• 28.05.2008 15:57

  • von Michael Noir Trawniczek

Lauda: "Ich bin den Menschen etwas schuldig"

Niki Lauda analysiert die Krise von Nick Heidfeld, spricht über die Gefahren der neuen Stadtkurse und gibt seinen Senf zum Fall Max Mosley ab

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Herr Lauda, es liegt ein dramatischer Monaco-Grand-Prix hinter uns - mit Sternstunden, Lewis Hamilton, und Dramen, Adrian Sutil. Nur: Was geht im Kopf eines Piloten wie Nick Heidfeld vor sich, der vor einem Jahr noch geglänzt hat und auf einmal derart im Schatten von Robert Kubica steht?"
Niki Lauda: "Das kann ich Ihnen im Detail nicht sagen. Aber man sollte nicht vergessen: Krisen hat jeder! Heidfeld muss sich halt jetzt durchbeißen und einen Weg finden, wie er aus diesem Tief wieder herauskommt."

Titel-Bild zur News: Niki Lauda

Niki Lauda glaubt, dass sich Nick Heidfeld bald aus der Krise fahren wird

Frage: "Haben Sie in Ihrer Karriere eine vergleichbare Phase erlebt?"
Lauda: "Nein (überlegt kurz; Anm. d. Red.). So eine hatte ich nicht."#w1#

Keine Zweifel an Heidfelds Klasse

Frage: "Welchen Rat würden Sie ihm geben? Was muss er tun, um da wieder rauszukommen?"
Lauda: "Gar nichts, der sammelt sich schon wieder. Er muss sein Auto besser einstellen und normal fahren. Der kommt schon wieder."

"Ich glaube, Kubica ist einfach auch sehr schnell - er gibt neue Maßstäbe vor." Niki Lauda

Frage: "Die heutigen Autos kann man leicht überfahren, wenn man zu viel will..."
Lauda: "Natürlich. Das ist wie überall im Leben, wenn man zu viel auf einmal will. Aber daran liegt es nicht. Ich glaube, Kubica ist einfach auch sehr schnell - er gibt neue Maßstäbe vor und an diesen muss sich Heidfeld jetzt orientieren."

Frage: "Sie haben erklärt, Monaco sei 'mehr zeitgemäß denn je' und zudem sei es 'eine der sichersten Strecken', da dort zuletzt 1994 - der Unfall von Karl Wendlinger - etwas passiert sei. Nun kommen heuer zwei neue Stadtkurse hinzu. Sowohl Singapur als auch Valencia sind stolz darauf, einen oder gleich den schnellsten Stadtkurs der Welt zu haben. Ist das nicht ein Gegensatz zu den massiven Sicherheitsvorkehrungen, die man anderswo trifft? Oder wird die Formel 1 gar etwas übermütig?"
Lauda: "Ich kenne die neuen Stadtkurse in Singapur und Valencia nicht. Aber dass neue Stadtkurse an die gängigen Sicherheitsparameter angepasst werden, ist ja auch logisch. Ich gehe davon aus, dass Singapur zum Beispiel noch mehr Sturzräume hat als zum Beispiel Monte Carlo."

Frage: "Es gab eine Simulation der neuen Strecke. Da fährt man mit 300 km/h ganz knapp an den Mauern entlang."
Lauda: "Ja, aber das ist nicht das Problem. Schnell an einer Mauer vorbeizufahren, ist an sich nicht gefährlich, denn es geht immer um den Einschlagwinkel. Es geht um Dinge wie: Wo kann ich mit der Front voran dagegen fahren und wo nicht? Wie schnell kann ich abbremsen? Das schnelle Vorbeifahren an den Betonmauern ist überhaupt kein Problem. Das hat man auch beim Unfall von Nico Rosberg am Sonntag in Monte Carlo gesehen. Der ist auch parallel, wenn auch brutal, gegen die Leitplanke gekracht und es ist ihm dabei nichts passiert."

