Formel-1-Technik: Ferraris Tunneltrick am Unterboden
Unsere Technikexperten Giorgio Piola und Matthew Somerfield erklären die Hintergründe zum "Tunneltrick" von Ferrari am SF71H von Vettel und Räikkönen
(Motorsport-Total.com) - Ferrari hat sich bei den Wintertests vor der Formel-1-Saison 2018 teuer verkauft. Das italienische Traditionsteam sorgte mit dem neuen SF71H für die schnellste Runde der Probefahrten und hinterließ insgesamt einen guten Eindruck. Auch der Rennwagen selbst begeisterte: Denn das Ferrari-Auto von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen weist auch in diesem Jahr einige interessante technische Lösungen auf. Vor allem der "Tunneltrick" hat für Aufsehen gesorgt.
© Giorgio Piola
Der "Tunneltrick": Luft strömt aus dem Unterboden auf den Diffusor Zoom
Ferrari hat im Heckbereich des Fahrzeugs und seitlich des Getriebes kleine Tunnel in den Unterboden eingebaut. Das rief gleich erste Kritiker auf den Plan und Gerüchte machten die Runde, es könnte sich dabei um einen nicht erlaubten Doppeldiffusor handeln. Doch weit gefehlt! Ferrari bewegt sich mit seinem Tunneltrick nicht etwa in einer Grauzone des Reglements, sondern verfolgt seine Designphilosophie der vergangenen Jahre einfach nur konsequent weiter. Damit einher geht der vergrößerte Radstand am Ferrari-Neuwagen.
Schon der Ferrari SF70H aus der Formel-1-Saison 2017 hatte einige Stärken, nämlich auf Strecken, die viel Abtrieb erfordern - wie Monaco und Ungarn. Doch auf eher flüssigeren Kursen fehlte es dem roten Rennwagen aus Maranello an Balance und aerodynamischer Effizienz.
Größerer Radstand, kompakteres Heck
Indem Ferrari den Radstand am SF71H im Vergleich zum Vorgängermodell von 3.550 auf 3.678 Millimeter vergrößerte, gelang es, den Luftstrom besser über die aerodynamischen Oberflächen des Fahrzeugs zu führen. Dies macht sich vor allem am Heck bemerkbar - und ohne dass Ferrari dort steile Flügel installieren müsste, die ihrerseits wieder für hohen Luftwiderstand sorgen würden.
© Giorgio Piola
Ferrari SF70H vs. Ferrari SF71H: Der veränderte Radstand ist gut erkennbar Zoom
Wie die Zeichnung von Giorgio Piola zeigt, hat Ferrari den Radstand vergrößert, in dem die Vorderachse ein Stück nach vorne gesetzt wurde. Gleichzeitig wurde auch die Hinterachse deutlich nach hinten geschoben. So wurden die Seitenkästen in die Länge gezogen. Ferrari hat zudem die Kühler und den Antriebsstrang leicht nach vorne versetzt, um damit mehr Platz im Heckbereich zu gewinnen. Positiver Nebeneffekt: Ferrari konnte den hinteren Bereich des Fahrzeugs äußerst kompakt gestalten.
Das schmale Ferrari-Heck ist aber nicht die einzige große Neuerung am SF71H. Denn dieses spezielle Design ermöglichte es dem italienischen Traditionsteam, den Luftstrom vor dem Diffusor noch gezielter zu nutzen. Ferrari macht dies mithilfe der Kanäle, die seitlich des Getriebegehäuses installiert wurden. Damit wird der Luftstrom, der anschließend auf den Diffusor trifft, zusätzlich beschleunigt. Die Zeichnung zeigt auch, wie Ferrari die Form des Getriebes optimiert hat, um den Luftstrom zusätzlich zu begünstigen.
So funktioniert Ferraris Tunneltrick
Die Kanäle, deren Auslassöffnungen im Heckbereich des SF71H zu erkennen sind, werden durch eine Mulde im Unterboden des Fahrzeugs mit Luft versorgt. Schon bei früheren Formel-1-Autos von Ferrari waren die entsprechenden Ansätze verbaut.
© Giorgio Piola
Blick auf den Unterboden des SF71H mit den neuen Luftkanälen am Getriebe Zoom
Ferrari hat die Luftkanäle nun in eine neue Form gepresst, um den aerodynamischen Effekt des Luftstroms besser auszunutzen. Die neue Chassis-Form, die die Kanäle umgibt, sorgt für eine effizientere Anströmung des Diffusors.
Sinn und Zweck dieser Neuerung ist das Streben nach einem breiteren Einsatzfenster für den SF71H, der damit auf möglichst allen Strecken eine konstant gute Leistung erbringen soll. Vorrangig dürfte es Ferrari um die bereits angesprochenen flüssigeren Kurse gehen, auf denen Mercedes noch 2017 klar im Vorteil gewesen ist. Der "Tunneltrick" soll Ferrari ab sofort auch dort Spitzenplätze ermöglichen.
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