Formel-1-Countdown 2010: Williams

Seit dem letzten Sieg im Jahr 2004 ist Williams nur noch Mittelklasse - Marc Surer: "Wüsste nicht, warum sich daran etwas ändern sollte"

(Motorsport-Total.com) - Am 14. März beginnt in Manama (Bahrain) die neue Formel-1-Saison - und die Königsklasse birgt dieses Jahr so viel Spannung wie schon lange nicht mehr: Vier Weltmeister, sensationelle Comebacks und klingende Namen lassen jedes Racingherz höher schlagen. 'Motorsport-Total.com' nimmt vor dem Auftaktrennen wie jedes Jahr alle Teams genau unter die Lupe. Heute: Williams.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Williams hofft, sich im Vergleich zum vergangenen Jahr zu steigern

Mit 113 Siegen und 16 WM-Titeln ist Williams der dritterfolgreichste Rennstall der Formel-1-Geschichte, doch die letzten Sternstunden liegen schon lange zurück: Jacques Villeneuve wurde 1997 - nach dem legendären Rammstoß von Michael Schumacher in Jerez de la Frontera - Weltmeister, Juan Pablo Montoya gewann 2004 den Grand Prix von Brasilien und Nico Rosberg stand in Singapur 2008 letztmals auf dem Podium. Seit dem Ausstieg von BMW ist Williams nur noch Mittelmaß.#w1#

Williams-Schicksal im Mittelfeld besiegelt

Obwohl man mit Rosberg in den vergangenen Jahren ein großes fahrerisches Talent im Cockpit hatte, gelangen nur vereinzelte Achtungserfolge. Ob sich daran 2010 etwas ändern wird? "Ich wüsste nicht warum", ist 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer skeptisch. "Letztes Jahr waren alle voll des Lobes über den Williams, der angeblich das Auto mit dem meisten Anpressdruck war. Das konnte man auf vielen Strecken ja auch sehen, nur auf schnellen Strecken hat es nicht funktioniert - das Gegenteil von Force India sozusagen."

Nico Rosberg

Das bisher letzte Podium für Williams holte Nico Rosberg 2008 in Singapur Zoom

"Aber ich habe nicht das Gefühl, dass man mit diesem Team wirklich rechnen muss - vor allem auch, weil sie Cosworth-Motoren fahren. Die können schlussendlich einfach nicht so gut sein wie die anderen, weil die Erfahrung noch fehlt", findet der Schweizer. Die britischen Motoren, mit denen Williams schon 2006 eine Pleitensaison mit gerade mal elf WM-Punkten erlebte, kehren neu in die Formel 1 zurück und ersetzen im Heck des FW32 die bisherige Toyota-Power.

Man hört von Fahrern wie Timo Glock (Virgin), dass Cosworth in Sachen Topleistung noch Defizite hat, dafür aber in Sachen Fahrbarkeit schon sehr gut unterwegs ist. Surer: "Ich denke, dass das Handicap des Motors nicht so schwerwiegend ist und dass es auf einigen Strecken wieder gut laufen kann, wie das auch im letzten Jahr der Fall war. Aber ich würde sagen: Der Williams kann bestenfalls so gut wie im letzten Jahr sein, mehr nicht."

Sternstunde im Regen möglich?

Fahrbarkeit - also eine berechenbare Kraftentfaltung, wenn der Fahrer auf das Gaspedal steigt - könnte vor allem im Regen zum Joker werden, wenn PS-Performance nur eine untergeordnete Rolle spielt. Insider meinen, dass auf nasser Strecke Nico Hülkenberg für die eine oder andere Überraschung gut sein könnte. Der amtierende GP2-Meister als Deutschland war zuletzt Testfahrer bei Williams und bekommt nun seine Chance im Grand-Prix-Cockpit.

¿pbvin|512|577|williams|0|1pb¿"Ich habe nicht erwartet, dass es jemanden gibt, der im Regen auf dem gleichen Niveau wie Michael Schumacher fahren kann. Nico kann das", sagt Manager Willi Weber über den 22-Jährigen, der in der 'Sport Bild' selbst erklärt: "Vielleicht wurde mein Gefühl auch dadurch geschult, dass ich meine Bambini-Kartrennen in Holland gefahren bin. Dort gab es für diese Klasse keine Regenreifen. Wenn es regnete, mussten wir alle mit Slicks fahren, was natürlich sehr viel rutschiger ist."

Viel Anpressdruck, ein fahrbarer Motor und ein Regenspezialist - das ist die ideale Kombination für schlechte Bedingungen. Aber vereinzelte Glanzlichter sind nicht Hülkenbergs Anspruch. Der Emmericher will irgendwann Weltmeister werden und muss sich dafür zunächst etablieren, um nicht die Karriere aus den Händen zu verlieren, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Romain Grosjean kann davon ein Liedchen singen.

