• 20.09.2012 16:07

  • von Sven Haidinger & Dieter Rencken

Ferrari geht auf's Ganze: Pole und Sieg als Ziel

In Singapur will Fernando Alonso mit einem neuen Aerodynamik-Paket eine Offensive starten und somit im Titelkampf für eine Vorentscheidung sorgen

(Motorsport-Total.com) - Nach dem bitteren Wochenende in Spa-Francorchamps, als Fernando Alonso Opfer einer Startkollision wurde und nach 23 Rennen in den Punkterängen die Heimreise ohne Zählbares antreten musste, schlugen die Roten aus Maranello beim Heimspiel in Monza zurück: Alonso wurde von Startplatz zehn immerhin Dritter, während Titelrivale Sebastian Vettel durch einen Defekt aus dem Rennen gerissen wurde. Dadurch wuchs der bereits stark reduzierte Vorsprung des spanischen WM-Leaders auf den ersten Verfolger wieder auf 37 Punkte an.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso, Felipe Massa

In Monza zeigten sich beide Ferrari-Piloten in starker Form - geht es so weiter? Zoom

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Ferrari mit Zuversicht in das nun auf dem Programm stehende Nachtrennen in Singapur geht: Alonso gilt nämlich als Singapur-Spezialist und triumphierte bei den Rennen 2008 - ein Sieg, der allerdings von der Crashgate-Affäre überschattet wurde - und 2010. Zudem bringt Ferrari ein neues Aerodynamik-Update in den Stadtstaat.

"Ich hatte hier immer ein konkurrenzfähiges Auto, außer 2009, obwohl wir es dennoch auf das Podest geschafft haben", sagt Alonso. "Es handelt sich um eine herausfordernde Strecke, wo es keinen Platz für Fehler gibt. Das bedeutet, dass sie in dieser Hinsicht wie Monaco ist. Man muss Risiken nehmen, man muss seine Limits finden, aber ohne irgendwelche Fehler zu machen. Auf anderen Kursen verliert man bloß eine Runde, wenn man eine Kurve im Freien Training nicht erwischt und auf das Gras kommt, hier verliert man aber das gesamte Training. Physisch ist es eine Herausforderung, denn es handelt sich um ein langes Rennen bei heißen, feuchten Bedingungen - und mental besteht die Herausforderung darin, dass man am gesamten Wochenende keinen Fehler machen darf."

Alonso hat vor allem Hamilton auf der Rechnung

Doch wie sieht Alonso die Ausgangssituation in der WM sieben Rennen vor Schluss? "Es gibt viele Teams, die stark sind und sich nach wie vor im Titelrennen befinden - und vielleicht fünf oder sechs Fahrer, die um den Titel kämpfen können", glaubt der Ferrari-Star. "Lewis ist derzeit Zweiter, und seit Februar sagen wir, dass ich ihn wahrscheinlich am meisten respektiere, denn wir wissen, wozu er in guten und schlechten Autos fähig ist."

"McLaren hat die letzten beiden Rennen gewonnen, also sind sie auch hier die Favoriten." Fernando Alonso

Alonso ist aber bewusst, dass es "fast unmöglich" ist, "sich strategisch auf fünf Fahrer einzustellen, da sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten an die Box kommen könnten, also müssen wir uns auf den Fahrer konzentrieren, der in der Wertung am nächsten ist - und das ist derzeit Lewis. Außerdem hat McLaren die letzten beiden Rennen gewonnen, also sind sie auch hier die Favoriten."

Dass sein Team bei den vergangenen Rennen etwas an Boden verloren hat, will er nicht gelten lassen: "Ganz und gar nicht. Hätte ich das Rennen in Spa beendet, dann wäre die Führung in der Weltmeisterschaft immer größer geworden. Sie wurde nur wegen diesem einen Rennen kleiner."

Alonso bläst zur Offensive

Der zweifache Weltmeister ist zuversichtlich, McLaren in Singapur etwas entgegensetzen zu können und möchte nun für eine Vorentscheidung in der WM sorgen: "Hoffentlich können wir ihre Dominanz beenden. Wir haben ein paar neue Teile für das Auto dabei und sind optimistisch, dass wir hier und bei den kommenden zwei oder drei Rennen gut aussehen können. Wir wollen die Führung ausbauen - es liegen 75 Punkte auf dem Tisch, und wir müssen das Maximum davon holen."

Zunächst müssen aber erst einmal die Updates funktionieren: "Wir müssen nun schauen, wie die Performance am Freitag aussieht, aber unser Ziel ist es, um die Pole zu kämpfen und das Rennen zu gewinnen. Wir waren in Monaco und in Kanada konkurrenzfähig, und da es sich um ähnliche Kurse handelte, sind wir zuversichtlich. Wir wissen, wie wichtig die Pole hier ist."

Einen persönlichen Meilenstein hat Alonso bereits in Monza erreicht: Mit seinem 80. Podestplatz zog er mit seinem Idol Ayrton Senna gleich. "80 Podestplätze sind ein Grund, stolz zu sein - diese Zahlen werden mir etwas bedeuten, wenn ich zurückgetreten bin", sagt er. "Sennas Rekord eingestellt zu haben, ist eine große Sache, denn ich habe seine Rennen immer verfolgt und hatte ein Poster von ihm in meinem Zimmer. Der Gedanke, dass ich eines Tages einen seiner Rekorde egalisieren werde, wäre mir nie gekommen. Hoffentlich kann ich noch mehr Rekorde Sennas egalisieren - wie zum Beispiel die WM-Titel von Senna", dient die Formel-1-Legende aus Brasilien Alonso als zusätzliche Motivation, zum dritten Mal Champion zu werden.

