Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!
Mosley: "Die Teams zahlen, ohne zu fragen"
Der FIA-Präsident im Interview über neue Teams und die Art und Weise, wie die Teams in der Formel 1 Geld zum Fenster rauswerfen
(Motorsport-Total.com) - Das folgende Interview wurde am 20. Dezember in der französischen 'L'Equipe' veröffentlicht und nun für die Veröffentlichung durch die Presseabteilung des Automobilweltverbandes FIA zur Verfügung gestellt. Hier können Sie nach der gestrigen Veröffentlichung des ersten Teils den zweiten und letzten Teil des Interviews mit FIA-Präsident Max Mosley nachlesen

© xpb.cc
Max Mosley will den Budgetwahnsinn in der Formel 1 stoppen
Frage: "Sie sagen, dass es drei oder vier Leute gibt, die an der Formel 1 interessiert sind. Meinen Sie damit Teams, die bereit sind, mit einem eigenen Team an den Grands Prix teilzunehmen?"
Max Mosley: "Absolut. Es gibt drei, vielleicht sogar vier Leute, die sehr bekannt sind und die in die Formel 1 kommen wollen, dies aber im Moment wegen der damit verbundenen Kosten nicht tun können - die Vermutung, wer dies sein könnte, überlasse ich Ihnen."#w1#
"Wenn wir es schaffen, die Kosten auf 100 bis 120 Millionen Dollar (rund 85-100 Millionen Euro) zu senken, also auf ein vernünftiges Budget, dann werden sie kommen. Sie sind unabhängige Teams, die sich aus diesem Grund durch Sponsoring finanzieren müssen. Sie wollen in der Formel 1 kein Geld verlieren."
Frage: "Sind dies Leute aus dem Rennsport oder Investoren?"
Mosley: "Es sind alles Leute aus dem Rennsport. Sie kommen aus diesem Umfeld, sie haben das Geld oder den Zugang zum Geld. Wenn ich sie alle zähle, dann gibt es tatsächlich mindestens sechs, die ein solches Projekt im Kopf haben, inklusive jener drei oder vier, die ernst zu nehmen sind. Sie haben zwei Jahre vor sich liegen, während denen sie sich vorbereiten können. Aber sie müssen Anfang 2006 eine Entscheidung treffen, wenn sie 2008 an den Start gehen möchten."
Mosley blickt sorgenvoll auf die offenen Geldbörsen der Konzerne
Frage: "Ihre Hauptkritik bezieht sich derzeit auf die Eskalation der Kosten..."
Mosley: "Ja, mir tut es leid, dass ich weiterhin darüber sprechen muss, aber dies ist der grundsätzliche Punkt. Es gibt große Hersteller, die schon 300 bis 400 Millionen ausgeben und die bereit sind, noch mehr auszugeben, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen, denn dies ist für ihr Image sehr, sehr wichtig."
"Ich möchte zu ihnen sagen: 'Wenn Ihr weiter mit uns zusammenarbeiten wollt, dann müsst Ihr nach unseren Regeln spielen, denn die Weltmeisterschaft gehört der FIA'. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Hersteller kommen und gehen, wann sie wollen. Sie haben natürlich das Recht, dies so zu tun, aber unsere Aufgabe ist es, zu schauen, dass es die Meisterschaft weiterhin gibt - mit oder ohne ihnen."
Frage: "Kann Herr Mateschitz, der Besitzer der Mark Red Bull und zweier Teams (Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso), die Formel 1 ebenfalls verlassen, wenn er dies tun möchte, an dem Tag, an dem die Formel 1 aus Marketinggründen für ihn nicht mehr länger interessant ist?"
Mosley: "Absolut. Aber er stellt kein Problem dar. Wir brauchen keinen Herrn Mateschitz mit enormen Geldsummen, denn in einem 'normalen' Markt sollten wir unter all den großen Firmen weltweit immer jemanden finden, der ihn ersetzt, vorausgesetzt die Kosten verhindern das nicht."
"Im Moment ist die Formel 1 zu teuer. Ein großes privates Team, das in Amerika sehr bekannt ist, hat vor kurzem zu Bernie (Ecclestone, Formel-1-Boss; Anm. d. Red.) gesagt: 'Wir wollen in die Formel 1, aber nur, wenn wir dies mit einem Budget von 80 Millionen Dollar (67,5 Millione Euro) tun können'. Denn das ist das Niveau, auf dem ein Team Gewinn erzielen kann. Frank (Williams, Teamchef von WilliamsF1; Anm. d. Red.) denkt ebenfalls auf diesem Niveau, Ferrari auch..."
Wurde das Budget bei Ferrari massiv zusammengestrichen?
Frage: "Aber Ferrari ist eines jener Teams, das den Ruf hat, am meisten Geld auszugeben..."
Mosley: "Meiner Meinung nach hat sich das fundamental geändert, seitdem Jean Todt das gesamte Unternehmen Ferrari leitet, nicht nur die Scuderia. Er trägt nun die Verantwortung für die Finanzen der gesamten Marke und er weiß, dass er nicht viel auf die Unterstützung von Fiat bauen kann. Er hat einfach die Rechnung aufgestellt: 100 Millionen Euro, das sind 25.000 Euro für jeden Ferrari, der verkauft wird."
"Es ist im Interesse des Unternehmens, dass das Formel-1-Team auf der gleichen Basis arbeiten kann wie ein unabhängiges Team, sprich auf der Basis von Gewinn oder man zumindest keinen Verlust macht. Die Interessen von Jean Todt und Frank Williams sind nun dieselben."
