• 03.05.2018 16:08

  • von Dieter Rencken, Christian Nimmervoll & Adam Cooper

Gerüchte um Williams & Mercedes: Was dahinter steckt

Lawrence Stroll dementiert, dass er Williams eine Mercedes-Partnerschaft finanzieren würde, trotzdem gibt es viele Argumente, die für das Modell sprechen

(Motorsport-Total.com) - Das Williams-Team dementiert Medienberichte, wonach es in naher Zukunft nach dem Vorbild der Ferrari/Haas-Kooperation quasi "Juniorpartner" von Mercedes werden könnte. "Ich weiß nicht, wo die Geschichte herkommt", sagt die Stellvertretende Teamchefin Claire Williams im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Toto Wolff, Claire Williams

Toto Wolff und Claire Williams kennen sich aus gemeinsamer Williams-Zeit Zoom

Das können wir aufklären: Die Kollegen von 'auto motor und sport' haben am Samstag in Baku eine Story veröffentlicht, wonach Lance Strolls vermögender Vater Lawrence bereit wäre, eine solche Partnerschaft für Williams zu finanzieren, um das Team seines Sohnes sportlich voranzubringen.

Stroll sen. dementiert das. Uns gegenüber sagt er: "Das ist Bullshit. Ja, ich habe versucht, das Team davon zu überzeugen, diesen Weg zu gehen. Es ist aber nicht so, dass ich drauf und dran bin, ihnen irgendwas von Toto (Wolff, Mercedes-Sportchef; Anm. d. Red.) zu kaufen."

Das wäre auch nicht ganz billig. Haas überweist an Ferrari angeblich 70 Millionen US-Dollar pro Jahr. Dafür kommt das amerikanische Team mit 225 Mitarbeitern aus, weil es viele Teile nicht selbst bauen muss, sondern von Ferrari und Chassiskonstrukteur Dallara erhält.

Williams hingegen beschäftigt 793 Mitarbeiter (einschließlich Firmensparten wie Advanced Engineering, die nicht unmittelbar mit der Formel 1 zu tun haben). Die kosten viel Geld (umgerechnet 72,5 Millionen Euro), das eine Kundenpartnerschaft zumindest zum Teil einsparen würde.

Trotzdem betont Claire Williams angesichts der aktuellen Gerüchte: "Wir sind ein Konstrukteur. Frank (Williams) und Patrick (Head; Anm. d. Red.) haben jahrzehntelang für ihre Unabhängigkeit gekämpft, und sie haben das unglaublich gut gemacht. Eine meiner Aufgaben ist es, unsere Unabhängigkeit zu schützen. Das ist uns unglaublich wichtig."

Williams: Hintertürchen für Kundenmodell?

Das hat Anfang April in Bahrain noch etwas weniger entschlossen geklungen. In einem Interview mit 'Motorsport-Total.com' sagte Williams zwar: "Das Modell, das Haas - oder in einem geringeren Ausmaß auch Force India - verfolgt, ist kein Modell für Williams." Aber sie schränkte ein: "War es zumindest früher nicht."

"Wir sehen uns als ganzheitlichen Konstrukteur und wir sind sehr stolz darauf, dass wir unser Rennauto komplett inhouse designen, bauen und entwickeln. Nur sehr, sehr wenig wird ausgelagert. Ob das heutzutage, unter den Bedingungen, die in der Formel 1 herrschen, noch eine zeitgemäße Herangehensweise ist? Vielleicht nicht. Aber das ist im Moment unsere Situation, und mit der müssen wir arbeiten."

Die Idee, Williams über die Antriebseinheit hinaus mit Mercedes zu vernetzen, ist nicht neu. Bereits Ende 2017 gab es einen Vorstoß, so eine Partnerschaft möglich zu machen. Das scheiterte damals an der Aussage von Mercedes, man habe dafür so kurzfristig nicht genug Kapazitäten frei. Doch nun steht die Idee wieder im Raum.

Toto Wolff, Paddy Lowe

Man kennt sich: Toto Wolff und Williams-Technikchef Paddy Lowe Zoom

Mercedes-Sportchef Wolff wirkt jedenfalls nicht gänzlich abgeneigt, wenn er sagt: "Wir haben gesehen, dass das System zwischen Ferrari und Haas funktioniert, für beide Seiten." Ferrari habe davon mehr Umsatz, Haas eine solide technische Basis, um auch ohne jahrelange Erfahrung und mit teuren Ressourcen einigermaßen erfolgreich zu sein.

