Hamilton: "Ich würde auf den Typ mit der eins setzen"
Lewis Hamilton würde in Monaco sein Geld auf Sebastian Vettel setzen, hofft aber, dass er und sein Team endlich für die harte Arbeit belohnt werden
(Motorsport-Total.com) - Fünf Sieger in fünf Rennen, doch der Weltmeister von 2008 gehört nicht dazu. Lewis Hamilton möchte die guten Trainingsleistungen endlich im Rennen umsetzen und sich und seinem Team damit ein Erfolgserlebnis bescheren. Im Interview spricht der McLaren-Pilot außerdem über die "Faszination Monaco" und seine Erwartungen für das Wochenende. Außerdem erklärt er, auf wen er am Sonntag sein Geld setzen würde und beantwortet die Frage, ob ein Sieg in Monaco besser als Sex ist.

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Lewis Hamilton will in Monaco nicht nur im Training schnell sein
Frage: "Lewis, im letzten Rennen warst du Achter, was sicherlich nicht deinen Vorstellungen entspricht. Ich kann mir vorstellen, dass du das an diesem Wochenende ändern möchtest."
Lewis Hamilton: "Ich hoffe es. Es ist toll, hier zu sein. Du wachst in deinem eigenen Bett auf, musst nur die Straße runter fahren und bist bei der Arbeit. Ich bin schon so oft um die Strecke gegangen, es ist einfach großartig hier. Ich hoffe, es wird ein positives Wochenende für das Team. Im letzten Rennen war ich nur Achter, aber wir haben bisher jedes Rennen in den Punkten beendet. Das müssen wir zunächst fortsetzen, der Sieg wird dann irgendwann kommen."
Frage: "Es ist bisher eine merkwürdige Saison, aber sicherlich eine sehr unterhaltsame für die Formel-1-Fans zu Hause. Was siehst du das, wenn an jedem Wochenende ein anderer Fahrer gewinnt und einige der großen Namen noch sehnsüchtig auf einen Sieg warten?"
Hamilton: "In diesem Jahr ist die Chance auch für unbekanntere Fahrer groß, ein Rennen zu gewinnen. Für die Fans ist das großartig und auch für die Fahrer. Als Team waren wir an den meisten Wochenenden die schnellsten, wir haben es nur nicht umsetzen können. Aber ich hoffe, dass sich die Situation beruhigt, sobald alle die Reifen besser verstehen. Dann werden die Ergebnisse etwas konstanter sein. Ich hoffe, dass diese Entwicklung schon an diesem Wochenende beginnt."
Achterbahn Monaco
Frage: "Kannst du aus der Sicht des Fahrers beschreiben, wie es sich anfühlt, hier zu fahren?"
Hamilton: "So richtig kann man das nicht beschreiben. Es ist wie auf einer Achterbahn. Es gibt wahrscheinlich keine Achterbahn auf der Welt, die nur annähernd das gleiche Gefühl vermitteln kann. Es ist der Wahnsinn. Wir fahren hier zwischen den Leitplanken, nahe an den Leute vorbei, es ist sehr wellig. Es kommt hier vor allem auf das Gefühl an, die Kontrolle über das Auto. Du darfst dich nicht von deinen Gefühlen überwältigen lassen und musst sie unter Kontrolle haben. Manche Leute sprechen von einer Art außerkörperlichen Erfahrung."
"Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde. Hinzu kommen die Atmosphäre und die Geschichte dieser tollen Strecke. Hier haben die Größten gewonnen. Bevor ich in die Formel 1 kam, habe ich versucht mir vorzustellen, wie es sein wird, hier im Formel 1 zu fahren. Keine der anderen Klassen kommt auch nur annähernd vergleichbar. Wenn jemand versucht, sich das vorzustellen, dann verschwendet er seine Zeit. Man kann es sich nicht vorstellen."
Frage: "Es ist für dich ein Heim-Grand-Prix. Was magst du besonders an diesem Rennen?"
Hamilton: "Alles Fahrer lieben Monaco, was vor allem daran liegt, dass es die herausforderndste Strecke ist. Nicht körperlich, aber mental ist es die schwierigste Strecke. Sie ist die technischste, fahrerisch die herausforderndste, es ist phänomenal."
Frage: "In den bisherigen Rennen hattest du oftmals kein Glück. Glaubst du, dass sich das an diesem Wochenende ändert?"