"Was Red Bull betrifft, so habe ich mit Herrn Mateschitz gesprochen und ihm gesagt: 'Mir ist sehr wohl bewusst, dass Sie so viel Geld ausgeben können, wie Sie wollen'. Er antwortete: 'Ja, aber auch so will ich es in einem vernünftigen Rahmen halten'. Herr Mateschitz befindet sich in der Position eines normalen Sponsors und er will einen Gegenwert für sein Geld. Für ihn sind 100 bis 120 Millionen ein ordentliches Budget."
Die Hersteller verfolgen laut Mosley den falschen Ansatz
Frage: "Sie haben fünf Teams auf ihrer Seite, plus drei oder vier ernst zu nehmende Kandidaten für die Formel 1, stärken sie damit ihre Position im Vergleich zur 'GPMA'?"
Mosley: "Die Hersteller reden immer über Bernies Geld. Sie wollen eine bessere Verteilung der Einnahmen, die die Formel 1 generiert. Ich kann verstehen, dass sie sauer sind, sehen zu müssen, dass Bernie ein Multi-Milliardär ist, aber war er nicht schlussendlich derjenige, der alles aufgebaut hat, und sind sie nicht in den Sport gekommen und wussten über alles genau bescheid?"
"Stellen wir uns vor, jeder der Konstrukteure schafft es, fünf Millionen Dollar mehr von Bernie zu bekommen, das ist schon ein großartiger Deal, aber es ist nichts im Vergleich dazu, was sie in der Formel 1 ausgeben und was ich verschwendetes Geld nenne. Denn wenn jene, die nun 300 bis 400 Millionen Dollar oder vielleicht mehr ausgeben, die Bedingungen akzeptieren, die wir vorschlagen, nämlich das Budget auf 100 Millionen Euro zu senken, dann würden sie 200 bis 300 Millionen Euro sparen!"
"Ich kann Ihnen von einem Hersteller erzählen, dessen Name ich nicht nennen werde, der seinen Aktionären eine Dividende von insgesamt 400 Millionen Euro zahlt und der viel mehr als 200 Millionen Euro für die Formel 1 ausgibt. Und diese 200 Millionen sind nur für den Motor!"
Der Vorteil der Hersteller soll reduziert werden
Frage: "Aber wie können Sie verhindern, dass ein Hersteller Geld für die technische Forschung ausgibt?"
Mosley: "Das ist schwierig. Der einzige Weg ist, das Verhältnis zwischen verbesserter Leistung und finanziellem Investment unter einen bestimmten Level zu bringen. Die Kosten eines Motors, der Aerodynamik, der Reifen und so weiter durch ein technisches und sportliches Reglement zu reduzieren."
"Wenn der Windkanal eines Herstellers 24 Stunden am Tag läuft, dann muss es für einen anderen Gegner, dessen Windkanal zu 70 Prozent genutzt wird, möglich sein, mit einem besseren Fahrer dennoch zu gewinnen. An einem bestimmten Punkt wird der Konstrukteur deshalb zugeben, dass das Geld, das man ausgibt, verschwendet ist."
Frage: "Sind nicht alle von ihnen so extravagant?"
Mosley: "Unter den fünf, die bisher in die Formel 1 gekommen sind, sind zwei bereit, für den Gewinn der Weltmeisterschaft alles auszugeben. Es gibt zwei andere, deren Bosse sagen: 'Wenn es aus finanzieller Sicht vernünftig ist, dann machen wir es, falls nicht, dann hören wir auf'. Der große Boss einer von ihnen sagte mir sogar: 'Wenn es wirklich Profit bringt, warum sollte man nicht mit zwei Teams unter unterschiedlichen Marken fahren?' Der Fünfte schwankt zwischen enormen Ausgaben und dem Pfad der Vernunft."
Frage: "Sie wollen nicht, dass die Formel 1 ein Vergnügen wird, das nur den Fahrern und den Ingenieuren vorbehalten bleibt?"
Mosley: "Im Moment ist es das Spielfeld der Ingenieure. In bestimmten Getrieben hat man Technologien, die absolut faszinierend sind - wenn man von ihnen weiß. Nur rund ein Dutzend Leute interessiert sich für sie, nicht die Millionen Fans, die die Formel 1 verfolgen. Es ist jedoch indirekt das Publikum, das für die Formel 1 bezahlt."
"Ein weiteres kleines Beispiel der Verschwendung, das ich in England beobachten konnte: die Luftfahrtindustrie, die den Teams auch Teile zur Verfügung stellt, stellt die Formel 1 einen kleinen Prozentsatz des Umsatzes dar, aber einen sehr großen Anteil ihrer Gewinne - denn viele Teams zahlen, ohne zu fragen, solange die Qualität stimmt."
"Ein ähnliches Beispiel: Ich habe 2003 mitbekommen, dass ein großer Hersteller seinen Motorblock drei Mal innerhalb der Saison geändert hat! Unter diesen Bedingungen, das kann man verstehen, haben wir die Freiheiten der Ingenieure für 2006 beschnitten. Honda und BMW waren nicht glücklich. Sie wollten mehr Freiheiten. Aber mehre Freiheiten bedeutet vor allem die Freiheit, viel Geld auszugeben..."
Frage: "Die Formel 1 muss aber trotzdem schlussendlich ein Schaufenster für die Hightech-Technologie bleiben..."
Mosley: "Das wird sie, aber wir wollen die Technologie in eine sinnvolle Richtung lotsen. Wissen Sie, heute sagen uns die Fans: 'Ich persönlich mag am Sport die Technologie'. Man darf aber nicht vergessen, dass in der Formel 1 die Technologie für die Öffentlichkeit zu 99 Prozent unbekannt ist."

