Haug: "Nico hatte noch Reserven"

(Motorsport-Total.com/Sky) - Nicht etwa bei Sieger Sebastian Vettel oder Mark Webber war der Jubel während der heutigen Siegerehrung in Sepang am größten, sondern beim drittplatzierten Nico Rosberg - kein Wunder, schließlich ist Mercedes-Hauptsponsor Petronas ein malaysischer Staatskonzern, der im Vorfeld des Grand-Prix-Wochenendes ordentlich die Werbetrommel gerührt hat.

Von der Boxengasse aus klatschte auch Mercedes-Sportchef Norbert Haug Beifall, der das erste Podium eines Silberpfeil-Werksteams seit Monza 1955 in seinen Notizblock schreiben durfte - damals gewann Juan Manuel Fangio im legendären W196 vor Piero Taruffi. Heute fuhr Rosberg ein fehlerfreies Rennen, während Michael Schumacher wegen einer losen Radmutter an sechster Stelle ausschied. Im Anschluss an die Siegerehrung stellte sich Haug einer ersten Analyse.#w1#

Dritter Platz schmeckt wie ein Sieg

Frage: "Herr Haug, Nico Rosberg hatte ein tolles Wochenende: Gestern zweiter im Regenchaos, heute Dritter. Wie zufrieden sind Sie denn mit ihm?"
Norbert Haug: "Total! Nico darf sich ruhig wie ein Sieger fühlen. Das ist das, was mit unserem Auto im besten Fall möglich ist, und das hat er gemacht. Wir haben die Strategie adaptiert, um auf der Strecke vorne zu bleiben."

"Er ist so schnell gefahren, wie er musste, um die Reifen zu schonen, falls Lewis an den anderen vorbeikommt und noch attackiert. Lewis war sehr schnell unterwegs - deutlich schneller als sein Teamkollege Jenson Button, der das letzte Rennen gewonnen hat. Der Abstand nach vorne war nicht furchterregend, aber auch nicht toll. Wir sind sicher auch nicht ans Limit gegangen, Nico hatte noch Reserven. Das sind clevere Rennen, auf die ich stolz bin."

"Sicherlich kann das Rennen auch anders ausgehen, wenn die Ferraris und McLarens dabei sind, aber wir haben diese Chance sehr gut genutzt. Immerhin ist es das erste Podium nach der ersten Startreihe gestern in der Silberpfeil-Neuzeit. Also kann man schon sagen, dass es in die richtige Richtung geht. Nicos Punktekonto sieht nach drei Rennen auch ganz manierlich aus."

Frage: "Michael Schumacher hatte einen guten Start, musste aber in Runde zehn wegen eines Problems mit einer Radmutter abstellen. Wissen Sie schon Näheres?"
Haug: "Ein Jammer - etwas, was nie passieren sollte und bei all den Testkilometern nie der Fall war. Wir waren da wirklich ein Muster an Zuverlässigkeit. Das müssen wir abstellen. Wir müssen schauen, ob da ein Materialfehler war, aber wir haben es noch nicht untersucht, deshalb müsste ich jetzt raten. Es war nicht Michaels Fehler. Er hat zwei Plätze gutgemacht und ich bin sicher, dass er auf Rang vier, fünf oder sechs gelandet wäre, denn er hatte einen guten Speed und war gut unterwegs. Sorry an Michael dafür. Er hätte sicher mehr verdient gehabt."

Frage: "Nico hatte Michael auch an diesem Wochenende im Griff, auch gestern im Regen. Wie verläuft der Fahrplan von Michael momentan?"
Haug: "Man muss sehen, dass die Regenrunde im Qualifying einfach ein Erfahrungswert war. Michael wollte die zweite Runde richtig pushen und hat in der ersten eine Sicherheitsrunde gesetzt. Das wird ihm nicht mehr passieren. Er war davor sofort der Schnellste, als er mit Intermediates draußen war."

Vertrauen in Schumacher ungebrochen

"Ich würde keine vorschnellen Urteile abgeben, denn ich weiß, was Michael kann. Er ist ein ganz toller Teamplayer, er integriert sich ins Team, bringt sich voll ein, ist ein sehr analytischer Mensch, geht toll mit Nico um und Nico auch prima mit ihm. Wir verstehen uns blendend, auch mit Ross (Brawn; Anm. d. Red.) und Nick. Von uns gibt es schon noch was zu sehen, keine Angst!"

Frage: "Wie viele neuen Teile erwarten Sie für das nächste Rennen in China?"
Haug: "Nicht so viele. Barcelona wird der nächste Schritt sein. Das Ankündigen macht auch wenig Sinn. Wir waren in Bahrain sicherlich etwas neben der Spur, wurden da Fünfter und Sechster, waren aber in Melbourne schon in einer hervorragenden Position, speziell Michael. Wenn er als Vierter um die erste Ecke kommt, ist er für mich ein ganz klarer Siegeskandidat, wie sich das Rennen entwickelt hat. Er wurde abgedrängt, das war nicht sein Fehler, aber er hatte den Speed, wie er hinterher gezeigt hat."

"Den hatten heute auch einige, aber wenn man hinten festhängt, geht es eben nicht. Von ihm wird noch was zu sehen sein. Sobald wir weitere technische Schritte machen, geht es voran - und die haben wir in der Pipeline. Das groß anzukündigen, macht keinen Sinn. Wir haben es hier glücklicherweise auf der Strecke hingekriegt. Das nehmen wir uns auch für die Zukunft vor."

Frage: "In der Weltmeisterschaft liegen fünf Fahrer innerhalb von vier Punkten..."
Haug: "Das ist toll für den Sport. Sicher hat der Regen wieder eine Rolle gespielt. Mir ist auch klar, dass wir heute in einem normalen Rennen genauso gut Siebter werden können, aber die Abstände sind kleiner - nach vorne waren es um die 20 Sekunden. Das war in Bahrain schon mal mehr. Wir arbeiten in die richtige Richtung, das steht fest."

Frage: "Auf Sie wartet jede Menge Champagner - genießen Sie ihn!"
Haug: "Jede Menge würde ich nicht sagen, aber vielleicht gibt es ein Gläschen - nicht weil wir Dritter sind, aber weil wir zum ersten Mal auf dem Podium stehen und zum ersten Mal aus der ersten Startreihe losgefahren sind. Da kann man schon kurz innehalten, denn das ist ein historischer Moment in der Geschichte der neuen Silberpfeile."