• 24.02.2004 09:50

  • von Florian Haasper

Heidfeld: Vertragsabschluss war "wie eine Erlösung"

Im 'F1Total.com'-Interview spricht Nick Heidfeld unter anderem über seine Ziele und die Rivalität mit Kimi Räikkönen

(Motorsport-Total.com) - Als Nick Heidfeld und Kimi Räikkönen 2001 gemeinsam bei Sauber fuhren, waren sich Formel-1-Beobachter einig, dass beide Fahrer langfristig das Zeug zum Weltmeister hätten. Nur drei Jahre später hat sich einiges geändert. Während der "Iceman" mit McLaren-Mercedes bereits zum zweiten Mal um den Titel kämpfen will, konnte sich Heidfeld erst in letzter Sekunde ein Cockpit für 2004 sichern. Zwei Fahrer mit zwei Karrieren, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld ist froh, dass er bei Jordan unterschreiben konnte

Im Interview mit 'F1Total.com' spricht Heidfeld über die Rivalität mit Räikkönen und seine Zeit als Mercedes-Pilot. Außerdem nennt er seine Ziele für 2004, bewertet den neuen Teamkollegen und verrät, warum Peter Sauber für ihn kein "Weichei" ist.#w1#

Frage: "Sie haben letzte Woche in Imola getestet. Wie ist es gelaufen?"
Nick Heidfeld: "Am dritten Tag waren die Bedingungen ziemlich bescheiden. Es war nicht nur nass, sondern auch extrem kalt. Es hat ewig gedauert, bis die Reifen auf Betriebstemperatur waren."

Frage: "Wie ist ihr Eindruck vom neuen Auto?"
Heidfeld: "Der Eindruck ist eindeutig positiv. Nach den Tests in Silverstone war die Leistung des Autos natürlich noch schwer einzuschätzen. Jetzt hatten wir aber ein paar Tage im Trockenen. Ich habe das Gefühl, dass wir uns von Tag zu Tag steigern. Immer wieder finden wir neue Dinge, die wir verbessern. Die Schritte wurden zwar in den letzten Tagen ein bisschen kleiner, aber wir haben viele Bereiche des Autos noch nicht einmal angefasst. Da ist noch viel Potenzial."

"Es läuft so, wie man es erwarten konnte"

Frage: "Ist der EJ14 nicht so schlecht, wie sie es vielleicht vorher befürchtet haben?"
Heidfeld: "Es ist noch immer etwas zu früh, um ein Urteil zu fällen. Ich kann das endgültig erst nach dem ersten Rennen sagen. Natürlich hatte ich mir gewünscht, dass es noch besser funktioniert. Aber realistisch betrachtet, läuft es bei uns so, wie man es erwarten konnte und sollte."

Frage: "Mit Giorgio Pantano haben sie nun doch einen Rookie als Teamkollegen bekommen. Enttäuscht?"
Heidfeld: "Es ist nicht so, dass ich irgendetwas gegen einen Formel-1-Neuling als Teamkollegen einzuwenden habe. Ich hätte einfach nur gerne einen Teamkollegen neben mir gehabt, der bekanntermaßen schnell ist und ein hohes Ansehen genießt. Dann hätte ich mich besser präsentieren können. Die Chance ist bei einem Newcomer nicht gegeben."

"Ich versuche ihn zu schlagen"

Frage: "Wenn Sie Pantano nicht dominieren, dann sind sie es, der die Kritik einstecken muss..."
Heidfeld: "Mal sehen wie es wird. Ich probiere, ihn zu schlagen. Vielleicht kommen wir ja dann gar nicht in so eine Situation."

