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  • 28.05.2013 19:54

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Ghosn: Alle Teams zahlen für Renault-Motoren

Renault-Nissan-Boss Carlos Ghosn verteidigt die hohen Kosten der 2014er-Aggregate und will von Stress mit Bernie Ecclestone nichts wissen

(Motorsport-Total.com) - Im Zuge der bevorstehenden Einführung der neuen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren ab 2014 gibt es derzeit wenig Harmonie zwischen Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und dem Renault-Nissan-Konzern. Der Brite - ohnehin ein Gegner der neuen Motorenformel - will Renault zwingen, die neuen Triebwerke im Preis zu senken, um so die klammen Teams der Königsklasse zu schützen. Bislang ist Ecclestone bei den Franzosen auf taube Ohren gestoßen. Das passte dem 82-Jährigen überhaupt nicht.

Titel-Bild zur News: Carlos Ghosn

Effizienz geht über Leidenschaft: Carlos Ghosn gilt als kühler Renault-Rechner Zoom

Ecclestone nutzte das Rennwochenende in Barcelona, um Renault mal zu zeigen, wer die Fäden der Formel 1 in der Hand hält. Kurzerhand degradierte der Vermarkter die Franzosen zu einem "kleinen Zulieferer". Konsequenz: Renault flog aus dem Fahrerlager und musste seine Zelte am Rande des GP2-Paddocks aufschlagen. Nachdem sich die FIA mit Renault verbrüdert hatte, musste auch der Weltverband dran glauben. Das Motorhome der FIA bekam im Fahrerlager von Monaco einen ungeliebten Platz.

Von einem anhaltenden Disput mit Ecclestone will Renault-Nissan-Boss Carlos Ghosn allerdings nichts wissen. "Es ist kein Geheimnis, dass man von Zeit zu Zeit zu gewissen Themen nicht der gleichen Meinung ist. Wir kommen aber immer zu einer Lösung, denn er ist ein pragmatischer Mann, ein Geschäftsmann, wir sind einander ähnlich", so der Franzose. "Es gibt also immer einen gemeinsamen Nenner." Immerhin komme Ecclestone regelmäßig zu Präsentationen des Unternehmens in Paris. Dies sei eine Art "Liebesbeweis".

Sorgen um Motorenpreise 2014

Ganz so kuschelig geht es allerdings zwischen den beiden Parteien derzeit nicht zu. Im Gegenteil: es herrscht Eiszeit. Grund sind die von Renault aufgerufenen Preise für die 2014er-Antriebe. Die Franzosen fordern über 20 Millionen Euro pro Jahr, die Mitbewerber Mercedes (rund 18 Millionen Euro) und Ferrari (angeblich gut 15 Millionen Euro) sind günstiger. "Ja, er macht sich um die Kosten der Motoren Sorgen", gibt Ghosn auf Nachfrage zu.

Renault wird 2014 Red Bull (Motor heißt dort Infiniti), Toro Rosso und Caterham ausstatten. Bei Lotus ist die Frage nach den künftigen Antrieben noch nicht geklärt. Ob die Mannschaft um Teamchef Eric Boullier weiterhin mit den Franzosen zusammenarbeiten wird, hängt selbstverständlich vom Preis ab - und von den Alternativen. Aus dem Lager von Lotus, Caterham und Toro Rosso war mehrfach zu vernehmen, dass die Preise zu hoch seien. Diese Sorgen gibt es nicht nur bei Renault-Kunden.

Christian Horner, Franz Tost

Schwestern verbrüdern sich: Red Bull und Toro Rosso fahren 2014 mit Renault Zoom

"Das macht uns Angst", spricht Force-India-Teamchef Vijay Mallya Klartext. "Als die FOTA noch in voller Stärke auftreten konnte, wurde gemeinsam mit der FIA beschlossen, dass die Kosten reduziert werden müssen. Aber statt Kostensenkungen erleben wir eine Steigerung der Ausgaben, weil ein oder zwei Teams sich dazu entschlossen haben, Erfolg um jeden Preis vor Vernunft zu stellen", sagt der Inder im Gespräch mit 'Formula1.com'. Dies habe dazu geführt, dass man die geplanten Ressourcen-Restriktionen nie umsetzte.

Mallya schlägt Alarm

"Es ist an der Zeit, dass sich die wichtigsten Leute an einen Tisch setzen und Lösungen finden", meint Mallya. "Wenn man meint, dass die Formel 1 in Zukunft aus drei oder vier Teams mit jeweils drei Autos bestehen soll, dann muss man nur so weitermachen wie bisher. Ich denke allerdings, dass auch die kleinen Privatteams wichtig sind für die Formel 1. Also muss man die Interessen aller in den Vordergrund rücken und nicht nur die individuellen Interessen einiger."

"Es gibt Sorgen wegen der Motorenkosten - das verstehe ich", gibt sich Renault-Nissan-Konzernboss Ghosn gesprächsbereit. "Unsere Aufgabe ist es jetzt, zu arbeiten und die Kosten zu senken. Zuerst sollten wir die Performance auf dem richtigen Niveau ansiedeln, sollten sicherstellen, dass unsere Teams sehr effektive und konkurrenzfähige Triebwerke für 2014 erhalten. Und dann werden wir alles rationalisieren und vereinfachen - und damit werden die Kosten hoffentlich Schritt für Schritt nach unten gehen."

Ob Ghosn und seine Renault-Entwickler dann überhaupt noch Triebwerke verkaufen können, ist fraglich. Viele Beobachter gehen davon aus, dass sich einige ohnehin finanziell angeschlagenen Teams verabschieden könnten. "Wir werden den Preis für niemanden 2014 senken", stellt Ghosn noch einmal klar. "Wir werden aber jedes Jahr hart arbeiten, um diesen Motor effizienter zu machen, die Kosten zu reduzieren, um dann in der Folge auch die Nutzer durch eine Kostenreduktion zu entlasten."

Immerhin verspricht der Franzose, dass es bei allen Renault-Partnern eine Gleichbehandlung geben werde. Auf die Frage, ob wirklich alle Kunden den gleichen Preis zahlen müssen, antwortet Ghosn knapp: "Ja!" Also keine Extrawurst für Red Bull? Offiziell jedenfalls nicht. Fest steht, dass Infiniti die Rechnungen bezahlen wird, sich das Branding erkauft. Allerdings ist Infiniti die Nobelmarke von Nissan - somit ein Teil des Konzerns. Das Geld fließt also innerhalb der Familie, das Team Red Bull zahlt nichts.