Massa will Singapur-Pech abschütteln

Teamkollege Felipe Massa kommt mit einem starken Rennen im Rücken nach Singapur - ein Ort, der für ihn einen negative Beigeschmack hat, denn die Crashgate-Affäre hatte 2008 zur Folge, dass der Brasilianer durch einen katastrophalen Boxenstopp, bei dem der Tankschlauch im Auto stecken blieb, schließlich den Titelkampf gegen Hamilton verlor.

"Ich mag die Singapur-Strecke, und ich habe das Gefühl, dass mir der Kurs liegt, obwohl ich hier nie viel Glück hatte", hadert Massa mit seinem Pech. "Ich peile auf jeden Fall ein weiteres gutes Ergebnis an, und ich hoffe, dass ich mich sogar noch besser als bei den vergangenen zwei Rennen schlagen kann", hat er einen Podestplatz im Visier. "Ich klopfe auf Holz, dass wir nach den zweifellos guten Rennen in Spa und Monza so weitermachen können. Ich habe eine ordentliche Anzahl an Punkten mitgenommen, was besonders wichtig ist, wenn man die aktuelle Lage in der Weltmeisterschaft mit der Ausgangssituation zu Beginn des Jahres vergleicht."

Massa vergleicht den Kurs in Singapur mit den langsamen Strecken im Kalender: "Da es sich um einen Stadtkurs handelt, bestehen Ähnlichkeiten zu Monaco, was die Abstimmung angeht, und auch mit Ungarn, denn auch dieser Kurs benötigt viel Abtrieb." Ein Grund zur Zuversicht? Der Ferrari-Pilot überlegt: "Monaco war für uns ein sehr gutes Rennen, Ungarn weniger. Der Kurs in Singapur hat aber mehr mit Monaco gemein, also rechne ich wirklich damit, dass das Auto hier gut funktioniert und uns die Möglichkeit gibt, jede Menge Punkte zu holen."

Faktor Reifen: Nagelprobe für Ferrari

Dennoch rechnet er mit einem schwierigen Rennen: "Man muss alle Faktoren in Betracht ziehen - wie die Hitze und die Feuchtigkeit, das technisch anspruchsvolle Streckenlayout und das Verhalten der Reifen. Man muss mit all diesen Situationen zurechtkommen und benötigt obendrein ein konkurrenzfähiges Auto, um gut abzuschneiden."

"Hier werden die Reifen viel härter beansprucht als in Monaco - eine Runde hier ist wie zwei Runden in Monaco." Felipe Massa

Was die Reifen angeht, bleibt er mit einer Prognose vorsichtig: "Dieses Jahr haben wir keine Probleme mit dem Aufwärmen der Reifen, und das zeigt, dass wir uns in diesem Bereich deutlich verbessert haben. Bei manchen Rennen bauten die Reifen aber vielleicht etwas stärker ab als erwartet, also müssen wir sie im Auge behalten. Hier werden die Reifen viel härter beansprucht als in Monaco - eine Runde hier ist wie zwei Runden in Monaco. Auch die Hitze macht es für die Reifen viel schwieriger."

Auch ein Blick auf das Jahr 2011 dient als Warnung: "Im Vorjahr war das Rennen in Bezug auf die Reifen sehr schwierig. Und obwohl das Auto ganz anders war als das aktuelle rechne ich mit einem schwierigen Rennen, denn wir haben die gleichen Reifenmischungen - und zwar Soft und Supersoft. Da die Reifen hier stark beansprucht werden, rechne ich mit mehr Boxenstopps als bei den vergangenen Rennen."

Massa hofft auf Ferrari-Verbleib

Das Rennfahren unter Flutlicht sieht Massa hingegen eher gelassen: "Ich habe kein Problem damit, bei künstlichem Licht zu fahren, da das Flutlicht so gut ist, dass die Sicht mehr oder weniger wie immer ist. Physisch habe ich kein Problem, mich auf die Nachtarbeit einzustellen, denn ich wechsle einfach nicht die Zeitzone und bleibe in der europäischen Zeit. Ich gehe um fünf Uhr morgens zu Bett und stehe acht Stunden später um ein Uhr nachmittags auf. Das Rennen beginnt um acht Uhr abends - nach europäischer Zeit um zwei Uhr am Nachmittag -, also ändert sich für mich nichts. Natürlich ist es seltsam, um fünf Uhr in der Früh schlafen zu gehen, aber es funktioniert und wir können uns das gesamte Wochenende lang nach diesem Zeitplan richten."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Singapur


Bleibt die Frage, ob es für Massa der letzte Grand Prix von Singapur im roten Ferrari-Overall sein wird. Doch von solchen Gedanken lässt sich der 31-Jährige nicht ablenken, schließlich zeigte er zuletzt eine aufsteigende Formkurve: "Wenn man sich nur die Ergebnisse anschaut, dann scheint es, als wäre es seit der Sommerpause für mich viel besser gelaufen. Was aber den Speed und das Renntempo angeht, hatte ich aber auch davor gute Rennen, nur ging immer irgendetwas schief und brachte mich um ein gutes Ergebnis."

"Jetzt muss ich einfach weitermachen und versuchen, im Auto immer das Beste zu geben. Dass ich noch keinen Vertrag unterschrieben habe, macht mir derzeit nicht allzu große Sorgen. Nach den letzten paar Rennen habe ich ein besseres Gefühl, denn am Ende zählen die Ergebnisse. Ich muss diesen Trend aufrecht erhalten und gute Rennen fahren, dann besteht die Hoffnung, dass ich weiter Rot tragen werde."