Hamilton: "Ich hoffe es, aber diesen Grand Prix zu gewinnen, ist sehr schwierig. Du kannst hier nicht überholen, das Qualifying entscheidend. Im vergangenen Jahr waren wir hier die Schnellsten, aber nach der roten Flagge in Q3 verlief das Wochenende katastrophal. Hier ist alles möglich. Das Wetter kann sich jederzeit ändern. In diesem Jahr werden die Reifen und die Strategie vielleicht noch etwas mehr ins Spiel kommen. Ich weiß nicht, was ich erwarten soll, aber ich bin auf alle vorbereitet. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit, werde Druck machen, und irgendwann werden wir hoffentlich für die harte Arbeit belohnt."
Frage: "Lass uns über die Strategie sprechen. In welchem Maße legst du die Strategie vor dem Rennen fest, und in wieweit reagierst du während des Rennens auf die Geschehnisse auf der Strecke? Vor allem in Hinblick auf die Reifen."
Hamilton: "Die Strategie wird immer im Laufe des Wochenendes festgelegt. Wir haben Leute, die das analysieren. Sie beobachten die Reifen, die Entwicklung der Rennstrecke, schauen auf die Zeiten der Longruns während der Trainings. Wir versuchen herauszulesen, wie viel Benzin die Fahrer an Bord hatten."
"Und vor dem Qualifying fällt dann die Entscheidung, ob wir einen oder zwei Stopps machen. Drei Stopps sind manchmal drei Sekunden langsamer als zwei Stopps, auf einer anderen Strecke sind es neun Sekunden oder umgekehrt. Wenn sie sagen, wir machen zwei Stopps, bedeutet das für mich, dass es drei Stopps werden, denn ich nehme die Reifen härter ran. Im vorherigen Rennen war es einmal anders, da habe ich nur zwei Stopps gemacht."
Frage: "In diesem Jahr sprechen alle über die Reifen. Wie groß ist dieser Einfluss für dich. Wie sehr musstest du deinen Fahrstil anpassen?"
Hamilton: "Zu Beginn des Rennens weißt du nie, wie hart du pushen sollst. Wenn du um eine Position kämpfst, hängst du manchmal rundenlang hinter einem Auto und ruinierst dir dabei dir Reifen. Aber du kannst auch nicht einfach an die Box fahren, sondern, musst weiter Druck machen. Wenn du das Rennen anführst, passt du deine Geschwindigkeit dem Verfolger an und versuchst die Lücke konstant zu halten."
"Wenn dir das gelingt, kannst du deine Reifen schonen. In Barcelona hat mich Jenson im letzten Stint unter Druck gesetzt, aber ich wusste, dass seine Reifen bald abbauen würden. Denn er war die ganze Zeit in meinem Windschatten und ich war schon am Limit, daher wusste ich, dass er es übertreibt. So viele Faktoren spielen eine Rolle, aber der Fahrstil macht schon einen großen Unterschied."
"Brauche niemanden, der mir Druck macht"
Frage: "Wie wichtig ist es, einen Teamkollegen zu haben, der dir so viel Druck macht wie Jenson?"
Hamilton: "Das ist immer wichtig, vor allem für das Team. Wenn ich ins Auto steige, fahre ich ohnehin am Limit, ich brauche niemanden, der mir zusätzlichen Druck macht. Aber du kannst immer etwas dazulernen. Wenn dein Teamkollege in einer Passage schneller ist, kannst du dir seine Daten ansehen, um die Zeit zu finden. Für das Team ist es bei der Weiterentwicklung gut, wenn beide Autos gleich schnell sind."
Frage: "Es ist eine sehr abwechslungsreiche Saison mit fünf unterschiedlichen Siegern in fünf Rennen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der Zufall den Sieger bestimmt. Wie zuversichtlich bist du, dass dir an diesem Wochenende der erste Sieg gelingt?"
Hamilton: "Das weiß ich nicht. Vielleicht könnte uns der Zufall auch helfen, denn wir hatten in den vorherigen Rennen etwas Pech. Wir waren im Qualifying oft gut, haben ein gutes Auto, aber im Rennen ist es dann nicht für uns gelaufen. Manchmal haben wir es auch selbst verbockt, aber oft hat es einfach nicht gepasst. Ich hoffe, dass uns das an diesem Wochenende gelingt, allerdings ist es hier eine Lotterie, vor allem wenn es regnet. Du musst konzentrierter als sonst sein und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein."
Frage: "Du bist einer von zwei Fahrern, die bisher in allen Rennen Punkte gewonnen haben. Du hast vor der Saison gesagt, dass du konstant sein willst, offensichtlich ist dir das gelungen."
Hamilton: "Ja, aber ich hätte mir Konstanz bei besseren Ergebnissen gewünscht. Aber ich kann mich nicht beschweren, ich habe zumindest in jedem Rennen Punkte geholt. Das ist das Wichtigste. Man muss sich Prioritäten setzen. In jedem Rennen Punkte zu gewinnen, ist die Grundlage. Dadurch sind wir weiterhin im Kampf um die WM mit dabei."