Gefahr ist ständiger Begleiter

Frage: "Also sehen Sie keinerlei Gefahr bei den neuen Stadtkursen?"
Lauda: "Eine Gefahr gibt es immer bei diesen Autos. Die Frage ist nur, wie viel Gefahr es gibt. Und die ist natürlich heute wesentlich geringer als zu meiner Zeit."

"Für Bernie sehe ich heute überhaupt keinen möglichen Ersatz." Niki Lauda

Frage: "In Monaco wurde viel über FIA-Präsident Max Mosley gesprochen, es gab erneut Rücktrittsforderungen. Die Frage ist nur: Wer soll Leute wie Mosley oder auch Bernie Ecclestone, die beide ihre Wurzeln im Motorsport haben, in der Zukunft ersetzen? Welche Alternativen gibt es zu Mosley und Ecclestone?"
Lauda: "Erstens einmal ist das gesamte Wirtschaftsleben der Formel 1 von Bernie Ecclestone abhängig, weil er das seit Jahrzehnten perfekt macht und er einfach perfekte Lösungen bringt. Für Bernie, einen über alle herausragenden Manager, sehe ich heute überhaupt keinen möglichen Ersatz. Den gibt es einfach nicht. Max Mosley ist gewählt als FIA-Präsident - wenn er nicht abgewählt wird, dann macht er das bis Ende nächsten Jahres, und dann ist er sowieso nicht mehr dabei. Seine Position ist eine ganz andere: Er wird von den Automobilklubs weltweit gewählt und da gab es immer wieder neue Präsidenten, was ja logisch ist."

Frage: "Mosley hat sich stark für die Sicherheit eingesetzt. Und er fuhr selbst Rennen, hat einen Rennstall geleitet, war also zumindest vertraut mit dem Motorsport - was theoretisch ja beim nächsten Präsidenten nicht unbedingt der Fall sein muss..."
Lauda: "Fachlich war Mosley sehr gut, da besteht kein Zweifel. Aber wenn er nicht mehr will oder nicht mehr kann, dann müssen sie einen neuen suchen. Und den gibt es sicher."

Der Fall Mosley und die Doppelmoral

Frage: "Würden Sie als FIA-Delegierter am 3. Juni bei der außerordentlichen Generalversammlung Max Mosley abwählen oder bestätigen?"
Lauda: "Ich habe dort nichts zu wählen, deshalb gebe ich Ihnen darauf keine Antwort, ich bin dafür nicht zuständig. Die Automobilverbände sollen selbst entscheiden, was sie machen wollen. Ich persönlich erkenne in diesem Fall wieder einmal eine Doppelmoral, die hier gespielt wird - die ja überall probiert wird, von Politikern und auch von anderen Personen. Nur: Ich bin ein anderer Mensch - für mich gibt es keine Doppelmoral, für mich gibt es nur eine! Und auch wenn ich eine Doppelmoral leben würde, was ich ja durchaus machen könnte, und ich dabei aber öffentlich erwischt werde, dann muss ich die Konsequenzen ziehen. Das ist meine persönliche Lebenseinstellung, so ist es schon immer gewesen. Aus, mehr braucht man dazu nicht sagen!"

Michael Noir Trawniczek und Niki Lauda

Niki Lauda im Interview: "Für mich gibt es keine Doppelmoral" Zoom

"Nur: Jeder hat seinen eigenen Weg, mit dieser Angelegenheit umzugehen. Und Mosley hat wiederum seine eigene Art, damit umzugehen. Er sagt: Man kann das vertreten. Und er schaut, wie seine Fachverbände reagieren - da muss man abwarten. Wenn die alle der Meinung sind, dass er weitermachen muss - weil gut ist er, darüber gibt es überhaupt keine Diskussion -, dann wird das auch passieren. Wenn die Verbände sagen, sie wollen es nicht, dann wird es anders ausgehen. Aber das kann ich weder beeinflussen noch will ich es kommentieren. Das braucht man nur abzuwarten."