Frage: "Hat er genug Talent, um es in der Formel 1 zu schaffen?"
Heidfeld: "Ich denke schon. Für mich sind immer die Leistungen eines Fahrers im Kart-Bereich sehr aussagekräftig. Wer dort auf internationaler Bühne Erfolg hatte, der kann es auch im Formelsport zu etwas bringen. Das ist bei Giorgio gegeben. In seinem ersten Jahr hat er gleich die Formel 3 gewonnen und war auch in der Formel 3000 vorn dabei. Er ist sehr talentiert, keine Frage."

Heidfeld freut sich auf ein Abendessen mit Massa

Frage: "Sie sind schon mit Alesi, Räikkönen, Massa und Frentzen im Team gefahren. Welcher Kollege war ihnen der liebste?"
Heidfeld: "Ich habe mich am besten mit Felipe verstanden. Das ist auch jetzt noch so. Er zieht jetzt auch wieder in die Schweiz, dann können wir endlich mal wieder gemeinsam Essengehen. Ich habe mich jetzt auch in Imola wieder lange mit ihm unterhalten."

Frage: "Würden sie Felipe Massa als Freund bezeichnen oder ist dafür in der Formel 1 kein Platz?"
Heidfeld: "Wir verstehen uns sehr gut, obwohl viele andere unser Verhältnis vielleicht schon als Freundschaft bezeichnen würden. Mit dem Begriff Freundschaft tue ich mich immer ein wenig schwer. Ich habe eine Handvoll von guten Freunden, die ich noch aus meiner Schulzeit kenne. Man kann glücklich sein, wenn man vier oder fünf echte Freunde hat ? und das bin ich auch."

Heidfeld drückt Frentzen die Daumen

Frage: "Heinz-Harald Frentzen fährt 2004 in der DTM. Wird er sich durchsetzen können?"
Heidfeld: "Mit Sicherheit. Hoffentlich stellt ihm Opel gleich ein gutes Auto hin. Auf jeden Fall werde ich die DTM jetzt noch interessierter beobachten. Es ist für die Serie gut, dass Heinz-Harald dabei ist. Schon Jean Alesi hat für Furore sorgen können. Das macht die DTM ganz sicher noch erfolgreicher."

"Für ein paar Wochen hing ich in der Luft"

Frage: "Waren sie selbst ebenfalls nah dran, mit der Formel 1 abzuschließen, als über einen langen Zeitraum kein neuer Vertrag in Sicht war?"
Heidfeld: "Überhaupt nicht. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Mir war definitiv klar, dass meine Zukunft in der Formel 1 liegen soll. Natürlich sah es lange schwierig aus, für ein paar Monate hing ich in der Luft. Wäre es nicht zur Einigung mit Jordan gekommen, dann hätte ich weiter in diese Richtung gearbeitet."

Frage: "Entsprechend groß war die Freude, als der Vertrag unterzeichnet wurde?"
Heidfeld: "Es war wie eine Erlösung, ganz anders als in den Jahren zuvor. Da hatte ich mich in der Winterpause immer ohne Vorbehalte auf die nächste Saison freuen können."

"Eine Erfahrung dieser Art hätte mir schon gereicht"

Frage: "Sind sie gestärkt aus diesem Tal herausgekommen?"
Heidfeld: "Es war nicht das erste Mal, dass es nicht gerade reibungslos bei mir gelaufen ist. Schon das erste Jahr in der Formel 1 war nicht einfach, Prost war damals noch hinter Minardi das schlechteste Team überhaupt. Auch im Kartsport hatte ich mal eine Katastrophen-Saison. Eine Erfahrung dieser Art hätte mir schon gereicht."

Frage: "Timo Glock hat hingegen gerade ein Karrierehoch. Hat es sie überrascht, dass er von Jordan als Testfahrer verpflichtet wurde?"
Heidfeld: "Wir haben zusammen getestet, und ich habe einen positiven Eindruck von ihm. Er hat sich solide angestellt, kaum Fehler gemacht und eine gute Vorstellung abgeliefert."

