Heidfeld: "Es ist nur frustrierend"
BMW Sauber F1 Team Pilot Nick Heidfeld im Interview über die Qualifikation von Ungarn, den Unfall von Felipe Massa und sein Urlaubsziel in diesem Sommer
(Motorsport-Total.com) - Nick Heidfeld schied mit seinem BMW Sauber F1.09 Rennwagen in Ungarn schon im ersten Abschnitt der Qualifikation aus und musste anschließend am TV-Monitor mit ansehen, wie Ferrari-Pilot Felipe Massa in einen heftigen Zwischenfall verwickelt wurde. Darüber und über sein persönliches Abschneiden am Hungaroring sprach der deutsche Rennfahrer im Interview.

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Nick Heidfeld war nach der Qualifikation von Ungarn überaus enttäuscht
Frage: "Nick, war die Qualifikation enttäuschend für dich?"
Nick Heidfeld: "Ja, sehr enttäuschend sogar. Wir hatten bislang wirklich keine tolle Saison, aber so enttäuscht war es schon lange nicht mehr. Noch am Samstagmorgen dachten wir eigentlich, dass wir eine gute Geschwindigkeit an den Tag legen könnten. Ich bin im Freien Training auf dem zweiten Rang gelandet und das hatten wir überhaupt nicht erwartet. Vielleicht hatten die anderen mehr Sprit an Bord."#w1#
"Ich war jedenfalls davon überzeugt, dass wir es in den dritten Qualifikationsabschnitt schaffen würden. Rückblickend denke ich immer noch, dass es möglich gewesen wäre. Man muss sich nur einmal meine Runde aus der ersten Teilsession anschauen und diesen Umlauf mit meiner Zeit vom Morgen vergleichen. Leider bin ich in der Qualifikation in Kurve elf ein bisschen zu weit rausgekommen, denn bis dahin war ich auf Kurs zu Platz fünf. Deswegen ist es so enttäuschend."
Updates zeigen nur bedingt Wirkung
Frage: "Ihr habt hier kein umfangreiches Updatepaket am Start. Kannst du dennoch eine Verbesserung spüren?"
Heidfeld: "Wir haben hier einige Kleinigkeiten dabei, doch vielleicht hatten diese Dinge keinen so großen Einfluss, wie wir eigentlich dachten. Es ist allerdings nicht immer ganz einfach zu simulieren, was passieren wird. Darüber hinaus denke ich, dass uns die Strecke möglicherweise entgegen kommt. Das wusste ich aber nicht, bevor wir hier ankamen. Das habe ich auch vor unserer Ankunft betont."
"In Monaco waren wir recht langsam und dieser Kurs weist einige Ähnlichkeiten zu Monte Carlo auf - doch dort hatten wir allerdings auch ein komplett anderes Auto, sowohl was den mechanischen als auch was den aerodynamischen Bereich anbelangt. Leider liegt die Qualifikation noch nicht so weit hinter mir, als dass ich nicht mehr enttäuscht darüber sein könnte. Sicherlich kann man auch positive Seiten daran erkennen, doch im Augenblick ist es nur frustrierend."
Frage: "Du scheinst momentan deutlich mehr Fehler in der Qualifikation zu begehen als früher. Liegt das an einem vielleicht etwas problematischen Auto?"
Heidfeld: "Ich denke nicht, dass mir in diesem Jahr im Qualifying zu viele Fehler unterlaufen sind. Beim vergangenen Rennen hatten wir schlicht und ergreifend Pech. Hier in Ungarn war es einfach nur eine schwierige Situation. Sicherlich hätte ich diese Lage besser handhaben können. Es gab allerdings auch einige Probleme, durch die diese Geschichte nicht gerade einfacher wurde."
"Leider sind im ersten Abschnitt der Qualifikation immer so viele Autos auf der Strecke, dass es dem Team nicht jedes Mal möglich ist, eine Lücke für dich zu finden. Ich hatte einfach keine freie Bahn. Nakajima war vor mir auf der Strecke und ich konnte nicht langsamer machen, weil Barrichello direkt hinter auf einer schnellen Runde war. Auf meiner schnellsten Runde lag ich dann schließlich zu dicht hinter Nakajima, was die Aerodynamikbalance durcheinander gebracht hat.
"Das war keine Katastrophe, doch ich konnte in jeder Kurve ein bisschen mehr Untersteuern spüren. Ich habe dann meinen Fahrstil geändert, um den Scheitelpunkt zu treffen. In Kurve elf war es schlichtweg zu viel. Ich habe aufgrund des Untersteuerns etwas mehr die Innenseite angesteuert. Dabei traf ich den Kerb und das war's auch schon. Ich hätte besser sein können, hatte aber auch etwas Pech."
