Haug: "Die Jahrhundertrunde überhaupt!"
In den höchsten Tönen lobte Mercedes-Sportchef Norbert Haug die Pole-Position von Lewis Hamilton in Shanghai - Verwunderung über Mark Webber und Co.
(Motorsport-Total.com/Premiere) - Schon in Fuji soll Lewis Hamilton laut Ron Dennis die beste Qualifyingrunde seines Lebens gefahren sein, heute war es in Shanghai laut Mercedes-Sportchef Norbert Haug sogar eine "Jahrhundertrunde" - wobei das Jahrhundert gerade erst begonnen hat. Wie dem auch sei: Der Deutsche durfte mit dem Abschneiden seiner Silberpfeile (Hamilton Erster, Heikki Kovalainen Fünfter) durchaus zufrieden sein.

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Norbert Haug rechnet sich gute Chancen auf den Sieg im China-Grand-Prix aus
Frage: "Herr Haug, Lewis Hamilton hat es sehr spannend gemacht. Haben Sie während des Qualifyings gelitten oder war es die reine Freude?"
Norbert Haug: "Wir haben es schon ein bisschen spannend gemacht, muss ich sagen! Man weiß nie, wie gut man wirklich ist. Ferrari hat sehr gut attackiert. Wir sind mal mit dem Option-Reifen gefahren - nicht weil wir übermütig sind, sondern weil wir eben Reifen sparen. Dann hatten wir im ersten Versuch einen kleinen Quersteher, der sechs, sieben Zehntel gekostet hat."#w1#
Ferrari im Qualifying klar besiegt
"Das war nicht so toll, aber danach hat Lewis die Jahrhundertrunde überhaupt gefahren, denn da ist ein ganz schöner Abstand - drei Zehntel sind eine Welt, das ist fast so viel wie zehn Kilo Gewicht! Zu Massa sind es sogar sechs Zehntel, also sehr deutlich. Ich glaube nicht, dass Massa sechs Runden länger fahren wird als wir. Wenn wir das vorher wüssten, würden wir das natürlich an Sprit mitnehmen, aber ich denke, dass das eine gute Demonstration war und die beste Antwort auf das, was die ganze Woche gelaufen ist. Lewis hat gezeigt, dass er sich nicht aus der Ruhe bringen lässt."
"Manche Geschichten waren ziemlich durcheinander. Zu mir sind Leute gekommen, um sich zu entschuldigen, die behauptet haben, sie hätten das alles nie gesagt. Das finde ich komisch, denn ich werde selten wiedergegeben mit Dingen, die ich nicht gesagt habe. Aber wenn man das braucht, dann soll man es machen. Lewis hat bisher die Antwort auf der Strecke gegeben. Hoffentlich kann er das morgen auch schaffen."
Frage: "Sie sprechen vermutlich Mark Webber an, der sich sehr heftig gegen Lewis geäußert haben soll..."
Haug: "Nicht nur ihn. Viele Leute haben nichts gesagt, aber alles ist voll mit Zitaten. Naja. So ist es halt..."
Frage: "Lewis ist nach dem Qualifying sehr abgeklärt aus dem Auto gestiegen. Kann man sich in seiner Situation gar nicht mehr über die Pole-Position freuen, weil man schon an das Rennen denken muss?"
Haug: "Nein, das glaube ich nicht. Wir haben uns vorgenommen, alle Energie aufzusparen. Er freut sich absolut tierisch, er freut sich in sich rein. Es kommt darauf an, wie es gerade passt, ob er jedes Mal auf das Auto steigt und jubelt. Er ist ausgestiegen, hat den Daumen hochgehalten. Das ist okay so, das muss man akzeptieren. Vielleicht denkt er in sich rein: 'Wenn ich jetzt wieder Huhu mache, kritisieren mich wieder welche, also reduziere ich mich auf das Wesentliche!' Ich glaube, das kann er ganz gut."
Frage: "Hinter ihm stehen Kimi Räikkönen und Felipe Massa. Haben Sie das Gefühl, dass die morgen gleich Positionen tauschen werden? Oder vermuten Sie, dass Räikkönen leichter ist als sein Teamkollege?"
Haug: "Keine Ahnung. Wenn Lewis einen guten Start hinbekommt, dann klappt das. Er sagt das natürlich nicht, weil er ein Gentleman ist, aber beim letzten Mal hat seine Kupplung geschliffen. Er hat in Fuji fast 15 Meter im Vergleich zu Räikkönen verloren - das kann man ja alles nachmessen."
Erste Kurve wichtig, aber nicht entscheidend
"Er wusste das im ersten Moment nicht, aber das war sicher sein Handicap. Wir machen da kein großes Aufheben. So etwas kommt vor, es klappt nicht jeder Start ideal - bei vielen nicht. Wir sind normalerweise gute Starter, die Ferraris auch. Unsere Pace war gut. Selbst wenn wir die erste Ecke verlieren sollten, ist noch alles drin. Wir werden sehen, wie das Rennen ausgeht."
"Es sind ja noch zwei Grands Prix vor uns. Wenn der schlimmste Fall eintritt und wir mit fünf Punkten minus abreisen, dann haben wir in Brasilien immer noch eine Chance. Aber das ist natürlich nicht unser Plan. Unser Plan ist, es besser zu machen. Schade, dass Heikki seine Form nicht ganz bis zum Ende durchhalten konnte, aber auch vom fünften Platz kann man durchaus was bewegen. Ihm fehlt ganz wenig, 41 Tausendstel - die Zeit von Massa wäre leicht zu schlagen gewesen, da bin ich ganz sicher. Massa fehlt nach vorne viel mehr und nach hinten viel weniger."
"Massa hat den Sieg in Spa geschenkt gekriegt, das sage ich nach wie vor - nur damit klar ist, wer dort wirklich gewonnen hat. Und die Geschichte mit Bourdais in Fuji war auch ein Geschenk, glaube ich. Wenn man das zusammenzählt, dann sind das sieben Punkte. Wir wollen die richtige Antwort auf der Strecke geben. Das ist nicht leicht, aber ich denke, das muss man ein bisschen im Hinterkopf bewahren, welcher Druck da auf das Team und auf Lewis kommt. Ich denke, dem hat er sich bisher ganz gut gestellt. Darüber sind wir froh und darauf sind wir stolz."
Frage: "Lewis kann hier schon Weltmeister werden. Wie schwierig ist es, diesen Druck auszuhalten?"
Haug: "Ein cooler Hund ist er gerade dann, wenn es unter dem größten Druck darauf ankommt, wie man heute gesehen hat, als er vom fünften auf den ersten Platz gefahren ist. Das zeigt, dass er es durchaus kann im richtigen Moment. Er hat es oft genug gezeigt, auch letztes Jahr hier - wir haben ihn damals zu spät an die Box geholt. Er hatte keine Chance, an dem Kiesbett vorbeizukommen. Heute Morgen hat er schon einmal den Notausgang geprobt dort! Hätte er das auch letztes Jahr gemacht, dann hätte es sicherlich zum Titel gereicht. Aber das ist vorbei, jetzt haben wir noch die Chance."