Wolff findet Kundenmodell charmant

"Natürlich denken wir auch in diese Richtung", gibt er zu. Ob das nun Williams sein würde oder Force India, sei aber zweitrangig. Momentan konzentriere man sich ohnehin voll und ganz auf den WM-Kampf 2018. Und 2019? "Da könnten wir etwas auf die Beine stellen. Wir haben gewisse Kapazitäten", signalisiert der Österreicher. "Wenn man es richtig macht, kann so etwas von Vorteil sein."

Gleich zwei Teams, also Williams und Force India, a la Ferrari-Haas an sich zu binden, sei vorerst nicht möglich: "So weit sind wir noch nicht", winkt Wolff ab. "Der Teufel steckt im Detail. Es geht ja nicht nur um die Produktion, sondern auch darum, selbst nicht vom Wesentlichen abgelenkt zu werden. So etwas wäre ein langfristiges Projekt und nicht etwas, was schon 2019 in großem Stil funktionieren würde. So etwas zu etablieren, dauert zwei bis drei Jahre."

Für Williams wäre eine solche Partnerschaft und die Aufgabe vieler Bauteile, die einen Konstrukteur ausmachen, ein kompletter Philosophiewandel. Der ehemalige Mercedes-Sportchef Paddy Lowe, der heute die Williams-Technikabteilung leitet, hätte damit weniger Probleme, hört man. Claire Williams schon eher.

Sie will das Vermächtnis ihres Vaters Frank schützen. Solange Frank Williams lebt, ist kaum vorstellbar, dass sich Williams in den Status eines zweiten Teams unterwerfen würde. Dabei wäre so ein Modell für beide Seiten charmant. Zum Beispiel, wenn ab 2021 wirklich eine Budgetgrenze greifen sollte. Dann nämlich könnte Mercedes besonders qualifizierte Mitarbeiter, die nicht mehr bezahlt werden können, zu den Kundenteams versetzen.


Trailer: Williams-Kinofilm

Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie lange es sich Williams noch leisten kann, so hohen Aufwand zu betreiben. Es ist unwahrscheinlich, dass der fünfte WM-Platz von 2017 gehalten wird. Das bedeutet für 2019 erhebliche Einnahmenverluste. Dabei ist man schon jetzt auf die Mitbringsel-Millionen der Stroll-Familie und von Sergei Sirotkin angewiesen.

Lowe: Auch Kundenteam kann Weltmeister werden

Lowe hat den Charme eines Kundenteam-Status bereits 2017 erkannt. Damals sagte er: "Die Motoren sind bei allen Mercedes-Teams gleich. So sollte es auch bei allen Motorenherstellern sein. Von daher ist es absolut möglich, als Kunde eine Weltmeisterschaft zu gewinnen. Red Bull hat mit dem Renault-Motor einen sehr guten Job gemacht. Und sie waren auch kein Werksteam."

Hinter den Kulissen könnten noch ganz andere politische Spielchen eine solche Partnerschaft vorantreiben. Mercedes und Ferrari bilden gerade eine Allianz gegen einige der Vorschläge aus Liberty Medias "Vision 2021". Die Budgetgrenze von maximal 150 Millionen US-Dollar pro Jahr ist den beiden Topteams ebenso ein Dorn im Auge wie etwa die Abschaffung der virtuellen Garagen.

Um politischen Druck auf Liberty aufzubauen, wäre jede Partnerschaft mit anderen Teams für Mercedes und Ferrari hilfreich. Ferrari ist mit Haas und Sauber eng vernetzt. Mercedes könnte Williams und Force India ähnlich eng an sich binden. Damit wären sechs von zehn Teams effektiv in einer Allianz - und die Drohung einer eigenen Rennserie bekäme ganz anderes Gewicht.

Andy Cowell, Susie Wolff, Niki Lauda, Maurizio Arrivabene, Toto Wolff in Bahrain 2018 (Freitag)

Mercedes und Ferrari bilden eine Allianz im Kampf um Macht und Millionen Zoom

Weder Mercedes noch Ferrari nehmen das böse Wort "Piratenserie" derzeit in den Mund. Doch wenn hinter den Kulissen um Macht und Millionen verhandelt wird, würden sich die beiden Top-Player mit neuen Kundenteam-Partnerschaften auf clevere Art und Weise Munition für die nächsten Verhandlungsrunden mit Liberty beschaffen ...

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