Heidfeld mit Pech in Q1
Frage: "Fällt das, was dir in der Qualifikation widerfahren ist, unter die Kategorie 'viel Pech'?"
Heidfeld: "Ja - ein bisschen Pech und ein bisschen Doofheit. Im Nachhinein ist es aber immer sehr einfach zu sagen, dass man das hätte besser machen können. Ich habe einfach versucht, auf die veränderten Balanceumstände zu reagieren. Das hatte in den Kurven davor auch gut geklappt."
Frage: "Nico Rosberg hat gesagt, dass der Unterschied zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Fahrer in Ungarn drei Zehntel beträgt, der Unterschied zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Auto hingegen 1,5 Sekunden. Würdest du dieser Einschätzung zustimmen? Kann man so die Leistung der unterschiedlichen Wagen erklären?"
Heidfeld: "Ich kann dieser Einschätzung nicht zustimmen. Ich weiß nicht, ob der Abstand zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Piloten bei drei Zehnteln liegt. Keine Ahnung. Der Punkt ist doch: Wenn du um den Titel fährst, dann spielt die Rundenzeit ganz gewiss eine große Rolle."
"Da kommen aber noch eine ganze Reihe anderer Dinge dazu, wie die Vermeidung von Fehlern, das Pushen zur rechten Zeit und schnell zu sein, wenn es darauf ankommt. Auch wenn diese Meinung nicht von mir stammt - Norbert Haug sagt: 'Der Wagen macht einhundert Prozent aus und der Fahrer macht einhundert Prozent aus.' Das würde ich unterschreiben. Wenn nicht beide Bereiche perfekt funktionieren, wirst du auch nicht Weltmeister."
Die Cockpitsicherheit ist von großer Wichtigkeit
Frage: "Machst du dir nach dem Unfall von Felipe Sorgen um die Sicherheit? Müssen sich die Verantwortlichen das noch einmal anschauen?"
Heidfeld: "Natürlich. Wir müssen alles unter die Lupe nehmen, das unsicher aussieht. Hoffentlich wird er nach diesem Unfall okay sein. Nach dem Unglück von Henry Surtees am vergangenen Wochenende haben wir am Freitag im Fahrerbriefing über die Gefahren eines offenen Cockpits gesprochen. Wir konnten festhalten, dass unsere Körper dort den meisten Gefahren ausgesetzt sind, weil wir in diesem Bereich ungeschützt sind."
"In der Formel 1 ist es allerdings noch viel sicherer als in anderen Formelserien. Wir sitzen schließlich sehr tief im Auto. Sollte aber ein Teil angeflogen kommen - darüber haben wir uns tatsächlich erst am Freitag unterhalten -, dann kann das sehr gefährlich sein. Jeder macht sich da seine eigenen Gedanken. Wir haben uns gestern allerdings auch darauf geeinigt, mit Charly über dieses Thema zu sprechen und zu sehen, ob wir da nachbessern können. Eine Schlussfolgerung aus diesen Diskussionen gibt es aber noch nicht."
Frage: "Werden diese Überlegungen auf ein geschlossenes Cockpit hinauslaufen? Ist das der logische Schritt?"
Heidfeld: "Das wäre eine theoretische Schlussfolgerung. Wie praktisch so eine Einrichtung wäre und wie sie sich im Renneinsatz schlagen würde, steht freilich auf einem anderen Blatt. Das Cockpit könnte verschmutzen und dann hast du kein Abreißvisier zur Hand. Außerdem haben wir ja noch einen Evakuierungstest. Wenn alle sich darauf verständigen, dann könnte diese Regelung womöglich geändert werden."
"In der heutigen Formel 1 ist es schließlich nicht sehr oft erforderlich, dass man in drei Sekunden aus dem Auto gestiegen ist. Seit ich in der Formel 1 bin, habe ich kein Auto gesehen, das lange gebrannt hätte. Üblicherweise gibt es eine kurze Feuerbildung und das war's. Vielleicht wäre das viel wichtiger als das Aussteigen binnen dreier Sekunden. Aber wie ich schon sagte: Wir haben just gestern damit begonnen, über dieses Thema nachzudenken."
Frage: "Wie schnell müsst ihr bei diesem Aussteigetest eigentlich aus dem Cockpit raus sein?"
Heidfeld: "Innerhalb von fünf Sekunden musst du das Cockpit verlassen und das Lenkrad wieder aufgesteckt haben. Das Aussteigen alleine musst du innerhalb von drei Sekunden bewältigt haben, wenn ich mich nicht irre. Das wird alljährlich beim ersten Rennen gecheckt."
