• 27.03.2004 11:37

Marmorini: Ein Leistungsverlust ist nicht zu verhindern

Der Technische Direktor der Toyota-Motorenabteilung spricht über den bisherigen Saisonverlauf und geplante Neuerungen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Luca, was denken sie über das Formel-1-Rennen in Bahrain?"
Luca Marmorini: "Ich denke, dass es neben dem Rennen in China später in der Saison eine großartige Chance für die Formel 1 ist und allen Teams und Fahrern ganz sicher die größte Herausforderung des Jahres bieten wird. Vielleicht kann Toyota zum ersten Mal in ein Rennwochenende mit der gleichen Ausgangslage wie alle anderen gehen. Wir verfügen über absolut gar keine Daten der Strecke und wir müssen andere Wege finden, um uns so gut wie möglich vorzubereiten, bevor wir am Freitag auf die Strecke gehen."

Titel-Bild zur News: Luca Marmorini

Luca Marmorini ist mit der Zuverlässigkeit des RVX-04 zufrieden

Frage: "Wie hat sich Toyota in Bezug auf den Motor für Bahrain vorbereitet?"
Marmorini: "Theoretisch können wir in unserer Fabrik in Köln eine Rennstrecke simulieren, auch wenn wir noch nie dort waren und genau dies haben wir für Bahrain probiert. Wir verwenden Simulations-Werkzeuge, die uns schon eine ziemlich genaue Vorahnung geben, wie der Motor auf jeder Strecke reagieren wird, was die Drehzahlen, Drosselklappenstellung etc. angeht. Wie der Fahrer den Motor während eines Rennwochenendes benutzt ist etwas, was wir nicht vorhersagen können."#w1#

"Hinzu kommen Unwägbarkeiten der Umgebung, die in Bahrain vielfältiger sein könnten als auf anderen Strecken, zum Beispiel könnte Sand auf die Strecke geblasen werden. Wir versuchen unser Bestes, um das Schlimmste zu verhindern, aber meine Erfahrung sagt mir, dass unsere Vorhersagen nie 100-prozentig genau sind. Gleichzeitig möchte ich aber sagen, dass wir genügend Daten gesammelt haben werden, um am Freitag einen sauberen Start hinzubekommen."

Der alte Hockenheimring lebt weiter

Frage: "Welche Simulationen werden in der Fabrik durchgeführt?"
Marmorini: "Normalerweise hat man einen Plan von der Strecke, dann kann man simulieren, was das Auto tut. Hinzu kommt ein von den Renningenieuren angenommenes Setup des Autos. Wir können auch ein wenig in Bezug auf die Reifen simulieren und auf dieser Basis kann man einen Testzyklus für den Motorenprüfstand erstellen, um zu sehen, wie der Motor reagiert."

"Wir müssen aber nicht jeden Kurs simulieren, um die Zuverlässigkeit zu testen, da wir bestimmte Kurse wie den alten Hockenheimring haben, der zum Motor besonders aggressiv ist. Wir ziehen es also vor, generelle Zuverlässigkeitstest auf der Basis unseres bestehenden Wissens durchzuführen. Natürlich müssen wir für jedes Fahrbarkeitsproblem gerüstet sein, das in der letzten Minute auftauchen könnte. Und wir müssen darauf vorbereitet sein, dem Team bei der Unterstützung von Problemen oder Bedenken helfen zu können, die an einem Punkt des Rennwochenendes auftauchen könnten."

Neue Strecke: Vorteil oder Nachteil?

Frage: "Toyota musste die meisten Formel-1-Strecken in den vergangenen Jahren kennen lernen. Denken sie, dass Toyota dieses Wochenende gegenüber den anderen in Bahrain einen Vorteil haben wird?"
Marmorini: "Ich würde das gerne glauben, denn Toyota musste in den letzten paar Jahren alle Formel-1-Strecken kennen lernen, wir könnten einen praktischen Vorteil haben, was das Lernen von Strecken angeht. Aber man darf nicht vergessen, dass die Erfahrung viel wert ist, wenn es darum geht, sich an neue Bedingungen anzupassen. Die erfahrensten Teams könnten auf diesem Gebiet also auch einen Vorteil genießen."

Frage: "Wird Ricardo Zontas Rolle als dritter Fahrer in Bahrain noch entscheidender sein?"
Marmorini: "Ich denke, dass Ricardos Job immer sehr wichtig ist. Wir sind in der Lage, ihn unter ähnlichen Bedingungen fahren zu lassen, wie wir im Rennen unterwegs sind. Wichtiger ist aber, dass wir die Zuverlässigkeit und die Lebensdauer der Motoren in beiden Einsatzautos konservieren können, weil wir uns auf Ricardos Auto in Rennkonfiguration konzentrieren können. Es ist natürlich auch in Bezug auf die Reifenwahl ein Vorteil, ein drittes Auto zu haben."