Frage: "Und an diesem Wochenende folgt dann der Sieg?"
Hamilton: "Das wäre schön. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und ich werde alles geben, um mich auf der Strecke oder bei der Strategie, den Boxenstopps zu verbessern."
Frage: "Alle Fahrer sagen, dass es etwas Besonderes ist, hier zu fahren. Was macht den Unterschied aus?"
Hamilton: "Du hast um die Strecke herum keine Wiese oder Auslaufzonen, sondern überall Barrieren. Es gibt nur dich, den Asphalt und die Leitplanken. Deshalb ist die Herausforderung so groß. Es ist auf der einen Seite beängstigend, auf der anderen Seite macht es aber auch Spaß."
"Ayrton war der Beste"
Frage: "Ayrton Senna hat hier öfter als jeder andere gewonnen, es muss also auch für ihn eine besondere Strecke gewesen sein. Er war einer deiner Idole, wie denkst du darüber?"
Hamilton: "Ayrton war der beste Fahrer aller Zeiten. Und auf dieser Strecke macht der Fahrer den Unterscheid. Das Auto spielt zwar auch eine Rolle, aber generell macht der Fahrer hier den großen Unterschied aus. Die besseren Fahrer haben hier in der Vergangenheit öfter gewonnen. Und er war nun einemal einer der Besten. Er hat hier im Trocknen und auch im Regen gewonnen."
Frage: "Bei diesem Rennen braucht man auch ein wenig Glück. Hast du einen Glücksbringer?"
Hamilton: "Nein, aber vielleicht sollte ich mir einen zulegen. Ich habe bisher noch keinen Glücksbringer und hatte wenig Glück. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht daran."
Frage: "Hier auf der Pole zu stehen und zu gewinnen, ist das besser als Sex?"
Hamilton: "Darauf war ich jetzt nicht vorbereitet. Nein, es ist nicht wahr, aber wie du sicher weisst, schlafe ich mit einer wunderschönen Frau!"
Frage: "Kannst du das Gefühl für den Fahrer beschreiben?"
Hamilton: "Jeder weiß, dass dies ein spezieller Ort ist. Du fährst direkt am Meer durch einen historischen Hafen. Du fährst mit hoher Geschwindigkeit dicht an den Leitplanken entlang. Du siehst nicht, was hinter der Kurve auf dich wartet. Das ist eine Herausforderung, die jeder Fahrer gerne annimmt. Hier kannst du zeigen, was du drauf hast. Hier mehr, als anderswo."
Frage: "Was erwartest du hier von den Reifen?"
Hamilton: "Wahrscheinlich genau so viel wie du, keine Ahnung. Ich glaube, ich bin in dieser Saison noch nicht mit den superweichen Reifen gefahren. Wir wissen nicht, ob jede Mischung die gleiche Charakteristik hat, das werden wir an diesem Wochenende herausfinden. Aber ich hoffe es, denn in den vergangenen Rennen sind wir mit den Reifen gut zurechtgekommen."
Frage: "Wenn ich dir zehn Euro geben würde, auf wen würdest du die am Sonntag setzen?"
Hamilton: "Ich bin nicht gut beim Wetten, daher würde ich sie lieber einstecken und mir etwas zu essen davon kaufen. Ich würde es auf den Typen mit der Startnummer eins setzen. Vielleicht Sebastian."
Frage: "Wäre ein gutes Ergebnis hier Wiedergutmachung für die vergangenen Rennen?"
Hamilton: "Hier zu gewinnen, bedeutet den Fahrern mehr als auf jeder anderen Strecke. Wenn du hier siegst, wird man sich immer an dich erinnern. Es gab Fahrer, die mit einem überlegenen Auto gewonnen haben, aber in diesem Jahr sind alle sehr dicht zusammen. Das macht es noch aufregender, denn du musst noch präziser fahren. Es gab so viele unterschiedliche Sieger, die Chance auf eine Sieg ist offenbar größer als je zuvor. Der beste Fahrer muss also die beste Arbeit machen, aber auch das Team muss perfekt arbeiten."
Frage: "Wenn man sich deine Rundenzeiten in Spanien ansieht, stellt man fest, dass du das Rennen hättest locker gewinnen können, wenn du von deiner ursprünglichen Position aus gestartet wärest."
Hamilton: "Hätte, wäre, wenn zählt nicht. Maldonado hat einen tollen Job gemacht, ich ziehe den Hut vor ihm. Er war toll für ihn, sein Land und seine Familie. Wir haben das Tempo und wir verbessern uns stetig. Wir machen weniger Fehler, aber immer noch einige kleine. Hoffentlich können wir das an diesem Wochenende abstellen."

