• 04.10.2007 09:37

  • von Inga Stracke

Inga on Tour: Pekingente, Frühlingsrollen und Ellbogen

In Ihrer Kolumne berichtet 'Motorsport-Total.com'-Streckenreporterin Inga Stracke über die Chinesen und die boomende Metropole Shanghai

(Motorsport-Total.com) - Hallo liebe Formel-1-Fans!

Titel-Bild zur News: Shanghai

Shanghai bei Nacht - alles ist bunt und das Leben pulsiert

Nì háo: Hallo auf mandarin, nong ho: Hallo in Shanghai. Diese Stadt pulsiert. Aber Achtung: Ellbogen raus und aufgepasst. Der Shanhaianer (oder so ähnlich) kennt keine Gnade. Vorankommen, das Ziel verfolgen, um jeden Preis, so scheint er zu leben, und das macht die Hektik der Stadt aus. Doch es gibt auch schöne ruhige Gärten und Orte, wo selbst der Postbote mal auf seinem Moped ein Nickerchen macht.

Am liebsten würde ich ja erst mal eine große Rundreise machen, große Mauer, Terrakotta-Armee, Seidenspinnereien, Gärten, Märkte... Oh, es gibt so viel zu sehen und entdecken!#w1#

Shangai will das New York des 21. Jahrhunderts werden. Im City Center steht einer der höchsten Wolkenkratzer der Welt, das 492 Meter hohe World Financial Center, das faszinierende 420,5 Meter hohe Jin Mao Building, der Transrapid rast zwischen Stadt und Flughafen Pudong mit Höchstgeschwindigkeit hin und her. Dabei schaukelt er allerdings etwas. Ich war vergangenes Jahr schon leicht enttäuscht, weil ich dachte, die Reise sei etwas ruhiger.

Als ich dann aber auf der im Abteil angebrachten Geschwindigkeitsanzeige 407 km/h aufleuchten sah, habe ich dem "Maglev" gerne das leichte Schaukeln verziehen - die Landschaft draußen flog nur so vorbei! Das 1,3-Milliarden-Einwohner-Land China stürmt nach vorne, erobert immer mehr wirtschaftliche Bereiche. Shanghai, Hafenstadt und Freihandelszone an der Ostküste nahe der Jangtse-Mündung, ist Chinas Boom-Metropole.

Postbote in Shanghai

Ein Postbote aus Shanghai legt ein kleines Nickerchen ein Zoom

Das Land der Mitte hat sich geöffnet, aber noch nicht ganz. Zensur in Literatur und Presse ist nach wie vor nicht verschwunden, auch unsere Journalistenvisa sind jedes Jahr wieder ein Problem, bis wenige Tage vor Abflug hatten einige von uns (von insgesamt zirka 500 Medienvertreter) wieder einmal noch kein Journalistenvisum, mit Touristenvisum dürfen wir nicht einreisen, da könnte schlimmstenfalls eine Verhaftung drohen und dieses Jahr ganz neu - man darf Shanghai nicht mehr verlassen, das Visum ist stadtgebunden!

Eine Rivalität, die seit hunderten von Jahren besteht, wirkt sich auch seit dem ersten Grand Prix 2004 auch auf uns aus: Peking gegen Shanghai. In Shanghai ist eines der Hauptgesprächsthemen: "Wer weiß fünf gute Gründe, warum Shanghai besser ist als Peking?" Die Visabehörde ist in Peking, der Grand Prix in Shanghai, und es scheint immer wieder ein kleiner Machtkampf zwischen den Städten abzulaufen, bis dann auf einmal dann doch alles ganz schnell und reibungslos geht. Generell braucht man immer ein Visum für eine Reise nach China, und das bekommt man eigentlich nur, wenn man eine offizielle schriftliche Einladung nach China hat. Nicht ganz einfach...

Shanghai

Blick auf die pulsierende Metropole Shanghai Zoom

2008 sind die olympischen Spiele in China, 2010 soll in Shanghai die Weltausstellung Expo eröffnet werden - da müssen wohl noch viele, viele Einladungen geschrieben werden???

Übrigens, im "goldenen Zeitalter" von 1900 bis 1937 galt Shanghai als "Paris des Ostens", der Handel blühte und Glücksspiel, Opiumhandel und Prostitution waren fest in der Hand der chinesischen Mafia. Unter den Armen und Studenten wuchs der Ärger und 1921 gründeten sie die Kommunistische Partei Chinas.

1937 wurde Shanghai von den Japanern besetzt und 1949 übernahmen die Kommunisten Shanghai. Glücksspiel und Prostitution wurden verboten, Shanghai ordnete sich völlig der Regierung in Peking unter. Erst in den 80er Jahren wurde Shanghai wieder etwas liberaler, ab 1992 begannen Wirtschaft und Architektur wieder zu florieren. Übrigens, 2007 jährt sich zum 60. Mal die Gräuel der Massaker von Nanjing (300.000 tote chinesische Zivilisten) und der Schlacht um Shanghai von 1937.