Frage: "Im 'F1Total.com'-Interview hat Timo gesagt, er habe schon einen kleinen Dämpfer bekommen, als sie ihm ein paar Zehntelsekunden abgenommen haben..."
Heidfeld: "Es ist immer hilfreich, wenn ein Fahrer sich an erfahrenen Leuten messen kann. So kann man genau studieren, in welchem Streckenabschnitt man etwas verliert und gleich am Anfang ein paar Schritte nach vorn machen. Ob es dann reicht, genauso schnell zu sein oder schneller, das kann man natürlich nicht sagen. Das muss die Zeit zeigen."

"Wir kommen gut miteinander zurecht"

Frage: "Eddie Jordan ist einer der echten Typen in der Formel 1. Haben sie einen guten Draht zu ihm?"
Heidfeld: "Ich habe mich einige Male mit ihm getroffen. Wir kommen gut miteinander zurecht. Nach der Vertragsunterzeichnung waren natürlich die Ingenieure meine wichtigsten Ansprechpartner. Ich werde aber mit Eddie regelmäßig telefonieren."

"Peter Sauber ist kein Weichei"

Frage: "Worin unterscheidet er sich von ihrem bisherigen Teamchef Peter Sauber?"
Heidfeld: "Eddie und Peter sind extrem unterschiedliche Typen. Trotzdem denke ich, dass jeder, der in der Formel 1 als Teamchef arbeitet, einen harten Charakter hat und auch haben muss. Ich bin jetzt drei Jahre bei Peter gefahren und habe mich immer sehr gut mit ihm verstanden. Aber es ist nicht so wie einige Leute vielleicht denken, dass er ein Weichei sei. Dann hätte er es in der Formel 1 nicht so weit gebracht."

Frage: "Ihre Verbindung zu Mercedes ist Geschichte. Wie beurteilen sie rückblickend die gemeinsame Zeit?"
Heidfeld: "Wie alles andere auch hat so ein langfristiger Vertrag Vor- und Nachteile. Mercedes hat mich schon in der Formel 3 unterstützt, das hat sehr geholfen. Früh durfte ich dann auch schon in der Formel 1 testen. So konnte ich auf mich aufmerksam machen. Bei meinem Sieg in der Formel 3000 fuhr ich ebenfalls mit der Unterstützung von Mercedes. Auf der anderen Seite wurden durch den Vertrag die Verhandlungen mit anderen Teams, als ich schon in der Formel 1, nicht unbedingt einfacher. Die Gefahr war immer, dass Mercedes irgendwann kommt und sagt 'Tschüss, der Nick fährt jetzt bei uns'."

Frage: "Ich erspare Ihnen die Frage, ob Mercedes 2002 besser sie als Kimi Räikkönen hätte verpflichten sollen..."
Heidfeld: "Danke."

"Das wäre ein komisches Gefühl"

Frage: "...aber würden sie ihm den WM-Titel wirklich gönnen?"
Heidfeld: "Natürlich, wenn er ihn sich über die Saison hinweg verdient. Davon kann man ausgehen, wenn jemand den Titel gewinnt. Natürlich wäre es für mich ein komisches Gefühl, das mit anzusehen. Denn ich weiß, wie ich gegen ihn abgeschnitten habe, als wir gemeinsam bei Sauber gefahren sind. Es würde mir aber zeigen, dass ich es auch schaffen könnte."

Frage: "Daraus wird wohl zumindest 2004 noch nichts. Was für Ziele haben sie mit Jordan?"
Heidfeld: "Normalerweise werden wir nicht um Punkte mitfahren können, so lange vorne niemand ausfällt. Die Spitze wird leider noch enger zusammenrücken und Teams wie BAR zu den ersten vier Teams dazu stoßen. Dann sind die ersten zehn Plätze schon mal weg. Wir werden uns auf unsere eigene Leistung konzentrieren und versuchen, das Beste daraus zu machen. Ich will natürlich schon ab und zu punkten. Einfach wird das aber nicht, das weiß ich auch."