Max Verstappen gewinnt in China, aber: Was ging Stroll da durch den Kopf?

Max Verstappens souveräner Sieg wird nach dem Rennen in Schanghai weniger für Gesprächsstoff sorgen als eine ziemlich fragwürdige Aktion von Lance Stroll

(Motorsport-Total.com) - Zwei Safety-Car-Phasen, nicht jugendfreie Kraftausdrücke am Boxenfunk, kontroverse Diskussionen - aber am Ende gewinnt wieder Max Verstappen! Der Red-Bull-Pilot sicherte sich beim Grand Prix von China 2024 in Schanghai den Sieg, vor Lando Norris (McLaren) und Sergio Perez (Red Bull) - und baute damit seinen Vorsprung in der Fahrer-WM auf 25 Punkte aus.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen, Lando Norris

Max Verstappen gewann das Rennen in Schanghai trotz zweier Safety-Car-Phasen Zoom

Verstappen gewann den Start, ließ sich danach trotz mehrerer Gelbphasen nicht aus der Ruhe bringen, kontrollierte das Rennen von der ersten bis zur 56. und letzten Runde und feierte damit seinen ersten Triumph auf chinesischem Boden, wo die Formel 1 zuletzt 2019 ihren 1.000. Grand Prix bestritten hatte.

"Wir waren unglaublich schnell", jubelt Verstappen. "Das Auto fuhr wie auf Schienen. Ich konnte wirklich tun und lassen, was ich wollte." Selbst als er am Ende über ein herumliegendes Wrackteil fuhr, hatte das keinerlei Auswirkungen auf sein Tempo.

Vierter und Fünfter wurden die beiden Ferraris, Charles Leclerc und Carlos Sainz, gefolgt von George Russell auf Mercedes. Platz 7 ging an Fernando Alonso (Aston Martin), der nach einem späten Reifenwechsel eine spektakuläre Aufholjagd hinlegte, vor Oscar Piastri (McLaren), Lewis Hamilton (Mercedes) und Nico Hülkenberg (Haas).

Für Gesprächsstoff sorgte aber jene fragwürdige Aktion von Lance Stroll (Aston Martin), als er während der Safety-Car-Phase vor Kurve 11 zu spät bremste, Daniel Ricciardo (Racing Bulls) einen "Idioten" schimpfte, dabei aber selbst eine Zehnsekundenstrafe dafür kassierte, dass er dem Australier voll ins Heck rauschte.

Lokalmatador Guanyu Zhou (Sauber) sorgte zwar mit einigen Szenen für frenetischen Applaus des chinesischen Publikums (60.000 Zuschauer), kam aber nicht über Platz 14 hinaus. Sein Teamkollege Valtteri Bottas und die beiden Racing Bulls schieden aus dem Rennen aus. Insgesamt sahen 17 der 20 gestarteten Autos die Zielflagge.

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Wie liefen der Start und die ersten Runden?

Verstappen nutzte seine Poleposition optimal aus, sicherte sich gleich ab, indem er vor der "Schneckenkurve" nach innen zog, und behauptete die Führung. Dahinter wählte Alonso die Außenbahn, auf der er sich vor Perez setzen konnte. Ansonsten gab es in den Top 5 zunächst keine Verschiebungen.

Perez benötigte dann bis in Runde 5, ehe er an Alonso vorbeikam. Als er durch war, hatte er allerdings schon 4,8 Sekunden Rückstand auf Verstappen. Der war Alonso gleich in den ersten zwei Runden um 2,7 Sekunden davongefahren.

In Runde 7 ging auch Norris an Alonso vorbei und nahm damit Kurs auf das Podium. Zumal er sich in den folgenden Runden nach hinten sukzessive immer weiter abpuffern konnte. Als Norris in Runde 13 wegen des Red-Bull-Doppelstopps kurzzeitig die Führung erbte, lag er sieben Sekunden vor Leclerc und zehn vor Piastri.

Wie fiel Perez hinter Norris und Leclerc zurück?

Durch den Boxenstopp fiel Verstappen auf den dritten und Perez auf den sechsten Platz zurück. Beide hatten jetzt harte Reifen drauf. In Runde 19 überholte Verstappen Norris, der noch nicht gestoppt hatte, und lag wieder in Führung. Sein Vorsprung auf Perez, der jetzt an vierter Stelle lag, betrug nach einigen schnellen Runden 12,8 Sekunden.

In Runde 20 blieb Bottas mit einem qualmenden Heck und Verdacht auf Motorschaden stehen. So ungünstig, dass das virtuelle Safety-Car (VSC) aktiviert werden musste. Pech für Norris, denn er war schon an der Boxeneinfahrt vorbei, als das Signal gezeigt wurde. Leclerc hingegen noch nicht, was die Ferrari-Crew nutzte, um einen "kostengünstigen" Boxenstopp einzulegen.

Aber McLaren hatte Glück, denn die VSC-Phase dauerte länger als eine Runde, weil das Getriebe des gestrandeten Sauber nicht in Neutralstellung versetzt werden konnte, was die Bergung bei Kurve 11 verzögerte. So konnte Norris eine Runde nach Leclerc ebenfalls unter VSC auf harte Reifen wechseln und seinen dritten Platz behaupten.