Zum Team nach Oxford gezogen

Zumindest am Ehrgeiz sollte der "Hulk", wie er von manchen im Team in Anspielung auf den grünen Comic-Kraftprotz genannt wird, nicht scheitern. Um sich trotz des Testverbots intensiv auf die Formel 1 vorbereiten zu können, zog er nach Oxford und absolvierte ein mehrwöchiges Praktikum bei Williams, im Rahmen dessen er alle Abteilungen durchlief. "Lewis Hamilton hat das auch gemacht. Was sollst du sonst machen, wenn du Testfahrer bist und nicht testen kannst?", meint Surer.

Willi Weber und Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg wird wie früher Michael Schumacher von Willi Weber gemanagt Zoom

Der Antrieb, nicht nur schnell fahren, sondern die Formel 1 durch und durch verstehen zu wollen, erinnert an sein einstiges Vorbild Schumacher. "Ich habe ihn immer total bewundert, seine Motivation, sein Kämpferherz. Das war und ist faszinierend", sagt Hülkenberg und freut sich schon darauf, auf der Rennstrecke gegen den siebenfachen Weltmeister, der noch dazu den gleichen Manager hat, anzutreten: "Jetzt bin ich natürlich nicht mehr sein Fan, sondern sein Gegner!"

"Natürlich ist es mein Ziel, Podestplätze und Siege einzufahren, aber ich muss das realistisch sehen. Mein Williams-Cosworth wird an den ersten vier Teams nur schwer vorbeikommen", weiß der Youngster. "Es wird eine Zeit dauern, bis ich mich in der Formel 1 richtig wohl fühle. Ich bin noch nicht einmal 5.000 Kilometer in einem Formel-1-Auto gefahren. Aber nach den ersten vier, fünf Rennen und mit ein bisschen mehr Erfahrung wird die Kurve schon nach oben gehen."

Bisher jede Rennserie gewonnen

So ist es bisher nämlich in jeder Rennserie gelaufen, in der er angetreten ist. Seine Erfolgsstatistik kann sich sehen lassen: Deutscher Kartmeister, Formel-BMW-Champion, Gesamtsieger in der A1GP- und in der Formel-3-Euroserie, zuletzt auch noch Meister in der GP2, die allgemein als Sprungbrett in die Formel 1 gilt. Außerdem setzte er sich 2005 in der 'Speed-Academy' der Deutschen Post gegen zahlreiche andere Nachwuchstalente durch.

Nico Hülkenberg

In der A1GP-Serie holte Nico Hülkenberg für das deutsche Team den Titel Zoom

Talent ist also zweifellos vorhanden, die professionelle Einstellung bisher auch. Manager Weber sagt über seinen Schützling: "Am Anfang war Nico ziemlich ungestüm. Er wollte immer mit dem Kopf durch die Wand. Aber er hat seine Fehler analysiert und abgestellt. Heute sehen wir einen Nico Hülkenberg, der überlegt Rennen fährt und eine sensationelle Fahrzeugbeherrschung im Grenzbereich hat." Das erinnert an viele Größen des Sports.

Manche finden, dass Hülkenberg mit seinen blonden Haaren Kimi Räikkönen ähnlich sieht. Darüber mag man sich streiten, aber in der Tat hat er einige Eigenschaften des "Iceman" verinnerlicht: Gelassenheit, ein eher ruhiges Verhalten im Umgang mit den Medien, die sensationelle Fahrzeugbeherrschung. Doch unter der kühlen Hülle lodert das Feuer eines jungen Mannes, der unbedingt auch in der Formel 1 Erfolg haben will.

Barrichello will es noch einmal wissen

Messen wird man ihn zunächst an Rubens Barrichello, der vor seiner 18. (!) Formel-1-Saison steht und mit 287 Rennteilnahmen der längstdienende Grand-Prix-Pilot aller Zeiten ist. Der 37-Jährige bewies in der zweiten Saisonhälfte 2009 mit zwei Siegen, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört, und wurde von Frank Williams als Zugpferd verpflichtet. Die Mischung aus Jugend und Routine sollte auf Fahrerseite eine solide Basis darstellen.

Rubens Barrichello vor Felipe Massa

Rubens Barrichello nimmt die Herausforderung der Jungen an Zoom

"Rubens ist ein sicherer Wert", analysiert Experte Surer. "Er ist gut für das Team, bringt das Auto vorwärts, gibt nie auf. Das gefällt mir. Man hat das in der Zeit gesehen, als der Honda nicht lief, denn damals war er oft schneller als Button. Er ist einer, der fightet. Und Nico ist für mich ein Talent und ein Winnertyp. In der GP2 hat er mich überzeugt. Die ersten paar Rennen war er noch nicht ganz vorne, aber er hat dann sehr schnell gelernt. Als er begriffen hatte, wie die GP2 funktioniert, hörte er gar nicht mehr auf zu gewinnen. Er wird Rubens Schwierigkeiten machen."

"Rubinho" ist glücklich verheiratet, hat zwei Söhne, in seiner Karriere viel Geld verdient. Doch zwei Meilensteine, die er gerne erreichen würde, fehlen ihm noch, um beruhigt in Rente gehen zu können: ein Sieg beim Heimrennen in São Paulo und der WM-Titel. Ob er diese Träume bei Williams verwirklich kann, sei dahingestellt, aber wie er sich immer wieder motivieren kann, es noch einmal zu versuchen, ist bewundernswert.