Frage: "Ein Bauteil, wie es beim Unfall von Felipe Massa zu sehen war, wiegt durch seine Beschleunigung unheimlich viel und durchschlägt jede Cockpitscheibe..."
Heidfeld: "Ich würde nicht sagen, dass es jede Cockpitscheibe durchschlägt. Das kommt auch auf den Winkel an. Wenn es so dagegen fliegt, dann ja - aber wenn der Winkel anders ist, dann macht das einen großen Unterschied."
Heidfeld hält die Formel-1-Helme für sicher
Frage: "Du meinst also, dass es zumindest etwas sicherer wäre..."
Heidfeld: "Wie gesagt: Wir haben uns am Freitag erstmals damit beschäftigt. Aus dem Stehgreif zu wissen, wie eine solche Cockpitabdeckung genau auszusehen und was sie zu leisten hätte, kann auch ich nicht. Vielleicht gibt es ja auch andere oder bessere Möglichkeiten. Heute war es jedenfalls sehr unglücklich mit dem Teil, was sich anscheinend von einem Brawn gelöst hat."
"Beim Unfall von Surtees war es sehr unglücklich, dass er den Reifen wirklich genau erwischt hat. Auch bei uns sind die Reifen ja mit Seilen am Auto befestigt. Nach meinen Informationen wird es aber auch in der Formel 1 nicht immer möglich sein, einen Reifen am Rennwagen zu halten. Da ist die Kraft einfach zu groß."
Frage: "In China ist dir ja auch beinahe ein Rad auf das Auto geflogen..."
Heidfeld: "Ja, aber die wird man auch schlecht halten. Es spricht natürlich nichts dagegen, das weiter auszubauen. Das haben wir allerdings in den vergangenen Jahren auch gemacht. Früher gab es - so glaube ich - einmal eine Bestimmung, wonach es X Kilogramm aushalten musste. Das wurde dann erheblich verschärft. Wie hoch dieser Wert liegt, weiß ich nicht, aber man kann das bestimmt weiter verbessern."
Frage: "Der Helmstandard ist jetzt schon sehr hoch. Ist da noch was zu machen?"
Heidfeld: "Da bin ich auch überfragt. Da muss man wohl eher die Helmhersteller fragen. Ich bin mir sicher, dass wir mit die besten Helme haben - in der Formel 1 sowieso. Wenn man natürlich heute bei Felipe feststellt, dass es Verbesserungsmöglichkeiten gegeben hätte, wenn man andere Anforderungen an den Helm stellt, dann wäre das zu überlegen. Nach den momentanen Prüfmethoden und Standards ist das meiner Meinung nach das Optimum. Man soll aber immer offen sein für Verbesserungen. Wenn man etwas verbessern kann, dann lasst uns das machen!"
Frage: "Ist dir schon einmal etwas gegen den Helm geflogen?"
Heidfeld: "Nichts größeres, nein. Was aber auch weh tun kann - was ich schon öfters hatte -, wenn du einen Kieselstein gegen die Hände bekommst. Das ist nicht bei allen Autos so, aber wenn du in der Formel 1 lenkst, dann kommt die Hand über das Cockpit. Da habe ich schon einmal Steine abbekommen, weil vor mir einer abflog. Das tut tierisch weh."
Urlaub in Griechenland
Frage: "Was machst du jetzt im Urlaub?"
Heidfeld: "Ich hoffe, dass ich am Sonntag ein gutes Rennen habe und mich nicht die ganze Zeit ärgern muss - wie nach dem Nürburgring-Rennen. Direkt anschließend habe ich drei Tage lang Kurzurlaub gemacht und habe mich dabei nur geärgert, weil wir da Punkte verschenkt hatten, die wir leicht hätten einfahren können."
"Abgesehen davon werde ich mit meiner Familie nach Griechenland fahren. Zwölf Tage am Stück auf eine Insel. So lange war ich schon eine Ewigkeit nicht mehr im Urlaub. Das wird bestimmt schön. Ich freue mich schon sehr darauf. Wichtig war mir, am Strand zu sein. Die Kinder können sich dann zwölf Tage lang am Strand vergnügen. Wenn die Kids Sandstrand haben, dann ist alles gut (lacht; Anm. d. Red.)."
Frage: "Wirst du dann zwölf Tage lang nichts machen?"
Heidfeld: "Nein. Ich werde nicht zwölf Tage lang nichts machen. Das Hotel hat ein Fitnessstudio. Auch im Urlaub kannst du nicht einfach dein Fitnessprogramm schleifen lassen, das ist klar. Wir werden dort sicherlich schon etwas finden, was wir machen können. Ich freue mich aber auch darauf, mich einfach einmal nur hinzulegen. Aber wer Kinder hat, der weiß: Dann ist das nichts mit einfach so einmal hinlegen..."