In Runde 23 wurde aus der VSC-Phase ein echtes Safety-Car, und die Gelegenheit nutzte - bis auf Piastri und Sainz, deren Reifen erst sechs beziehungsweise fünf Runden auf dem Buckel hatten - die komplette Spitze, um ein weiteres Mal Reifen zu wechseln.

Verstappen lag jetzt vor Norris, Leclerc, Perez und Sainz. Piastri war in Runde 24, ebenfalls noch unter Safety-Car, ein zweites Mal reingekommen. Und Perez hatte durch das für ihn nicht optimale Timing den zweiten Platz auf der Strecke verloren und musste die Probleme Norris und Leclerc auf der Strecke "händisch" erledigen.

Was war das für eine Aktion von Stroll?

Zur 27. Runde wurde das Rennen nach langer Unterbrechung wieder freigegeben. Noch vor dem Restart, vor Kurve 11, fuhr Stroll dem Racing Bull von Ricciardo hinten drauf. Ricciardo berührte dabei auch den Piastri-McLaren, der danach mit, laut Boxenfunk, "signifikantem" Schaden weiterfahren musste.

"Der Idiot hat einfach gebremst", regte sich Stroll auf, kassierte aber selbst eine Zehnsekundenstrafe für die Aktion. Ricciardo sah die Situation naturgemäß ganz anders als der Kanadier: "Was für ein verdammtes Arschloch!"

Sein Racing-Bulls-Team stellte sofort einen Schaden am Auto fest. Ricciardo ärgerte sich: "Ich schätze, das kann man nicht reparieren, wenn ich an die Box komme?" Konnte man nicht: "Es ist am Unterboden."

Nach dem Rennen verstand Stroll immer noch nicht, dass er seitens der Rennleitung mit einer Zeitstrafe belegt wurde: "Das war doch nur, weil ich hinten draufgefahren bin. Aber vor mir hat einer gebremst, und dadurch gab es einen total merkwürdigen Ziehharmonikaeffekt. Ich hätte mir gewünscht, dass die Kommissare das etwas mehr berücksichtigen."

Eine Verteidigung, die Ricciardo nicht nachvollziehen kann: "Offenbar bin ich ein Idiot, und es war mein Fehler. Das brachte mein Blut in Wallung, denn die Situation war ja glasklar. Noch dazu hinter dem Safety-Car. Das Einzige, worauf du da schauen musst, ist das Auto vor dir. Ich sage lieber nicht, was ich mir gerade wirklich denke. Aber scheiß auf den Kerl! Und das ist fast noch zu nett."

Gab's deswegen die zweite Safety-Car-Phase?

Der Grund für das Safety-Car war aber eigentlich ein anderer. Beim Anbremsen von Kurve 6 setzte Kevin Magnussen (Haas) zum Manöver gegen Yuki Tsunoda an. Magnussen kam in der Kurve ins Rutschen und drehte den Racing Bull um.

Doppeltes Pech also für den zweiten Rennstall von Red Bull in der Formel 1, und das innerhalb weniger Augenblicke. Für Tsunoda war der Grand Prix damit beendet. "Vollpfosten", schimpfte der Japaner noch am Boxenfunk. Kein guter Sonntag für gute Manieren ...

Und auch Ricciardo war mit dem kaputten Unterboden chancenlos und wurde durchgereicht: "Ich habe hinten null Grip." Was zum unvermeidlichen Ende führte: "Retire the Car."

Nach Tsunoda und Bottas war es bereits der dritte Ausfall im Rennen.

Gab es nach dem Restart noch große Verschiebungen?

In Runde 32 wurde das Rennen wieder freigegeben. Der Plan für die Top 4 war klar: mit harten Reifen durchfahren. Alonso auf P5 hatte die weichen Reifen drauf. Und für Perez ging es jetzt darum, möglichst rasch an Leclerc und Norris vorbeizugehen.

Das Thema Leclerc erledigte der Mexikaner in Runde 39. Auf Norris hatte er jetzt 5,4 Sekunden Rückstand, und seine Reifen waren nur um eine Runde frischer als die am McLaren. Ein Delta, das nicht groß genug war. Perez konnte gegen den McLaren keine Attacke mehr reiten. Am Ende fehlten 6,1 Sekunden.

"Wenn du in den ersten Runden so kämpfen musst, fehlt dir hinten raus Leben in den Reifen", analysiert Perez. "Vor allem mit dem Medium war unsere Balance heute nicht ideal. Wir haben von gestern auf heute einiges umgebaut. Und damit haben wir die heutigen Bedingungen nicht ganz getroffen."

Alonso schaffte es wie erwartet mit den weichen Reifen nicht bis zur Ziellinie. In Runde 43 musste er erneut Reifen wechseln, von Soft auf Medium. Das warf ihn auf Platz 12 zurück, 6,7 Sekunden hinter Esteban Ocon (Alpine), der durch Alonsos Stopp auf Platz 10 aufgerückt war.

