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  • 28.04.2013 11:53

  • von Felix Matthey

Trainer in der Formel 1: Niemand ist näher am Fahrer dran

Fahrer und Trainer bilden in der Formel 1 eine praktisch untrennbare Einheit, was laut Tommi Pärmäkoski, Ex-Trainer von Sebastian Vettel, nicht immer einfach ist

(Motorsport-Total.com) - Der Formel-1-Pilot der heutigen Generation sieht sich einem enormen Interesse der Weltöffentlichkeit ausgesetzt. Vor allem wenn er erfolgreich ist. Während Fahrer der kleineren Teams vergleichsweise selten Interviews geben und PR-Termine wahrnehmen müssen, sind die Piloten der Top-Rennställe wie Red Bull, Ferrari oder McLaren praktisch im Dauereinsatz um ihren Pflichten als Top-Sportler in der höchsten Klasse des Motorsport nachzukommen.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel und sein heutiger Trainer Heikki Huovinen Zoom

Durch die unzähligen Interviews während einer Saison meinen Medienvertreter, Fans und sonstige Beteiligte eigentlich, schon sehr nah am Grand-Prix-Piloten dran zu sein. Wirklich nah dran ist jedoch nur eine Person: Der Fitnesstrainer. Denn niemand anderes muss sich so detailliert mit den Bedürfnissen eines Fahrers auseinandersetzen. Dem Trainer wird seitens des Athleten anvertraut, was einen beschäftigt, in welcher Verfassung sich der eigene Körper momentan befindet oder welche Beschwerden einen plagen. Intime Sachen also, die für die Außenwelt in der Regel im Verborgenen bleiben.

Rund 300 Tage im Jahr klebt der Fitnesstrainer praktisch wie ein Schatten am Fahrer, begleitet ihn zu allen Testfahrten und Rennen, arbeitet mit ihm zusammen Trainings- und Ernährungspläne aus und sorgt sich im Allgemeinen um das Wohlbefinden des Piloten. Eine feste Bindung zwischen den beiden Personen ist dabei von enormer Bedeutung. "Es ist als Fitness- und Personal-Trainer sehr wichtig, ein gutes Verhältnis zum Athleten zu haben", weiß Tommi Pärmäkoski. Der Finne war zwischen 2008 und 2011 Trainer von Dreifach-Weltmeister Sebastian Vettel. "Es gibt nie ein oder zwei Elemente, auf die es ankommt. Die Chemie zwischen dir und dem Fahrer muss einfach stimmen", so Pärmäkoski gegenüber 'MTV3'.

Die Stunde vor dem Rennen ist am Spannendsten

Speziell vor einem Rennstart ist der Trainer gefragt. Dabei nimmt vor allem der mentale Aspekt eine wichtige Rolle ein. Denn der Fahrer muss auch psychisch auf den Grand Prix vorbereitet werden. Massagen helfen dabei, Stress abzubauen. Gutes Zureden ebenso. "Es gibt nur dich und den Fahrer", schildert Pärmäkoski, der mittlerweile wieder in seiner Heimat im Kuortane Sport Institute, dem finnischen Olympia-Trainingszentrum, arbeitet. "Man wendet entspannende Massagen an, führt ein Aufwärmprogramm mit dem Fahrer durch. Du versuchst auch, herauszufinden, was im Kopf des Fahrers vor sich geht. Du versuchst ihm zu helfen."

Dabei müsse man ein gutes Gespür dafür entwickeln, wann man mit dem Athleten spricht und wann nicht. Pärmäkoski: "Manchmal spricht man sehr viel mit ihm, um ihn zu motivieren, manchmal schweigt man aber auch. Niemand ist so nah dran am Fahrer wie du." Fahrer und Trainer bilden in dieser Phase vor dem Rennen laut Pärmäkoski praktisch eine Einheit, die Gefühle und er Zustand des einen übertragen sich praktisch auf den anderen: "Wenn du anfängst zu zittern, fängt er auch an zu zittern. Wenn du Zuversicht ausstrahlst, strahlt er vielleicht auch Zuversicht aus."

Sebastian Vettel

Pärmäkoski findet die Zusammenarbeit vor einem Rennen besonders reizvoll Zoom

Das größte Glücksgefühl stelle sich dann ein, wenn man das Bestmögliche erreicht habe. Dabei kommt es offenbar nicht immer zwangsläufig auf den Sieg an. "Am schönsten ist es", beschreibt Pärmäkoski, "wenn beide das Gefühl haben, sich vor dem Rennen bestmöglich vorbereitet und das Maximum herausgeholt zu haben. Dann kann man ganz entspannt das Rennen verfolgen und auf das Beste hoffen."

