Michael wehrt sich: Vorwürfe "ziemlich ignorant"
Im Interview erklärt Technikchef Sam Michael, weshalb Williams den Protest zurückgezogen hat und warum der Williams-Diffusor völlig legal ist
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist beim Saisonauftakt in Australien wieder einmal zum Politikum geworden: Erst legten Ferrari, Renault und Red Bull gegen die Diffusoren von Brawn, Toyota und Williams Protest ein. Dann scheiterte ein weiterer Protest von BMW wegen eines Formfehlers. Die Rennkommissare wiesen den ersten Protest ab. Gestern konterte Williams mit einem anderen Protest gegen Ferrari und Red Bull, der jedoch überraschend zurückgezogen wurde.

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Sam Michael hält die Vorwürfe gegen sein Team nicht für gerechtfertigt
Diese Entscheidung erfolgte "im Sinne des Sports", wie Williams verlauten ließ - und verlieh der ganzen Aktion ein bisschen den Beigeschmack, als wolle man sich für den Protest gegen den Diffusor rächen. Doch Technikchef Sam Michael bestreitet dies. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärte er am späten Samstagabend, warum der Williams-Diffusor hundertprozentig legal ist und warum die Anschuldigungen der Konkurrenz seiner Meinung nach lächerlich sind.#w1#
Entscheidung "im Interesse des Sports"
Frage: "Sam, warum habt ihr euren Protest zurückgezogen, nachdem ihr euch zuerst die Mühe gemacht habt, ihn überhaupt einzureichen? Geht es euch da wirklich um die Interessen des Sports?"
Sam Michael: "Ja, so ist es. Wir haben uns Gedanken über die möglichen Folgen gemacht und kamen dann zu dem Entschluss, dass es im Interesse des Sports wäre, den Protest zurückzuziehen."
Frage: "Wenn Ferrari und Red Bull in Malaysia wieder mit diesen Teilen fahren, werdet ihr dann wieder protestieren?"
Michael: "Nein. Wir überlassen es jetzt der FIA und der Technischen Arbeitsgruppe, die richtige Entscheidung zu treffen."
Frage: "Ein Teamchef hat mir erzählt, dass das Schlupfloch im Diffusorbereich schon seit vielen Jahren existiert, aber dass es bisher nicht genutzt wurde. Ist das richtig?"
Michael: "Es stimmt, dass es dieses Schlupfloch schon seit einiger Zeit gibt, aber es stimmt nicht, dass es bisher nicht genutzt wurde. Es wird schon seit vielen Jahren genutzt!"
Frage: "Auch in jüngerer Vergangenheit?"
Michael: "Ja. An vielen Autos, nicht nur an unserem."
Frage: "Der gleiche Teamchef sagt, dass eine Beibehaltung dieser Diffusoren dazu führen würde, dass wir in sechs Monaten wieder Ground-Effect-Autos haben. Siehst du das auch so?"
Michael: "Jedes Formel-1-Auto ist ein Ground-Effect-Auto. Unter der Bodenplatte darf nichts mehr sein, also gibt es da einen Abstand von 50 Millimetern. Darunter darf niemand Bodywork hinbauen, weil es illegal wäre. Aber wenn es darum geht, den Luftstrom in der Nähe des Bodens zu nutzen, dann ist jedes einzelne Auto ein Ground-Effect-Auto."
Seitenhieb gegen Theissen
"Wenn Mario (Theissen, BMW Motorsport Direktor; Anm. d. Red.) damit meint, dass wir wieder Schürzen an den Seiten anbringen würden - ja klar, das ist natürlich illegal! Ich weiß, dass Mario der Teamchef ist, von dem du sprichst (grinst; Anm. d. Red.). Zu sagen, dass wir wieder einen Ground-Effect bekommen könnten, ist ziemlich ignorant, denn jedes Auto hat einen Ground-Effect und nutzt diesen entscheidend."
Frage: "Aber dieses Schlupfloch gibt es also schon länger?"
Michael: "Ich würde es nicht einmal Schlupfloch nennen. In den Regeln steht ganz klar, was man tun darf und was nicht. Das sehe ich so, das sehen die Kommissare so."
Frage: "Findest du, dass ihr gegen den Geist der von der Arbeitsgruppe Überholen entwickelten Regeln widersprecht?"
Michael: "Nein, überhaupt nicht. Wir bewegen uns hundertprozentig innerhalb dieser Vorgaben. Die Arbeitsgruppe Überholen hat ja herausgefunden, dass mehr durch den Diffusor generierter Anpressdruck für das nachfolgende Auto sogar besser ist und damit Überholmanöver wahrscheinlicher macht. So gesehen unterstützt unser Diffusor Überholmanöver, während es die anderen nicht tun. Diese Studie wurde von Ferrari, Renault und BMW in der Arbeitsgruppe Überholen erstellt."
Frage: "McLaren war in der Arbeitsgruppe, nicht BMW..."
Michael: "Nein, BMW auch. Es waren vier Teams. Am Anfang waren sie zu dritt, aber dann kam BMW noch dazu. Ihre eigenen Studien sagen also, dass man den durch den Diffusor generierten Anpressdruck erhöhen und den durch die restlichen Teile generierten Anpressdruck reduzieren soll. Das ist genau das, was wir getan haben."

