Longruns Singapur: Norris und Leclerc in eigener Liga, Red Bull abgeschlagen

Lando Norris und Charles Leclerc bestimmen die Pace in den Formel-1-Longruns von Singapur, während Red Bull und Mercedes in Problemen versinken

(Motorsport-Total.com) - McLaren-Pilot Lando Norris hat am Formel-1-Freitag in Singapur die schnellste Zeit des Trainings gesetzt. Seine 1:30,727 war allerdings nur um 0,058 Sekunden schneller als Charles Leclercs beste Rundenzeit, dafür fehlten dem Drittplatzierten Carlos Sainz im zweiten Ferrari schon 0,629 Sekunden. Norris und Leclerc waren aber nicht nur auf eine schnelle Runde in einer anderen Liga, denn auch in den Longruns konnte keiner die Pace der beiden mitgehen.

Titel-Bild zur News: Charles Leclerc

Charles Leclerc ist Lando Norris dicht auf den Fersen Zoom

Bereinigt man die Longrun-Zeiten um die verschiedenen Reifenmischungen und Stintlängen, so war Norris laut den Daten unseres Technologiepartners PACETEQ um 0,16 Sekunden pro Runde schneller als Leclerc. Auf Rang drei kommt dafür überraschenderweise Franco Colapinto im Williams. Der Argentinier hat allerdings keinen langen Stint absolviert und wäre in einem längeren Stint noch zurückgefallen, da sein Reifenverschleiß aufgrund seiner aggressiven Fahrweise viel höher ausfiel.

Somit ist der erste direkte Konkurrent für Norris und Leclerc Oscar Piastri im zweiten McLaren. Allerdings hat sich der Australier einen Rückstand von einer glatten halben Sekunde im Longrun auf seinen McLaren-Teamkollegen eingehandelt. Dahinter folgen George Russell im Mercedes (+0,61), Red-Bull-Pilot Max Verstappen (+0,62) und Lewis Hamilton (+0,64).

Warum sind Norris und Leclerc so viel schneller als ihre Teamkollegen?

Blickt man auf die Sektorenzeiten, so holen Norris und Leclerc die Zeit vor allem in den kurvenreichen Sektoren zwei und drei heraus, wo sie ihren Teamkollegen klar überlegen waren. Während Carlos Sainz (+0,72) sich schon in der kompletten Session über Bremsprobleme beklagte, könnte der große Abstand von Norris zu seinem Teamkollegen Piastri aber an einem größeren Trend liegen.

Denn: Der Australier performt statistisch gesehen deutlich besser auf Strecken, die er schon aus der Formel 2 oder anderen Juniorkategorien kennt. Dies ist selbst noch in dieser Saison der Fall, obwohl der 23-Jährige im Vorjahr alle Strecken bis auf China in der Formel 1 kennengelernt hat. 2024 fehlen Piastri bei der Rennpace im Schnitt 0,22 Sekunden pro Runde auf Norris.

Blickt man tiefer in die Daten, so reduziert sich das Defizit auf nur 0,05 Sekunden pro Runde, wenn man nur Strecken heranzieht, die Piastri schon aus den Nachwuchsserien kennt. 0,51 Sekunden pro Runde beträgt allerdings Piastris Rennpace-Rückstand, wenn man nur die Strecken zählt, die er erst in der Formel 1 kennengelernt hat. Nach der langen Europasaison ist Singapur nun die erste Strecke seit Kanada, die Piastri erst 2023 zum ersten Mal gefahren hat.

Mercedes und Red Bull abgeschlagen

Keine Hoffnungen auf den Rennsieg am Sonntag dürften sich nach dem Trainingsfreitag Mercedes und Red Bull machen. Sowohl auf eine schnelle Runde, als auch in den Longruns konnte man die McLaren- und Ferrari-Pace nicht einmal ansatzweise mitgehen.

"Wir sind ziemlich weit weg. Es fehlt fast eine Sekunde. Das braucht eine drastische Änderung", moniert etwa Sergio Perez nach dem Training. Teamkollege Verstappen fügt hinzu: "Schwierig. Wir haben nicht den Grip, den wir uns vorstellen. Die Bodenwellen sind nicht das Problem. Es fehlt einfach an Grip."


Bei Mercedes fällt das Fazit nicht besser aus: "Das Auto fühlt sich, pff, ziemlich schwierig ...", so die ersten Worte von Lewis Hamilton. "Es war ein schwieriger Tag. Es scheint in Sachen Set-up nichts zu funktionieren. Du gibst alles und bist eine Sekunde hinten. Wir sind ein bisschen verloren. Wir wissen nicht, was wir unternehmen sollen. Egal, was wir probiert haben, wir kamen nicht voran. So, wie die Dinge derzeit stehen, sehe ich uns nicht in Q3."

Mittelfeld: Wie echt ist die Racing-Bulls-Pace?

Mit Yuki Tsunoda auf Rang vier und Daniel Ricciardo mit der sechstschnellsten Zeit konnte Racing Bulls im zweiten Freien Training aufhorchen lassen. Doch so gut wie die Qualifyingpace war, so dürftig fiel im Vergleich die Longrun-Pace aus. 1,38 Sekunden pro Runde fehlten auf die Spitze, damit war nur Sauber noch langsamer (+1,42).

Die beste Mittelfeldpace setzte neben Franco Colapinto im Williams, dessen Longrun wie gesagt wenig repräsentativ ist, sein Teamkollege Alexander Albon. Der Thailänder handelte sich nur ein Defizit von 0,79 Sekunden pro Runde ein und war damit fast auf dem Niveau von Carlos Sainz. Alpine (+0,65) fuhr zwar faktisch gesehen die schnellere Pace, doch üblicherweise fährt man in den Longruns mit weniger Gewicht als der Rest, sodass Albons Zeiten höher einzuschätzen sind.

Bleiben noch Aston Martin und Haas. Fernando Alonso fehlten pro Runde durchschnittlich 1,25 Sekunden, Nico Hülkenberg im Haas 1,29 Sekunden pro Runde. Somit dürfte es zwischen diesen beiden Teams eng werden, wobei keines an der Spitze des Mittelfelds zu stehen scheint.

Einstoppstrategie ausweglos: Singapur mit höchstem Boxenstoppdelta der Saison

Für einen Stadtkurs ist der Asphalt in Singapur ziemlich aggressiv, was auch schon in der Vergangenheit für einen erhöhten Reifenverschleiß gesorgt hat. Das sollte allerdings nichts an der geplanten Einstoppstrategie ändern, denn: Mit 29 Sekunden verliert man nirgendwo verliert so viel Zeit beim Boxenstopp wie in Singapur.

Zudem ist das Überholen auf dem engen Stadtkurs schwer, weshalb man keinesfalls die Position auf der Strecke durch einen zusätzlichen Reifenwechsel hergeben möchte. Taktikspielchen wie in der Vergangenheit sind aber vorprogrammiert. Der Führende am Sonntag könnte versuchen, das Feld künstlich einzubremsen, damit sich für die Konkurrenz keine Undercutoptionen ermöglichen.

Was die Reifen angeht, so könnte der weiche C5-Reifen nach den Erkenntnissen vom Freitag sogar eine echte Option für den ersten Stint sein. "Nach dem, was wir heute gesehen haben, gab es kein Graining, nicht einmal auf dem Soft, was die Tür für eine eventuelle Verwendung am Sonntag öffnen könnte", sagt Pirelli-Sportchef Mario Isola. Dennoch sollte die Strategie Medium-Hard die erste Wahl für das Rennen sein.