• 07.02.2015 15:27

  • von Dominik Sharaf

McLarens neue Philosophie: Großwildjagd auf Papiertiger

Die Aerodynamik des MP4-30 soll durch Effizienz bestechen und nicht mehr dazu dienen, die Konkurrenz mit Simulator-Highscores zu beeindrucken

(Motorsport-Total.com) - Bei McLaren liegt seit Beginn des Winters kein Stein mehr auf dem anderen. Das liegt nicht nur am Wechsel zum neuen Antriebspartner Honda und dem Königstransfer Fernando Alonso, sondern auch an einer veränderten Herangehensweise beim Bau des MP4-30. Das Modell für die Saison 2015 wurde vor dem Hintergrund einer neuen Philosophie beim Thema Abtriebs entwickelt. Tenor: Der "Chrompfeil" soll nicht auf dem Papier mit Rekordwerten glänzen, sondern Stärken auf der Strecke ausspielen.

Titel-Bild zur News: McLaren-Honda MP4-30

Der McLaren-Honda MP4-30 soll in den Kurven sein Potenzial ausspielen Zoom

Eric Boullier glaubt, sich mit der Maxime vom Mainstream gelöst zu haben. "In der Vergangenheit gab es ein Rennen um immer mehr Abtrieb - ich meine nicht bei McLaren", erklärt der Rennleiter 'Formula1.com' die Statuten der Szene. "Bei allen Teams war ein Fieber ausgebrochen." Waren Berechnungen für ein neues Auto besonders günstig, handelte es sich um ein Aushängeschild für ein Entwicklerteam. Eine Hetzjagd nach dem Highscore bei den so genannten Aeropunkten war in vollem Gange.

Das führte so weit, dass prestigeträchtige Lösungen in den Technikermeeting so viel Charme hatten, dass sie Alternativen ausstachen. Intern kam es zu Konflikten. "Es entwickelte sich ein politisches Problem", beschreibt Boullier. "Es beendete jede Debatte beim Bau eines neuen Autos, wenn man diese Resultate präsentieren konnte - etwas wie: 'Wow, schaut, was sie haben!'" Das Problem bei der Sache war, dass alles, was golden glänzte, noch lange kein Gold war, sondern sich teilweise als Reinfall herausstellte.

'Motorsport-Total.com'-Leser sind skeptisch

Lange Gesichter bei den Ingenieuren waren nach dem ersten Test keine Seltenheit: "Wenn man an die Strecke gekommen ist, bestätigte man diese Werte vielleicht - vielleicht auch nicht, weil dahinter Berechnungsprobleme steckten", meint Boullier. Hinzu kam, dass nicht alles an Abtrieb auch nützlich war. Machte er sich nur auf der Geraden bemerkbar, war er für den Leistungsgewinn nicht relevant. "Die Formel 1 ist spektakulär, wenn ein Auto schnell durch die Kurven fährt", weiß der Franzose.

Es geht um nutzbaren Abtrieb, der wichtiger ist als Zahlen auf dem Papier. Wo McLaren den mit dem neuen Auto gefunden hat, ist von außen nur schwierig zu deuten. Auch wie effizient das Design tatsächlich ist, bleibt nach den katastrophalen Testfahrten in Jerez zunächst ein Geheimnis. Boullier bekennt lediglich, den Luftstrom unter, über und im Auto radikal verändert zu haben. "Es ist ein bisschen Aerodynamik außen, aber die inneren Werten zählen", bleibt der Rennleiter kryptisch.


Fotostrecke: McLaren MP4-30 vs. McLaren MP4-29

Die Leser von 'Motorsport-Total.com' sind bezüglich der Erfolge skeptisch. In einer Umfrage mit 3.762 abgegebenen Stimmen bekennen sich 52,68 Prozent zu der Prognose, dass McLaren 2015 keine ersten Grand-Prix-Siege einfahren wird. 29,51 Prozent trauen den Technokraten aus Woking das zumindest "mit ein bisschen Glück" zu, während 17,81 Prozent sogar an mehrere Erfolge glauben. Ingenieursdirektor Matt Morris hatte in Jerez davon gesprochen, im Saisonverlauf das Niveau des Vorjahres erreichen zu wollen.