Alonso nutzte jetzt den Vorteil der frischen Reifen, drehte nebenbei die schnellste Rennrunde (1:37.810 Minuten), und verbesserte sich bis Rennende noch auf den siebten Platz.

Dabei hatte er auch eine gesunde Portion Glück, als er sich auf der Jagd nach Hamilton in der Zielkurve beinahe gedreht hätte. Es war nur Alonsos atemberaubender Fahrzeugbeherrschung zu verdanken, dass es nicht den gleichen Crash gab wie jenen von Sainz im Qualifying.

Was hatte es mit der Norris-Wette auf sich?

Norris war nach dem Rennen "über vieles" überrascht: "Über die fehlende Pace von Ferrari, über unsere gute Pace. Auch verglichen mit dem Red Bull. Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet. Auf dem Podium zu stehen, ist eine angenehme Überraschung."

Nach Freitag und Samstag hatte der McLaren-Pilot nicht damit gerechnet, sogar einen Red Bull zu knacken. Ganz im Gegenteil: "Ich habe gewettet, wie weit hinter dem Ferrari ich heute ins Ziel kommen würde. Ich habe auf 35 Sekunden getippt. Da lag ich weit daneben. Aber ich freue mich drüber, dass ich falsch lag, und bin froh, dass ich nur mit mir selbst gewettet habe!"

Wie lief Hülkenbergs Rennen?

Einer von denen, die Alonso im Finish überholen musste, war Hülkenberg. Der Deutsche erwischte einen hervorragenden Start und verbesserte sich, an den beiden Ferraris vorbei, von Platz 9 auf Platz 7. Erwartungsgemäß konnte er Leclerc und Sainz aber nicht lang hinter sich halten.

In der zweiten Runde war dann auch Stroll an ihm vorbei. Der Aston Martin hatte als einer von nur vier Fahrern im Feld die weichen Reifen montiert. Beim Manöver in Kurve 6 wurde Hülkenberg aber neben die Strecke abgedrängt, und meldete das am Boxenfunk. Die Rennleitung notierte den Zwischenfall, entschied dann aber auf "no further Action".

Hülkenbergs Mediumreifen schienen dann früh einzubrechen. Als er auch Bottas vorbeilassen musste, meldete er am Boxenfunk: "Die Hinterreifen fühlen sich nicht toll an. Ich habe Schwierigkeiten mit der Traktion."

In Runde 8 kam er früh rein und steckte von Medium auf Hard um. Danach lag er dank "Undercut" wieder vor Bottas, der eine Runde später ebenfalls reingekommen war. Zu dem Zeitpunkt roch es aber eher nicht danach, als lägen beim Grand Prix von China Punkte drin.

Dann, während der Safety-Car-Phase, wurde Hülkenberg nach seinem Boxenstopp nur Zentimeter nach der Boxenausfahrt von Logan Sargeant überholt, der sich auf der Strecke befand. Weil der Haas und der Williams zum Zeitpunkt das Manövers hauchdünn nach der Pit-Exit-Line waren, wurde es als Überholen unter Safety-Car gewertet. Konsequenz: zehn Sekunden Zeitstrafe für Sargeant.

Hülkenberg lag nach den Safety-Cars an neunter Stelle, mit Hamilton im Windschatten. Den Mercedes konnte er nicht lang halten. Hinter sich hatte er aber machbar erscheinende Gegner: Ocon im Alpine und Alexander Albon im Williams. Sargeant und Magnussen auf P13/14 hatten sich ja bereits Zehnsekundenstrafen eingehandelt.

Am Ende fuhr Hülkenberg als Zehnter über die Ziellinie, 4,9 Sekunden hinter Hamilton und 3,0 Sekunden vor Ocon. Ein Punkt, der sich "süß" anfühlt, wie er im Interview mit Sky sagt: "Das ist alles, was heute möglich war. Wenn von den fünf Topteams keiner ein Problem hat, sind die ersten zehn Plätze gebucht. Heute hatte Lance ein Problem, und wir haben uns die Position erkämpft. Ich glaube, es war eins der saubersten Rennen meiner gesamten Laufbahn."

Wie geht's in der Formel-1-WM 2024 weiter?

Das Rennwochenende in Schanghai geht nach dem Mittagessen in die Verlängerung: Um 15:00 Uhr deutscher Zeit findet am Sonntagnachmittag auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de nämlich noch eine ausführliche Live-Rennanalyse statt. Kevin Scheuren und Christian Nimmervoll führen wie immer durch das Programm der F1-Show. Kanalmitglieder haben dabei die Möglichkeit, den beiden im Livechat Fragen zu stellen. (Infos: Wie kann man Kanalmitglied werden?)


Danach steht von 3. bis 5. Mai der Grand Prix von Miami auf dem Programm. Genau wie in Schanghai ist auch dort ein Rennwochenende im Sprintformat angesetzt. (Hier geht's zum kompletten Formel-1-Kalender 2024!) Für Miami übrigens ebenso wie für Schanghai eine Premiere.

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