Shanghai

In der Millionen-Stadt Shanghai steht das Leben nie still Zoom

Der Kapitalismus hat Einzug gehalten: Im Shopping Center "New-Age" in Pudong kann man sogar im Erdgeschoss Ferraris kaufen! Gebaut wird seit Jahren sozusagen rund um die Uhr, Shanghai wächst und wächst. 15 Millionen Einwohner leben in Shanghai und dem aufstrebenden Zentrum Pudong, in dem auch der Flughafen liegt.

Gleichzeitig werden aber quasi über Nacht ganze Viertel abgerissen, die neuen Wolkenkratzern Platz machen müssen, oder aber einem Park, der als Oase der Ruhe dienen soll. Apropos Ruhe, in einem scheinen die Chinesen den Japanern ähnlich: Ihnen macht Lärm nichts aus, Fernsehen wird bei voller Lautstärke geschaut, ständig dudelt oder bimmelt irgend etwas... Das treibt mich in Japan schon immer halb an den Rand des Wahnsinns, vor allem in den ersten Tagen, wenn man sich noch nicht an den Lärmpegel gewöhnt hat und daran, dass Zapfsäulen an Tankstellen und Aufzüge in Hotels einen ständig zutexten... Gott sei Dank gibt es in der Formel 1 Ohrenstöpsel!

Die braucht man auch in der Stadt - aber es gibt auch wirklich unglaublich viel zu sehen. Der 'Oriental Pearl-Tower' am Huangpu River sieht vor allem bei Nacht sensationell aus es gibt unzählige leckere Restaurants und Bars (zum Beispiel im Trendviertel Xiantiandi), und eine Menge Straßenmärkte in denen man herrlich einkaufen kann - wenn man feilschen kann. Dies scheint nämlich für den Chinesen genau wie für den Araber Volkssport zu sein!

Wunderschön soll auch der Antikmarkt (Fangbang Lu) sein, der im vierstöckigen Gebäude der Trödlerzunft beherbergt ist, dorthin habe ich es allerdings noch nicht geschafft, leider. Ah ja, und für meine Kollegen, die auch im vielseitigsten Asien nicht auf heimisch-gewohnte Küche verzichten wollen, im Xiantiandi gibt es auch ein Paulaner Bräuhaus!

Inga Stracke

Endlich bin ich an der Rennstrecke angekommen! Zoom

Oh - und aufpassen muss man, die Chinesen haben Spucken sozusagen zum Volkssport erhoben. Die Taiwanesen machen sich über die "Shanghainesen" (ob die wirklich so heißen???) lustig und behaupten, die Menschen in Shanghai müssten ständig spucken, weil sie seit der Machtübernahme der Kommunisten so einen schlechten Geschmack im Mund haben.

So, noch ein paar wertvolle Ratschläge: Auch wenn die Chinesen ohne Probleme ihre Stäbchen im Essen ihrer Tischnachbarn versenken, um mal auszuprobieren, wie das andere Essen schmeckt, und sie lauthals mit vollem Mund diskutieren (es macht ihnen dabei nichts aus, wenn sie dabei vom Gegenüber mehr als nur das eine oder andere Reisbröckchen dabei abbekommen), man sollte nie mit seinen Stäbchen auf einen anderen Menschen zeigen, das gilt als sehr unhöflich. Und noch schlimmer ist es, seine Stäbchen in eine Schüssel Reis zu stecken. Das erinnert nämlich an zwei Räucherstäbchen in einer Schale mit Asche und gilt als Todesomen!

Da die Tische meist nicht super sauber sind und allgemein als "unsauber" gelten, sollte man Essen, das einem vom Stäbchen fällt, einfach liegen lassen. Und: in China gilt der Spruch vom aufgegessenen Teller und dem schönen Wetter am nächsten Tag nicht, im Gegenteil, wenn der Teller leer geputzt ist, beschämt dies den Gastgeber weil er Angst haben muss man sei nicht satt geworden - daher immer einen Anstandshappen übrig lassen!

In diesem Sinne hoffe ich nur auf gute Omen - vor allem im täglichen Straßenverkehr in Shanghai und auf dem Weg zur Strecke kann man davon jede Menge brauchen. In Shanghai werden täglich (!) 3.000 neue Fahrzeuge zugelassen, und das Chaos auf den Straßen bringt mich immer wieder an den Rand eines Schockzustands!

Yáu fa piáu...oh sorry, falsch, das heißt "die Quittung bitte"...dsái djiän - auf Wiedersehen.

Inga Stracke

P.S. extrem wichtig auch in Shanghai - das Fahrrad. Und dazu: scha tsche huàile (die Bremse funktioniert nicht richtig...)

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