powered by Motorsport.com
  • 25.10.2019 22:50

  • von Johannes Mittermeier

Glock setzt Vettel eine Titel-Frist: "Nächstes Jahr muss er es schaffen"

Steht Sebastian Vettel in der Formel-1-Saison 2020 unter Zugzwang? Laut Timo Glock muss der deutsche im nächsten Jahr mit Ferrari abliefern

(Motorsport-Total.com) - Timo Glock nahm zwischen 2004 und 2012 an 91 Formel-1-Rennen für Jordan, Toyota, Virgin respektive Marussia teil. Sein bestes Ergebnis waren zwei zweite Plätze in Ungarn 2008 und Singapur 2009.

Titel-Bild zur News: Glock

Timo Glock setzt Sebastian Vettel eine Titel-Frist Zoom

In der Saison 2005 ging der gelernte Gerüstbauer in der amerikanischen ChampCar-Serie an den Start, es folgten zwei Jahre in der GP2-Serie, wo er 2007 den Titel gewann. Seit 2013 ist Glock in der DTM für BMW aktiv, in diesem Zeitraum gelangen ihm je fünf Siege und Pole-Positions.

'FOCUS Online' erreichte den 37-Jährigen vor seiner Abreise nach Mexiko, wo Glock beim Formel-1-Rennen als RTL-Experte fungieren wird - und Historisches miterleben könnte: Die sechste Weltmeisterschaft von Lewis Hamilton, der 14 Punkte mehr als Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas braucht, um vorzeitig Champion zu werden.

Herr Glock, Sie haben eine komplizierte DTM-Saison hinter sich und gesagt: "So ein extremes Jahr habe ich noch nie erlebt." Warum lief es so schief?

Timo Glock: "Ich war immer zur falschen Zeit am falschen Ort. Ob es technische Probleme waren oder unglückliche Rennsituationen. Es gab kein Rennen ohne Schwierigkeiten, in Hockenheim ist mir sogar die Tür aufgesprungen - was es ewig nicht gegeben hat. Das war so ein Sinnbild fürs ganze Jahr. Wenn etwas passiert ist, dann an meinem Auto."

Fahren Sie auch 2020 in der DTM?

Glock: "Es sollte sich nichts ändern. Natürlich muss man immer ein bisschen abwarten, was im Winter passiert. Aber momentan plane ich ganz normal die DTM ein."

Ihr letztes Formel-1-Rennen bestritten Sie genau wie Michael Schumacher in Brasilien 2012. Sie haben sich mit dem Rekordweltmeister immer gut verstanden. Kann man von Freundschaft sprechen? Und haben Sie seit Schumachers Skiunfall noch Kontakt zur Familie?

Glock: "Ja, das kann man schon Freundschaft nennen. Wir waren viel unterwegs zur aktiven Zeit. Der Kontakt zur Familie besteht noch, zu Corinna und Mick, den ich ja immer wieder an den Rennwochenenden sehe."

"Schätze Mick Schumacher fahrerisch sehr, sehr gut ein"

Der 20-jährige Mick Schumacher strebt in die Formel 1. Wie gut schätzen Sie ihn ein?

Glock: "Rein fahrerisch schätze ich ihn sehr, sehr gut ein, weil er bedacht an die Sache herangeht, nichts überstürzt und sich selbst Zeit gibt. Ich bin sicher, dass Mick das Potential für die Formel 1 hat und es genauso umsetzen kann wie alle anderen, wenn er im richtigen Auto sitzt. Schon bei seinen Tests hat er ja bewiesen, dass er direkt bei der Musik ist."


Gerät die Ferrari-Rivalität außer Kontrolle?

Beim Russland-Grand-Prix wurden die Spannungen zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc erneut offensichtlich Weitere Formel-1-Videos

In der Formel 2 bewegt sich Schumacher aber lediglich im Mittelfeld.

Glock: "In den kleineren Klassen kommt es auch aufs Team an, um die Meisterschaft angreifen zu können. Und das Schwierige für einen jungen Mann in seinem Alter ist natürlich, dass er diesen Namen hat und alle auf die Erfolge seines Vaters schauen."

Beim Formel-1-Rennen in Mexiko an diesem Wochenende steht Lewis Hamilton vor seiner sechsten Weltmeisterschaft. Bei aller Wertschätzung gibt es hier und da Kritik, dass er "nur" im überlegenen Auto gewinnt.

