht, vermag man dann zu verspüren, wenn man ihm gegenübersteht und er über sein "Baby", sein neues Auto spricht. In seinen Augen glaubt man Blitze der Leidenschaft zu sehen.

Der Red-Bull-Renault RB3 soll das Team von Dietrich Mateschitz beflügeln. Der Druck ist groß - alle fragen ihn nach den Zielen für die kommende Saison, doch er sagt nur: "Ich versuche, nicht zu träumen. Ich glaube nicht an Ziele - ich glaube daran, den bestmöglichen Job zu erledigen."

Als er von einer Kollegin auf die "Stärken und Schwächen" seines neuen Entwurfs angesprochen wird, antwortet er: "Wir haben mit den Windtunneltests recht spät begonnen, denn wir wollten zuerst unseren neuen Windtunnel kommissionieren und kalibrieren lassen, um den Wagen dann ausschließlich im neuen Windkanal entwickeln zu können. Das hatte zur Folge, dass wir nicht vor Juni mit den Windkanaltests begonnen haben, was doch recht spät ist. Aber ich bin diesbezüglich nicht besorgt, denn jene Teile, die fundamental an einem modernen Formel 1-Wagen sind, wurden in vollem Umfang entwickelt, wie wir das im Moment haben wollen - und die anderen Teile, beispielsweise Windabweiser, diverse Flügel, können wir auch während der Saison weiterentwickeln."

Am Rande der Pressekonferenz konnten wir ein kurzes Gespräch mit Newey führen, natürlich stand das neue Auto im Vordergrund, das am Freitag in Barcelona vorgestellt wird - Technikfans dürfen sich laut seinen Worten zumindest auf Detaillösungen freuen, die "man noch nie zuvor gesehen hat".

Frage: "Adrian, Sie haben in Ihrer Arbeit immer wieder das Extreme gesucht. Wie sieht das beim RB3 aus, welches Wort trifft eher zu: Revolution oder Evolution?"
Adrian Newey: "Dieses Auto würde ich eher als eine Evolution bezeichnen, es gibt aber einige neue Ideen, die man noch nie zuvor gesehen hat, es handelt sich jedoch nicht um fundamentale Ideen. Gezwungenermaßen. Wir haben ein sehr striktes Reglement und befinden uns im dritten Jahr innerhalb dieser Regeln. Es ist daher schwierig, etwas herauszubringen, das man als extrem bezeichnen kann. Aber es gibt einige Detaillösungen, die, so denke ich, doch unüblich sind."

RB3 hat Elemente des "Silberpfeils" an sich

"Es ist eine Fortsetzung jener Arbeit, die ich bei McLaren geleistet habe." Adrian Newey

Frage: "Sie haben vor langer Zeit bei March gearbeitet und diese Fahrzeugphilosophie zu Williams quasi mitgenommen. Der letzte March und der erste Williams aus Ihrer Feder - trotz unterschiedlicher Lackierung erkannte man ihre Handschrift, ihre Philosophie. Haben Sie nun auch den Weg, den Sie bei McLaren eingeschlagen haben, bei Red Bull Racing fortsetzt? Haben Sie die McLaren-Philosophie zu RBR gebracht?"
Newey: "Das Auto, das Sie am Ende der Woche sehen werden, ist mein erster Entwurf für Red Bull Racing, aber es ist auch eine Fortsetzung jener Arbeit, die ich bei McLaren geleistet habe. Sie werden an dem neuen Auto auch Elemente des letzten McLaren entdecken, den ich konstruiert habe. In anderen Bereichen wiederum werden Sie Elemente sehen, die aus der Erfahrung her resultieren, die das Red-Bull-Racing-Team gemacht hat. Und Sie werden neue und frische Ideen entdecken."

"Es handelt sich also um eine Kombination, um eine Mischung von verschiedenen, unterschiedlichen Inputs - für mich war das sehr aufregend, mit neuen Leuten zu arbeiten, ihre Ideen anzuhören und diese zusammen mit meinen Vorstellungen quasi in einen Topf zu werfen, um dann zu versuchen, die besten Elemente heraus zu picken. Und das ergibt dann eben auch neue Ideen, neue Lösungen, die ich alleine nicht entwickelt hätte."

Frage: "Heißt das, dass Sie, der als einer der besten Formel-1-Designer gilt, von Ihren neuen Kollegen auch etwas gelernt haben?"
Newey: "Ja, absolut."

Frage: "Also auch neue Dinge, die Sie zuvor nicht kannten?"
Newey: "Ja, ganz sicher. Das ist das Aufregende an der Formel 1 - du lernst immer etwas Neues dazu. Das liegt daran, dass die Formel 1 eben keine komplett verstandene Wissenschaft ist. Es gab Bereiche, die von den Red-Bull-Racing-Ingenieuren untersucht und verstanden wurden, welche ich noch nicht einmal beachtet habe, und so war es auch umgekehrt - und darum ist es bei der Entwicklung dieses Autos gegangen. Dieser Austausch von Erfahrungen stand bei der Entwicklung des RB3 im Vordergrund."

Frage: "Sie werden ein bisschen als eine Art Heilsbringer betrachtet, der Red Bull Racing nun zum Siegerteam machen soll. Vor allem Red Bull selbst erwartet sehr viel von Ihnen respektive Ihrem Auto. Dietrich Mateschitz sagte: 'Wir haben nun das bestmögliche Auto!' Ist es nicht hart für Sie, mit diesem Druck klarzukommen?"
Newey: "Dietrich Mateschitz hat eine enorme Leidenschaft für diesen Sport entwickelt und er hat diesem Sport sehr viel Gutes gebracht und ich möchte ihm diese Investition gerne zurückzahlen - mit einem Auto, das konkurrenzfähig ist und das es einem erlaubt, Freude am Rennsport zu empfinden. Wenn man ein Team betreibt, gibt es immer einen gewissen Druck - ganz gleich, ob es sich beim Besitzer des Teams um einen großen Konzern, einen Vorstand oder ein einziges Individuum handelt - der Besitzer möchte natürlich sehen, dass sein Auto gut abschneidet. Das ist der Druck von außen - doch wenn ich ehrlich bin, dann ist der größere Druck jener, den ich mir selbst auferlege. Ich möchte meinen Job bestmöglich erledigen, so gut ich es kann."