Höhen und Tiefen gehören dazu

Erfolge gelangen während Pärmäkoskis Zusammenarbeit mit Vettel praktisch wie am Fließband. Zwischen 2008 und 2011 gelangen Vettel 21 Siege, der Heppenheimer wurde zwei Mal Weltmeister. Gleichzeitig erlebte der heute 25-Jährige allerdings auch einige Rückschläge, die es auch mit seinem Fitness- und Mentaltrainer zu verarbeiten galt.

Dabei gilt es stets, die Motivation des Fahrer aufrecht zu halten. Gleichzeitig muss man jedoch auch Mitgefühl für den Piloten entwickeln. Der Trainer steht dem Piloten auch hier sehr nah. "Die Höhen und Tiefen sind an diesem Job das Reizvollste", findet Pärmökoski. "Bei Sebastian waren die Tiefpunkte beispielsweise der Motorschaden in Korea oder auch die Kollision mit Mark (Webber; Vettels Teamkollege; Anm. d. Red.) in der Türkei. Da stand Sebastian unter einer immensen Anspannung."

"Ich liebe es, Leute zu motivieren oder den Fahrer vor einem Rennen runterzuholen und zu entspannen." Tommi Pärmäkoski

"Es gibt auch Tage, an denen ist der Fahrer so müde und ausgelaugt, dass man ihn praktisch zum Training überreden und ihn motivieren muss, alles zu geben, auch wenn es hart ist. Ich liebe es, Leute zu motivieren oder den Fahrer vor einem Rennen runterzuholen und zu entspannen. Manchmal ist es ein Kampf, dann lacht man wieder gemeinsam, manchmal weint man auch. Man arbeitet aber immer daran, den gemeinsamen Traum zu verwirklichen."

Beruf kann an die Substanz gehen

Bei aller Faszination: Der Beruf des Fitnesstrainer, vor allem in der Formel 1, geht an die Reserven. Denn der Umstand, dass man ganz nah mit dem Fahrer zusammenarbeitet, bedeutet, dass man die ganzen Strapazen des Grand-Prix-Zirkus auf sich nehmen muss. Man lebt praktisch aus dem Koffer, das Leben eines Formel-1-Fahrers. Einzig das öffentliche Interesse an der eigenen Person fehlt.

"Ich lebte in dieser Zeit praktisch 250 Tage im Jahr in Hotels", erinnert sich Pärmäkoski, der sich Ende 2011 aus der Formel 1 zurückzog. "Ich war über 300 Tage pro Jahr an Sebastians Seite. Wir hatten die Abmachung, alles so gut wie möglich zu machen um den Erfolg zu realisieren. Wir trainierten zusammen, wir reisten zusammen, wir aßen praktisch die gleichen Dinge." Auf diese Weise habe Pärmäkoski genau gewusst, wie Vettel "tickt": "Man konnte auch Zeichen der Ermüdung feststellen und musste dann den Trainingsplan anpassen."

Dieses Hineindenken in den Fahrer hatte auf Dauer allerdings negative Auswirkungen auf die eigene Person und das eigene Leben. "In den drei Jahren habe ich für diesen Job alles aufgegeben", verrät Pärmäkoski. "Ich konnte nicht zur Hochzeit meiner Freunde gehen und auch viele andere Dinge blieben auf der Strecke. Nach dem zweiten WM-Titel hatte ich das Gefühl, etwas anderes ausprobieren zu müssen. Diesen Beruf kann man nur ausüben, wenn man zu 100 Prozent dahintersteht."

Tommi Pärmäkoski vermisst heute noch die Zusammenarbeit mit Vettel, den er als den ehrgeizigsten Athleten bezeichnet, mit dem er je zusammenarbeiten durfte: "Ich vermisse das intensive Training mit ihm und die Atmosphäre, wenn man vor dem Rennen mit dem Fahrer alleine ist. Ich habe so viele tolle Sachen von ihm gelernt." Pärmäkoskis Nachfolger ist übrigens auch ein Finne: Heikki Huovinen kümmert sich mittlerweile als Trainer um den Deutschen.