Glock: "Es war immer so, dass das Paket einfach stimmen muss. Hamilton hat es geschafft, das Team stabil zu halten und jedes Jahr wieder ein WM-taugliches Auto hinzubekommen. Die Fahrer versuchen den Ingenieuren ja zu erklären, was zu tun ist, damit ein Auto schneller um die Kurve fährt - da hat er nicht gerade einen schlechten Job gemacht."

"Im Cockpit konnte es Hamilton immer wieder umsetzten, machte sehr wenige Fahrfehler und hatte seinen Teamkollegen Valtteri Bottas im Griff."

Ayrton Senna hat drei Titel, Schumacher sieben. Die Zeiten sind nur bedingt zu vergleichen, aber wo würden Sie Hamilton in der Geschichte einordnen?

Glock: "Hamilton kriegt es auch in schwierigen Situationen hin, dass er ein Auto hat, wie er es braucht. Das ist sein größtes Talent: Er kann seine Mannschaft dorthin führen. Deswegen ist er ganz oben einzustufen, man kann ihn mit Top-Leuten wie Senna oder Schumacher vergleichen. Momentan ist Hamilton derjenige, der den Sport dominiert - wie die anderen zu ihren Glanzzeiten."

Hamilton hat 82 Siege, Schumachers Marke liegt bei 91. An WM-Titeln fehlt bald nur noch einer. Hamilton ist 34 Jahre alt: Packt er die Schumi-Rekorde?

Glock: "Ja, die kann er noch erreichen. Die Frage ist, was mit den neuen Regeln passiert - ob Mercedes das dominierende Team bleiben wird oder nicht. Wenn Hamilton weiterhin das Paket hat, kann er die Schumacher-Rekorde auf jeden Fall knacken."

"Hamilton kann bei einem Wechsel zu Ferrari nur verlieren"

Zuletzt gab's ein paar dubiose Rücktrittsgerüchte, in jedem Fall erscheint ein Wechsel zu Ferrari unwahrscheinlich. Ist es Hamilton vorzuwerfen, dass er sich der Herausforderung bei der Scuderia offenbar verweigert?

Glock: "Er kann bei einem Wechsel eigentlich nur verlieren. Wenn er es nicht schafft, Weltmeister mit Ferrari zu werden, dann sind die fünf oder sechs Titel nicht mehr so viel wert - weil er immer an seinem letzten Jahr in der Formel 1 gemessen würde. Die cleverste Variante ist, Geschichte mit Mercedes zu schreiben. Das macht in dieser Phase mehr Sinn."

Sebastian Vettel fährt dem ersehnten Titel mit Ferrari auch im fünften Jahr hinterher. Wie schwer wird es 2020 und darüber hinaus?

Glock: "Die Situation ist nicht einfach - für Ferrari und Vettel. Mit jedem Jahr wird es schwieriger, weil der Druck noch höher ist. Ferrari hatte in den vergangenen beiden Jahren wirklich ein gutes Paket, natürlich nicht so stark wie Mercedes, aber mit Rennen, in denen zu viel Punkte liegen gelassen wurden. Nächstes Jahr müssen sie es schaffen, sonst wird es für Vettel sehr schwierig, sich noch zu motivieren. Weil der Weg so lange ist."

Und sein junger Teamkollege Charles Leclerc beeindruckt auf Anhieb.

Glock: "Leclerc ist wirklich stark, was dazu führt, dass Vettel auch intern dagegenhalten muss - und das lenkt ein bisschen vom Thema ab, das Ferrari eigentlich hat: die WM gewinnen."

Ja oder nein: Glauben Sie noch an einen Vettel-Titel mit Ferrari?

Glock: "Ja!"

Sie selbst fuhren in der Formel 1 dreimal aufs Podium und einmal die schnellste Runde. Wie blicken Sie mit Abstand zurück? War mehr drin? Bereuen Sie irgendeine Entscheidung?

Glock: "Ich weiß, dass ich keine anderen Möglichkeiten hatte. Deshalb schaue ich nicht mit einem weinenden Auge zurück. Ich hatte damals viel Spaß bei Toyota, wo ich auch viel gelernt habe. Es war natürlich doppelt schade, dass man als Werksteam ausgestiegen ist (Ende 2009; Anm. d. Red.). Danach gab es für mich nur die Option, bei einem kleinen Team zu fahren, erst Virgin, dann Marussia. Ich bin sehr happy mit dem, was ich gemacht habe."

Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst am 24. Oktober bei FOCUS Online erschienen. Zur Originalversion bei unserem Kooperationspartner geht es hier!

Neueste Kommentare