Frage: "In der Affäre Mosley geht es ja auch um das Thema Privatleben, vor allem um das Privatleben von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen. Ich habe den Eindruck, dass dieses in unserer modernen Medienwelt immer weniger respektiert wird. Für Sie muss das doch recht schwierig sein? Sie können ja eigentlich auf keinem Platz dieser Erde ganz normal durch die Gegend laufen."
Lauda: "Naja, das ist leider ein Teil der Berühmtheit, wenn man es Berühmtheit nennen will, oder sagen wir des Interesses der Menschen. Das kann man nicht wegzaubern, das ist einfach so. Man muss den bestmöglichen Weg finden, damit umzugehen. Ich habe da für mich ein System entwickelt: Natürlich regt es mich manchmal auch auf, wenn ich massiv beobachtet werde, aber ich habe da ein System für mich entwickelt, wo ich damit leben kann, weil ohnehin jeder damit leben muss. Ich kann eh nichts dagegen tun."

Frage: "Wie kann man sich dieses System vorstellen? In etwa so, dass Sie dann die auf Sie gerichteten Blicke gar nicht mehr registrieren?"
Lauda: "Nein, ganz im Gegenteil. Ich mache bewusst sofort das, was die Menschen von mir wollen - damit ist das gleich einmal erledigt. Und das ist der schnellste Weg heraus. Sich zu wehren oder zu fragen, 'Fällt Ihnen nicht auf, dass Sie mich jetzt stören?', das ist sinnlos, denn in Wahrheit dauert der ganze Prozess dann um einiges länger."

Höfliches Auftreten ist Lauda wichtig

"Und außerdem bin ich den Leuten auch etwas schuldig. Die erwarten von mir eine normale Reaktion - nämlich eine freundliche. Das ist der springende Punkt. Man hat ja auch eine Verantwortung demjenigen gegenüber. Deshalb muss man meiner Meinung nach immer höflich, korrekt und anständig reagieren."

Frage: "Stichwort Erwartungen: Die österreichischen Formel-1-Piloten werden stets an Ihren Leistungen gemessen. Welche Österreicher sehen Sie künftig in der Formel 1?"
Lauda: "Gar keine - weil ich mich ehrlich gesagt zu wenig damit beschäftigt habe und ich mich auch zu wenig auskenne. Welchen Österreicher meinen Sie?"

"Die GP2 bringt dir nur dann etwas, wenn du sie gewinnst." Niki Lauda

Frage: "Andi Zuber zum Beispiel, in der GP2-Serie."
Lauda: "Die GP2 hat ein grundsätzliches Problem, zumindest war das in der Vergangenheit so: Diese Serie bringt dir nur dann etwas, wenn du sie gewinnst. Alles andere hat bislang zumindest nicht funktioniert. Und dorthin muss man sich halt erst einmal durchkämpfen."

Frage: "Welche Chancen räumen Sie Christian Klien auf ein Grand-Prix-Comeback ein?"
Lauda: "Das hängt davon ab, was BMW machen wird. Mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen."

Frage: "Sie haben als Pilot in den Interviews immer sehr knappe Antworten gegeben, Sie haben es dabei jedoch stets auf den Punkt gebracht. Sie sagten wenig und viel zugleich. Heute hat man oft das Gefühl, es sei umgekehrt: Manche Piloten sprechen recht viel und zugleich sagen sie eigentlich herzlich wenig. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?"
Lauda: "Weil sie jung sind. Die sind ja alle 20 - ich übertreibe jetzt natürlich. Aber damit haben sie auch nicht dieses Gespür dafür, was man wie sagen muss. Außerdem gibt es so viele Pressesprecher. Das sind mittlerweile ganze Organisationen, die bei jedem Rennteam zum Einsatz kommen, sodass die Piloten sowieso nicht mehr wissen, was sie sagen dürfen und was nicht. Und damit werden sie farblos, sage ich jetzt einmal."

Frage: "Steckt auch eine Angst dahinter, etwas 'Verbotenes' zu sagen?"
Lauda: "Nein. Die sind halt einfach so. Das ist das moderne Leben der Formel 1. Dem ist so."