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  • 02.10.2006 11:55

Fokus Regenrennen: Winning in the Rain

In China wurde im Regen gefahren, auch in Japan ist dies nie ausgeschlossen - Regenrennen und wie man am besten darauf reagiert in der Analyse

(Motorsport-Total.com) - In den Gründerjahren der Formel 1 genügte ein Blick in den Himmel. Heute investieren die Teams viel Zeit und Geld in möglichst genaue Wettervorhersagen, auf die sie dann ihre Rennstrategie aufbauen. Trotz modernster Satellitentechnik sind sie vor unangenehmen Überraschungen aber nie sicher. Vor allem wenn eine Regenfront im Anzug ist, läuten bei den Strategen an der Boxenmauer sämtliche Alarmglocken.

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Regenrennen in der Formel 1 sind immer mit ein wenig Chaos verbunden

Auch in der Formel 1 macht das Wetter, was es will. Der Job der Wetterfrösche ist deshalb einer der filigransten und undankbarsten in der Königsklasse. Nicht immer nehmen ihnen die Naturgewalten die Arbeit ab, so wie 2004 beim Grand Prix von Japan, als ein ausgewachsener Taifun vor der Küste heftige Regenschauer übers Land schickte und die Rennstrecke überflutete. In der Regel besteht ihre Arbeit darin, eine Vielzahl von Wetterdaten zu analysieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Eine falsche Vorhersage kann fatale Folgen für das Abschneiden im Rennen haben.#w1#

Strategen haben im Regen eine schwierige Aufgabe

Bei den Empfehlungen, die sie an die Strategen ihrer Teams weitergeben, müssen sie nicht nur die Performance im Auge haben, sondern auch die Sicherheit. Auf einer nassen Rennstrecke werden die gewohnten Verhältnisse nämlich total auf den Kopf gestellt: "Bei Regen", sagt Williams-Pilot Mark Webber, "stehst du viel mehr unter Druck." Vor allem wenn es während des Rennens zu regnen beginnt, müssen sich die Piloten blitzschnell auf schlechtere Sichtverhältnisse und weitere veränderte Bedingungen einstellen. Wie spät kann ich bremsen? Welche Kerbs kann ich überfahren? Und vor allem: Wie viel Grip habe ich noch? Der Gummiabrieb, der auf der Ideallinie für eine bessere Bodenhaftung der Autos sorgt, wird vom Regen oft weggewaschen. Die Folge: Die Autos rutschen mehr und die Fahrer machen schneller einen Fehler.

"Bei Regen stehst du viel mehr unter Druck." Mark Webber

Auch im Alltagsverkehr müssen die Autofahrer auf nasser Fahrbahn mit tückischen Gefahren rechnen: "Oberhalb einer Geschwindigkeit von etwa 70 Stundenkilometer reduziert sich schon bei einer Wasserhöhe von wenigen Millimetern die Reifenhaftung auf unter 20 Prozent", rechnet Christoph Lauterwasser vom 'Allianz Zentrum für Technik' vor.

Das Wasser drängt sich zwischen Reifen und Asphalt, im Extremfall schwimmt der Reifen auf einem Wasserkeil vollständig auf und es kommt zum Aquaplaning. Über das Reifenprofil mit seinen Rillen und Kanälen muss deshalb das Wasser abgeleitet werden. Der 'AZT'-Experte: "Bei höheren Geschwindigkeiten wird von den Reifen in jeder Sekunde eine Wassermenge bewegt, die dem Inhalt mehrerer Eimer entspricht. Das funktioniert nur bei ausreichender Profiltiefe. Diese sollte mindestens drei bis vier Millimeter betragen, was bei Nässe vor allem für Breitreifen ein absoluter Mindestwert ist."

Wenn die Wetterfrösche der Formel 1 Regen vorhersagen, rauchen auch bei den Strategen an der Boxenmauer die Köpfe. Vor allem die Tatsache, dass die Bedingungen bei Niederschlägen selten konstant bleiben, sondern sich von einer Sekunde auf die andere ändern können, stellt sie vor eine knifflige Aufgabe. So müssen sie herausfinden, wie groß die Rundenzeitunterschiede während der wechselnden Verhältnisse sind und dann den richtigen Zeitpunkt finden, an dem es Sinn macht, von Trockenreifen auf Intermediates oder Regenreifen zu wechseln und natürlich auch umgekehrt, wenn die Strecke wieder abtrocknet. "In dieser Phase", sagt Sam Michael, Technischer Direktor von Williams, "werden Rennen entschieden, da sich die Rundenzeiten sehr schnell verbessern."

Verschiedene Startmöglichkeiten bei Regen

Das Reglement der Formel 1 sieht verschiedene Möglichkeiten vor, auf Regen zu reagieren. Beginnt es zum Beispiel kurz vor dem Start zu regnen, kann der Renndirektor die Startprozedur unterbrechen und den Teams dadurch die Möglichkeit geben, die Reifen zu wechseln. Bei starkem Regen kann er einen fliegenden Start nach einer Runde hinter dem Safety-Car anordnen oder den Start des Rennens verschieben. Werden die Streckenverhältnisse während des Rennens durch einsetzenden oder stärker werdenden Regen zu unsicher, hat er die Möglichkeit, zunächst das Safety-Car auf die Strecke schicken. Die Teams können dann auf Intermediates oder Regenreifen umrüsten. Sollte das nicht ausreichen, um die Sicherheit der Fahrer zu gewährleisten, kann ein Rennen abgebrochen und neu gestartet werden.

"In dieser Phase werden Rennen entschieden." Sam Michael

Hatten die Teams in der Vergangenheit noch viele Möglichkeiten, ihre Autos auf Regen abzustimmen, so sind die erlaubten Veränderungen heutzutage minimal. Die Autos müssen so zum Rennen starten, wie sie das Qualifying gefahren sind. Trotzdem treffen die Teams vor jedem Grand Prix Vorkehrungen für ein mögliches Regenrennen. Grundlegende Änderungen an der Abstimmung der Autos machen allerdings nur dann Sinn, wenn man absolut sicher sein kann, dass es während des gesamten Rennens regnet. Doch das ist eher die Ausnahme. Reine Regenrennen, so die Statistik, gibt es in der Formel 1 nur alle zehn Jahre.