"In Bahrain werden wir Ricardo aber auch dazu nutzen können, auf der Motorenseite alles zu überprüfen, Probleme frühzeitig am Wochenende zu orten, sodass wir vor dem Qualifying reagieren können. Es gibt immer etwas, das man in letzter Minute erledigen muss, egal, wie gut man sich vorbereitet hat. Es ist gut, dass man ein drittes Auto hat, um eine Chance zu haben, unplanmäßige Dinge mit ein wenig Freiheit zu unternehmen."

"Können stolz auf unsere Arbeit sein

Frage: "Was ist ihr Eindruck von der bisherigen Saison?"
Marmorini: "Das erste Rennen war der Punkt, an dem die neue Motorenregel eingeführt wurde und ich muss zugeben, dass wir mit dem Level der Zuverlässigkeit, den wir bisher erreicht haben, sehr zufrieden sind. Wir haben uns bei den Testfahrten vor der Saison sehr darauf konzentriert, die Laufleistung eines Rennwochenendes abzuspulen und ich denke, dass wir stolz auf die Arbeit sein können, die wir verrichtet haben. Fakt ist, dass sich das gesamte Paket aus Motor und Chassis als extrem zuverlässig erwiesen hat, aber die gesamte Leistung erfordert noch Arbeit. Es wurden schon eine Menge Dinge unternommen und die Entwicklung ist am Laufen, die Verbesserungen werden also kommen."

Frage: "Spricht Toyota während des Rennens in Bezug auf den Motor irgendwelche Restriktionen aus?"
Marmorini: "Wir haben normalerweise vor dem Rennwochenende eine Strategie beschlossen, um den Motor am Freitag nicht zu viel zuzumuten. Wir haben den Vorteil, dass wir am Freitag im Training ein drittes Auto verwenden können, wir haben aus diesem Grund bei den Einsatzfahrzeugen am Freitag eine Limitierung. Am Samstag und Sonntag nutzen wir den Motor ganz normal, haben aber die Option, die Fahrer im Qualifying die Drehzahl ein wenig erhöhen zu lassen."

Marmorini fordert Klarstellung der Motorenregel

Frage: "Die neue Motorenregel hat nun schon seit zwei Rennen Gültigkeit. Wie denken sie, funktioniert diese Regel?"
Marmorini: "Technisch gesehen hat die Regel meiner Meinung nach sehr gut funktioniert und hat schlussendlich keinen negativen Einfluss auf die Show, was wichtig ist. Es gibt noch ein wenig Konfusion in Bezug auf Motorenwechsel nach dem Qualifying, oder sollte ich vor dem Rennen sagen, und ich denke, dass im Verlauf der Zeit eine passende Vereinbarung in Bezug auf dieses Thema getroffen werden muss."

Frage: "Wie viel Leistung haben sie während eines Rennwochenendes verloren?"
Marmorini: "Als wir den Motor entwickelt haben, war es eines unserer wichtigsten Ziele, keinen langfristigen Leistungsverlust zu haben. Es ist nicht zu vermeiden, dass man nach rund 700 Kilometern einen kleinen Leistungsverlust hat, aber es ist unsere Aufgabe, diesen Verlust so gering wie möglich zu haben, ansonsten hätten wir am Ende des Rennens einen Motor, zudem die Getriebeübersetzung überhaupt nicht mehr passt. Wenn wir über die Laufleistung eines Motors sprechen, dann meinen wir eine stabile Leistung auch in Bezug auf den Öl- und Benzinverbrauch."

Mehrere Entwicklungsschritte geplant

Frage: "Wie wird der RVX-04 im Verlauf der Saison weiterentwickelt?"
Marmorini: "Wir haben im Verlauf des Jahres mehrere Entwicklungsschritte für den RVX-04 geplant. Wir haben nicht eine bestimmte Anzahl von Strategien geplant, aber wir arbeiten auf verschiedenen Gebieten. Eine der Prioritäten liegt auf der Reduktion des Gewichts und der Verbesserung der Leistung. Und es gibt noch eine ausgeklügeltere Strategie in Bezug auf die Verbesserung der Nutzung des Motors im Verlauf eines Rennwochenendes. Diese Veränderungen werden in Kürze eingeführt, aber wir haben nichts Bestimmtes für ein bestimmtes Rennen geplant. Parallel zur Entwicklung des Chassis, die zur Verbesserung der Leistung des Autos beiträgt, hat auch die Motorabteilung ihren Anteil an der Entwicklung. Dies betrifft auch das zukünftige Paket, die Absenkung des Schwerpunkts und die Gewichtsreduktion des TF104-Rennautos als Ganzes."

Frage: "Hat die Arbeit am RVX-05 schon begonnen?"
Marmorini: "Das Design des RVX-05 ist schon Ende 2003 aufgenommen worden und der neue Motor sollte um den Juli herum bereit für den Prüfstand sein. Wir arbeiten noch an den kurzfristig fertigstellbaren Teilen und dies ist ein andauernder Prozess. Wir hoffen, dass wir das neue Modell später im Jahr auf dem Prüfstand so viel wie möglich laufen lassen können. Ideal wäre es, wenn wir ihn vor dem Saisonende im Auto ausprobieren könnten. In der Theorie sollten wir ihn im September einbauen können, aber wir werden später im Jahr die Durchführbarkeit untersuchen."