Motiviert wie ein 18-Jähriger

"Meine wichtigste Qualität ist meine Motivation. Ich fühle mich so, als wäre ich 18 Jahre alt", beteuert der elffache Grand-Prix-Sieger, der genau wie Hülkenberg als Regenspezialist gilt. "Ich denke nicht ans Aufhören, sondern daran, dass ich noch immer sehr konkurrenzfähig bin. In Bezug auf meine Geschwindigkeit erreiche ich nun den Gipfel und das stachelt mich nur noch mehr an. Ich habe viel Spaß am Rennfahren!"

Nico Hülkenberg

Ganz ideal ist der Testwinter für das Williams-Team nicht verlaufen Zoom

Williams erwischte einen bescheidenen Start in den Testwinter, durchlief zunächst die üblichen Kinderkrankheiten. Doch je länger der Februar dauerte, desto besser schien das Team in Fahrt zu kommen. Sogar zwei Tagesbestzeiten standen am Ende zu Buche: "Mit unseren Fortschritten bin ich recht zufrieden. Seit Valencia haben wir uns um eine gute Sekunde gesteigert", lobt Barrichello. "Williams-Cosworth kann in diesem Jahr ein Überraschungsteam sein. Der Cosworth-Motor funktioniert sehr gut."

Der FW32 wurde unter der Regie des ehemaligen Jordan-Ingenieurs Sam Michael (38) entwickelt, der einst als technischer Shootingstar gefeiert wurde und in der Branche immer noch einen guten Ruf genießt, in den vergangenen Jahren aber keine Siegerautos gebaut hat. Tatsache ist: Seit der Australier im Mai 2004 die Williams-Technikabteilung von Patrick Head übernommen hat, gelang dem Team nur noch ein einziger Grand-Prix-Sieg.

Bei Red Bull Anleihen genommen

Aerodynamisch folgt der FW32 den von Red Bulls Adrian Newey vorgegebenen Designtrends dieser Saison. Das sieht man an der Frontpartie ebenso wie im Heckbereich, der wieder niedriger geworden ist und trotz des größeren Benzintanks auch recht schmal gehalten werden konnte. Interessant ist, dass die Auspuffanlage weit nach außen verlegt wurde - möglicherweise eine Folge des Cosworth-Debakels von 2006, als wegen des zu kompakten Packagings lästige Vibrationen vom Motor auf das Chassis übertragen wurden.

Sam Michael

Sam Michael: Guter Ruf in der Branche, aber die Erfolge fehlen bisher Zoom

Williams beschäftigt in Grove derzeit 500 Mitarbeiter und wirtschaftet mit einem geschätzten Jahresbudget von 90 Millionen Euro. Das ist Formel-1-Mittelklasse. Neu im Team ist der Testfahrer Valtteri Bottas, der von Neo-Anteilseigner Toto Wolff aus Österreich auf der Reservebank platziert wurde. Wolff könnte eines Tages Williams und Head ablösen, doch ob das Team bis dahin wieder zu alter Klasse aufschließen kann, ist fraglich.

"Das Team hat Tiefen überwunden", urteilt Experte Surer. "Jetzt, wo es wieder richtig läuft, sind die großen Teams weg, die mit Geld alles zugeschüttet haben. Zudem ist das Reglement so, dass man nicht mehr Unsummen an Geld ausgeben kann. All das spricht dafür, dass Williams irgendwann wieder ein Wörtchen mitreden kann. Trotzdem: So richtig überzeugend finde ich Williams nicht - auch in den letzten Jahren nicht, als sie eigentlich gute Voraussetzungen hatten..."


Fotos: Williams, Testfahrten in Barcelona


Saisonstatistik:

Team:

Konstrukteurswertung: 7. (34,5 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 1
Podestplätze: 0
Ausfallsrate: 14,7 Prozent (4.)
Durchschnittlicher Startplatz: 10,1 (5.)
Testkilometer 2010: 6.801 (2.)
Testbestzeiten 2010: 2 (4.)

Qualifyingduelle:

Barrichello vs. Button: 10:7

Rubens Barrichello (Startnummer 9):

Fahrerwertung: 3. (77 Punkte)
Gefahrene Rennen: 17/17
Siege: 2
Podestplätze: 6
Pole-Positions: 1
Schnellste Rennrunden: 2
Durchschnittlicher Startplatz: 4,5 (2.)
Bester Startplatz: 1.
Bestes Rennergebnis: 1.
Ausfallsrate: 5,9 Prozent (4.)
Testkilometer 2010: 3.417 (3.)
Testbestzeiten 2010: 1 (5.)

Nico Hülkenberg (Startnummer 10):

Fahrerwertung: -
Gefahrene Rennen: -
Siege: -
Podestplätze: -
Pole-Positions: -
Schnellste Rennrunden: -
Durchschnittlicher Startplatz: -
Bester Startplatz: -
Bestes Rennergebnis: -
Ausfallsrate: -
Testkilometer 2010: 3.384 (4.)
Testbestzeiten 2010: 1 (5.)